Handlungsanleitung
Geld ist nicht alles
Wenn Motivation und Ziele geklärt sind und sich die Weiterbildung als für den Teilnehmenden geeignet herausstellt, bleiben zwei Themenkomplexe übrig, die bearbeitet werden müssen, damit der Teilnehmende sich wirklich auf das Lernen einlassen kann: die Auswirkungen der neuen Situation auf die Familie und die finanzielle Absicherung in der Zeit, in der eine Weiterbildung stattfindet. Ziel der Beratung vor Antritt einer Weiterbildung ist nicht, jemanden von der Weiterbildungsteilnahme abzuhalten, weil die familiären oder finanziellen Voraussetzungen nicht stimmen. Vielmehr geht es um die Frage, welche Veränderungen nötig sind, um die Weiterbildung möglich zu machen. Wie eine solche Beratung aussehen kann, darum geht es im Folgenden.
Zur Beratung im Vorfeld einer Weiterbildung – insbesondere dann, wenn sie Vollzeit organisiert ist - gehört die Frage, wie die Lebenshaltungskosten und die veränderte Belastungssituation in der Weiterbildung geschultert werden können. Die Lernenden sollen gestärkt werden, gute Lösungen für sich und ihre Familie zu finden und mit ihrem Geld gut zu wirtschaften. Dabei spielen folgende familiären und finanziellen Rahmenbedingungen eine Rolle:
- Die familiäre Situation – Wer kann wie unterstützen
- Die finanzielle Situation – Welche Mittel sind (nicht) vorhanden
- Der Überblick über die Lebenssituation – Das Haushaltsbuch
- Die vorhandenen Schulden – Wie kann damit umgegangen werden
Die familiäre Situation – wer kann wie unterstützen
In der Beratung sollten zunächst die Auswirkungen auf die Familie betrachtet werden. Fragen an den Ratsuchenden sind daher:
- Wenn Sie die Weiterbildung beginnen, welche Veränderungen werden nötig?
- Welche Lösungen haben Sie bereits gefunden?
- Welche Lösungen müssen noch gefunden werden?
- Welche Risiken gibt es?
Geringqualifiziert zu sein heißt nicht, dass generell die Kompetenz fehlt, das eigene Leben gut zu organisieren. Im Gegenteil: Von Hartz IV zu leben, gelingt nur mit hohen Planungs- und Organisations- und Finanzmanagementkompetenzen. Auch Alleinerziehende, die – sofern sie keinen Berufsabschluss haben – ebenfalls zu diesem Personenkreis gehören, zeichnen sich häufig durch hohe Kommunikations-, Organisations- und Planungskompetenzen aus, weshalb sie auch für Arbeitgeber interessanter sein können als Bewerbende frisch von der Schule. Dennoch gibt es Themen – etwa der Umgang mit Krankheitsfällen in der Familie – die institutionell schwer geklärt werden können. Hierfür im Rahmen einer Beratung eine Strategie zu entwickeln, hilft den Ratsuchenden auf solche Situationen vorbereitet zu sein.
Es kann aber auch sein, dass Ratsuchende über geringe Problemlösungskompetenz verfügen, insbesondere wenn sie wenig auf die Unterstützung von Familienangehörigen zählen können. Hier ist der Interventionsbedarf größer, um Lösungswege zu finden, die bisher noch nicht im Fokus der Betroffenen waren. Wenn familiäre Beziehungen und Strukturen durch die Aufnahme einer Weiterbildung in Frage gestellt werden, brauchen die Betroffenen oft auch emotionale Unterstützung, um die für sie richtigen Wege finden und durchsetzen zu können.
Leitfragen für die Bestandsaufnahme nach ersten erfolgten Beratungen und Veränderungen sind:
- Wie lösen Sie die Aufgabe jetzt?
- Wie werden Sie die Aufgabe während der Weiterbildung lösen (geplante Lösungen)?
- Welche Lösungen müssen noch gefunden werden, weil es noch keine geplanten Lösungen gibt oder weil diese nicht ausreichen?
- Welche Risiken bleiben dennoch bestehen?
In der weiteren Beratung ist dann zu klären, wie realistisch die geplanten Lösungen sind und welche weiteren Lösungen noch gefunden werden sollten. Risiken müssen nicht unbedingt vorher bereits ausgeräumt werden, sollten aber im Auge behalten werden, um kurzfristig Lösungen entwickeln zu können.
