Buchvorstellung
Kompetenzen – Erwerb, Erfassung, Instrumente
Dieses Buch beleuchtet den Begriff Kompetenzen von verschiedenen Seiten und definiert ihn in Abgrenzung zu anderen Begriffen wie Bildung und Qualifikation. Der Autor geht – wie im Titel ausgewiesen – auf den Erwerb und die Erfassung von Kompetenzen ein. Dazu gibt er einen Überblick über Methoden der Kompetenzerfassung und Forschung zum Thema. Ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen zum Thema rundet das Buch ab.
Der Autor Dieter Gnahs war am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung in Bonn als Senior Researcher tätig und hat Hochschulabschlüsse in den Bereichen der Volkswirtschaftslehre, Soziologie und Pädagogik. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassten die Themen Weiterbildungsstatistik, selbstgesteuertes Lernen, Erfassung informell erworbener Kompetenzen und Lernende Regionen. Zu dem jetzigen Zeitpunkt ist Gnahs als Dozent/Professor an der Universität Duisburg-Essen tätig.
Für Wissenschaftler und Praktiker
Besonders interessant und hilfreich ist dieses Buch für Personen, die sich in das Thema Kompetenzerwerb und Kompetenzerfassung einarbeiten wollen, da Selbstlernmaterial enthalten ist, mit dem sich der Leser das Handlungsfeld eigenständig erarbeiten kann. Des Weiteren bietet dieses Werk fundiertes Wissen über den Forschungsstand zu Kompetenzerfassung und über deren Verwendungszweck in der Praxis, sodass auch Wissenschaftler und Praktiker von dem Inhalt profitieren. Für Lehrende von besonderem Interesse sind die Darlegungen des Autors zu den Anwendungsfeldern der Kompetenz- und Leistungsbeurteilung in Kursen, die u.a. durch Beratung/Lernberatung realisiert werden oder auch zur Einstufung und Überprüfung des Lernfortschrittes genutzt werden können.
Inhalt und Aufbau
Der Autor unterteilt das Buch in sieben chronologisch orientierte Kapitel, beginnend bei der Entstehung von Kompetenzen bis hin zu den Anwendungsfeldern von Kompetenzbeurteilung und der kritischen Reflexion beispielsweise dazu, welchen Nutzen dieses „Leistungsmessen im Bildungswesen“ (Gnahs 2007, S. 112) bieten kann.
Im ersten Kapitel „Einführung und Ziele“ führt der Autor in die Thematik ein und benennt die Ziele, die er mit dem Buch verfolgt. Das Buch dient als Einführung in die Thematik Kompetenzerfassung und soll ein Überblickwissen zu diesem komplexen Themenblock vermitteln (vgl. S. 14).
Das zweite Kapitel „Grundlagen“ befasst sich mit der Entstehung des Kompetenzbegriffs und seiner Abgrenzung zu anderen Begriffen aus Bildung, Wissenschaft und Politik. Gnahs grenzt den Kompetenzbegriff dabei vor allem gegen die häufig synonym verwendeten Begriffe Qualifikation und Bildung ab und versucht sich an einer Definition. Weil der Kompetenzbegriff häufig „nicht einheitlich und trennscharf“ (S. 19) in bildungspolitischen Diskussionen verwendet wird, versucht er hier „ein wenig Klarheit in den Begriffsdschungel zu bringen“ (ebd.). Im Folgenden geht er auf die Bausteine und Arten von Kompetenz ein (z.B. die Unterscheidung in Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz), die in der Performanz zum Ausdruck kommen.
Der dritte Themenblock befasst sich mit der Kompetenzgenese: Wo sind die Orte, an denen Kompetenzen erworben werden? Die unterschiedlichen Lernwege und die Aneignungsweisen, die Kompetenzen entstehen lassen, stehen im Mittelpunkt (S. 33). Dazu greift der Autor zuerst den Einfluss der Sozialisation mit ihren Wirkungen auf die Kompetenzentwicklung auf, um dann auch auf die je spezifischen Chancen des Kompetenzerwerbs beim formalen, nicht-formalen, informellen und sogenannten „en passant“-Lernen einzugehen. Dass jeder Mensch auf sehr spezielle Weise lernt und es doch auch Grundformen von Lernaktivitäten gibt, wird anschaulich dargelegt. Auch lenkt der Autor den Blick auf die persönlichen und äußeren Bedingungen, die den Kompetenzerwerb beeinflussen.
Wie kann man erworbene Kompetenzen sichtbar machen? Darum geht es im vierten Kapitel „Kompetenzerfassung und –messung“. Es beschreibt vier „Bewertungsformen“ (S.51) der Kompetenzerfassung: Zertifizierung, Beurteilung, Selbsteinschätzung, Teilnahmebescheinigung. Zusätzlich erläutert das Kapitel die „messtheoretischen Grundlagen […] und die prinzipiell einsetzbaren Messmethoden“ (S. 52).
Im fünften Kapitel rücken die Anwendungsfelder der Kompetenzerfassung exemplarisch in den Bereichen Weiterbildung, Betrieb und Forschung in den Mittelpunkt. Der Autor beschreibt anhand dieser Bereiche, wo die Kompetenzmessungen eingesetzt werden, welche Verfahren und Formen es gibt und welche Herausforderungen zu bewältigen sind. Für Lehrende besonders interessant sind die Ausführungen zur Kompetenzbilanzierung durch Beratung und Lernberatung und die Verfahren zur Einstufung von Bildungsinteressenten und zur Bildung von homogenen Lerngruppen (S.66-68). Gewinnbringend ist auch der Blick auf verschiedene kompetenzorientierte Lernfortschrittskontrollen und Prüfungsformen.
Im sechsten Kapitel stellt der Autor ausgewählte Instrumente zur Erfassung und Vergleichbarmachung von Kompetenzen und Qualifikationen am Beispiel von ProfilPASS, „Big Five“ und anderen vor und beschreibt und bewertet ihren Einsatz ausführlich.
Im abschließenden Kapitel „Perspektiven“ nimmt der Autor Bezug auf die wissenschaftliche, politische und praktische Aktualität der Kompetenzerfassung. Er weist darauf hin, dass im Zuge von möglichen „Kontroversen, Lösungsansätze[n] und Herausforderungen“ (S. 107) das Thema zukünftig noch mehr zu tragen kommen wird. Er schließt sein Buch mit der Aufforderung, „die alltägliche Kompetenzmessung in der Weiterbildung […] zu überdenken und strukturell sowie inhaltlich neu auszurichten“ (S. 107).
Um die Inhalte der einzelnen Kapitel zu vertiefen und besser verständlich zu machen, stellt der Autor zu jedem Oberbegriff weiterführende Reflexionsfragen und gibt Lesetipps. Zentrale Ergebnisse und Aussagen visualisiert Gnahs in Schaubildern oder durch besondere Hervorhebungen, sodass Inhalte optisch schnell erfasst werden können.
Fazit
Gnahs stellt den Kompetenzbegriff in den Mittelpunkt und zeigt auf, welche Relevanz dieser im gegenwärtigen Bildungssystem hat. Interessierten und auch Fachleuten dürfte dieses Buch sehr helfen, da das Kompetenzthema von den Grundlagen her aufgerollt wird und praktische wie wissenschaftliche Aspekte nicht zu kurz kommen. Zur Selbsterarbeitung dieser Thematik ist dieses Buch also sehr geeignet.
CC BY-SA 3.0 by Ellen Schmidt für wb-web