Ein Teil der neu auf die Ratsuchenden zukommenden Herausforderungen lässt sich durch eine Umverteilung der familiären Aufgaben lösen. Für andere gibt es im Prinzip Lösungsangebote, etwa die Finanzierung zusätzlicher Kinderbetreuungskosten. Die Umsetzung muss aber durch die Betroffenen selbst erfolgen, mit Unterstützung der begleitenden Beratung, die durch ihre Fragen dafür sorgt, dass die Betroffenen die für sie richtigen Lösungen finden können. Allein die Frage „Wollen sie Kinderbetreuungskosten beantragen?“ führt nicht unbedingt zu einem Ja, weil der Bedarf möglicherweise noch nicht vorhergesehen worden ist. Deshalb ist es wichtig, in der Beratung alle Eventualitäten durchzuspielen, um von vornherein realistische Lösungsstrategien zu haben.
jetzt | Geplante Lösungen (Beispiele) | Lösungen, die noch gefunden werden müssen | Risiken | |
Betreuung der Kinder morgens vor der Schule | Meine Aufgabe | Die 16-jährige Tochter übernimmt das. | Krankheit der Kinder (Oma hilft aus?) | |
Mittagessen für die Kinder | Meine Aufgabe | Anmeldung Mensaessen | ||
Kinder zum Sport u. ä. bringen | Meine Aufgabe | Termine nach 16 Uhr kann ich übernehmen. Der Große fährt mit dem Bus. | Während der betrieblichen Praktikumszeiten muss das jemand anderes übernehmen, z. B. andere Eltern. | |
Einkaufen | Meine Aufgabe | Einmal in der Woche Großeinkauf Freitagnachmittag | ||
Für den Kurs Lernen | Dienstag und Donnerstag 17 bis 18 Uhr, Sonntagvormittag | |||
Reinigung der Wohnung | Meine Aufgabe | Am Samstag, alle Familienangehörigen werden beteiligt. | ||
Um Angehörige kümmern | Meine Aufgabe | Weiterhin meine Aufgabe |
Tabelle 1: Beispiele für die Entwicklung von Lösungen im Rahmen der Beratung
Die finanzielle Situation – welche Mittel sind (nicht) vorhanden
Theoretisch ist alles ganz einfach. Wer als Arbeitsloser eine berufliche Weiterbildung beginnt, hat nicht mehr, aber auch nicht weniger Geld zur Verfügung. Denn während der Weiterbildung wird das Arbeitslosengeld weitergezahlt. Soweit die Theorie.
In der Praxis gibt es aber Einkommensverluste: Wer vorher an einer Arbeitsgelegenheit teilgenommen hat, hat zusätzlich zum Arbeitslosengeld ca. 120 bis 180 € Mehraufwandsentschädigung bekommen. Die fallen jetzt weg.
Wer während seiner Arbeitslosigkeit einen Nebenjob hatte, hatte unterm Strich ca. 135 € mehr Geld zur Verfügung. So hoch ist der Anrechnungsfreibetrag. Auch die sogenannte Nachbarschaftshilfe fällt weg.
Auf der anderen Seite fallen mitunter zusätzliche Kosten an: Fahrtkosten zum Lehrgangsort und zusätzliche Kinderbetreuungskosten werden zwar vom Leistungsträger erstattet, müssen aber, genauso wie die Leistungen aus dem Programm „Bildung und Teilhabe“ meist mehrere Wochen oder sogar Monate vorfinanziert werden, bis das Geld bewilligt ist. Weitere zusätzliche Kosten entstehen zum Beispiel, weil mehr auf die Kleidung geachtet werden muss oder die Kosten für die Ernährung steigen.
Wünschenswert wäre daher eine Lösung wie bei Auszubildenden. Deren Ausbildungsvergütung ist mit einem Freibetrag von 400 € anrechnungsfrei. Das bedeutet: 400 € on top auf Hartz IV. Für Weiterbildungen bei Trägern gibt es bislang kein zusätzliches Geld. Damit sich die an Weiterbildung interessierten Arbeitslosen unter diesen Umständen nicht gegen eine Teilnahme entscheiden, sollten die finanziellen Ressourcen geklärt werden.
Der Überblick über die Lebenssituation – das Haushaltsbuch
Kennen Sie ein Haushaltsbuch? In Privathaushalten ist dies eine Auflistung von Einnahmen und Ausgaben, die in zwei Spalten in einer Kladde gegenübergestellt werden. Ein Haushaltsbuch soll dazu dienen, eine gute Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben herzustellen und die private Finanzsituation transparent auf einen Blick zu zeigen. Im Internet gibt es unter dem Suchbegriff „Haushaltsbuch kostenlos“ jede Menge Anbieter von digitalen Haushaltsbüchern oder einfach nur guten Anleitungen, wie das eigene Budget in den Griff zu bekommen ist. Als Beispiel sei der Beratungsdienst Geld und Haushalt der Sparkassen-Finanzgruppe genannt, der gut verständliche Anleitungen und einfache Formularen im pdf-Format anbietet.
Mit dem „einfachen Haushaltsbuch“ wird ein Planungsinstrument bereitgestellt, das in kleinen Schritten durch das Budget leitet.
- Erster Schritt: Einnahmen auflisten. Diese werden sowohl in einer Monats- als auch in einer Jahresübersicht eingetragen, um Schwankungen mit zu erfassen.
- Zweiter Schritt: Ausgaben erfassen: Alle regelmäßigen und unregelmäßigen monatlichen Ausgaben werden erfasst.
- Dritter Schritt: Tägliche Ausgaben notieren. Diese werden im Monatsverlauf addiert und in die Jahresübersicht eingetragen.
- Vierter Schritt: Jahresübersicht erstellen: In der Jahresübersicht lassen sich monatliche Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellen. Von den Gesamteinnahmen werden feste Ausgaben und tägliche Ausgaben abgezogen. Daraus ergibt sich das noch zur Verfügung stehende Budget – oder das Defizit.
- Fünfter Schritt: Veränderungen durch die Weiterbildung einplanen: In der Übersicht für den Monat, in dem die Weiterbildung beginnt, werden die zu erwartenden Mehrkosten und Mindereinnahmen berücksichtigt.
- Sechster Schritt: Offene Probleme klären: Manchmal gibt es laufende Verfahren, weswegen Arbeitslosgengeld oder Wohngeld noch nicht in voller Höhe ausgezahlt werden. Externe Beratungsfachleute können helfen, diese Probleme zu lösen.
- Siebter Schritt: Einsparmöglichkeiten prüfen: Kurzfristig lässt sich der Einkauf von Alltagsgegenständen verschieben. Mittelfristig lassen sich auch regelmäßige Kosten überprüfen.
- Achter Schritt: Einnahmen steigern: Können Anträge auf Unterstützungsleistungen gestellt werden? Durch das Programm „Bildung und Teilhabe“ lassen sich z.B. verschiedene familiäre Kosten bezuschussen. Vielleicht kann ein Familienmitglied den Nebenjob übernehmen?
- Neunter Schritt: Alternativen zur Weiterbildung klären und die Risiken abschätzen: Kann durch die Aufnahme von Arbeit statt einer Weiterbildung das Familieneinkommen so weit erhöht werden, dass eine Abhängigkeit vom Arbeitslosengeld nicht mehr besteht? Aber Vorsicht: mit dem Mindestlohn von 8.50 € ist das für Alleinverdiener in mehrköpfigen Familien kaum zu schaffen. Eine Nachqualifizierung ist meist die bessere Lösung.
- Ergebnis: Am Ende der Beratung ist oft das diffuse Gefühl, es könnte finanziell nicht klappen, durch eine realistische Analyse ersetzt worden, die Finanzprobleme und deren Lösung aufzeigt. Wieweit das Ergebnis gegen die Teilnahme an Weiterbildung spricht, hängt davon ab, welche neuen realistischen Handlungsmöglichkeiten aus dem Beratungsprozess entstanden sind.
Die vorhandenen Schulden – wie kann damit umgegangen werden
Für die Beratung vor der Weiterbildung reicht zunächst, mit der Zusammenstellung der Gesamtschulden einen ersten Schritt in Richtung Schuldenregulierung zu tun und damit zu signalisieren, dass an dem Problem durch die Einbeziehung einer erfahrenen Schuldnerberatungsstelle gearbeitet wird. Da sich während einer bis zu zwei Jahre dauernden Umschulung an der Einkommenssituation wenig ändern wird, haben die Schuldner während dieser Zeit einigermaßen Ruhe vor den Gläubigern, wenn sie diese entsprechend informieren und ihre grundsätzliche Zahlungsbereitschaft zum Beispiel durch freiwillige Beträge signalisieren.
Der wichtigste erste Schritt zum tatsächlichen Umgang mit vorhandenen Schulden ist dann die Sichtung aller Unterlagen und Kontoauszüge, um einen Überblick zu bekommen. Schulden, die sich auf Miete, Energie und Versicherungen beziehen, sollten möglichst umgehend bezahlt werden, um Kündigungen zu vermeiden. Auch Mahnungen ab der zweiten Mahnstufe sollten bearbeitet werden, denn die Einleitung formeller Mahnverfahren bringt erhebliche Mehrkosten mit sich. Oft hilft schon das Gespräch, in dem die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft signalisiert wird, aber auf die aktuelle Situation verwiesen wird.
Für Arbeitseinkommen und für Arbeitslosengeld (Nettoeinkommen) gelten Pfändungsfreigrenzen gemäß § 850c ZPO. Sie werden nach der Höhe des Einkommens und der Anzahl der unterhaltspflichtigen Familienangehörigen bemessen. Einkommen bis zu diesen Grenzen sind pfändungsfrei. Oberhalb sind die pfändbaren Beträge genau festgelegt. Der Hinweis, dass diese pfändbaren Beträge bereits durch andere Gläubiger ausgeschöpft werden, kann dazu führen, weitere Mahnverfahren auszusetzen.
Eine gute Möglichkeit die Schulden in den Griff zu bekommen, besteht auch darin, die aktuellen Raten zu senken oder trotz bestehender Pfändungsfreibeträge geringe Raten freiwillig weiterzuzahlen, um die Zahlungsbereitschaft zu signalisieren. Auch ein Schuldenschnitt kann Luft verschaffen
Seriöse Schuldnerberatungsstellen können über die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung oder über die entsprechenden Landesarbeitsgemeinschaften ermittelt werden. Darin sind Schuldnerberatungsstellen z. B. der Kommunen, Wohlfahrtsverbände oder Verbraucherberatungen organisiert.
CC BY SA 3.0 DE by Christoph Eckhardt für wb-web