Handlungsanleitung
Konsequente Einzelförderung in der Gruppe
Den stärksten Individualisierungsgrad in einer Lerngruppe ermöglicht die Einzelförderung. Dabei ist anzumerken: Die konsequente Einzelförderung im Gruppenkontext bindet viel Zeit und Energie bei den Lehrenden und zwar in Bezug auf die Vorbereitung, aber auch auf die Steuerung der individuellen Lernprozesse. Insbesondere Lernende, die über wenige Erfahrungen im formalen Lernen und über wenige Strategien verfügen, ihr eigenes Lernen in die Hand zu nehmen, brauchen viel Anleitung, Ermutigung und häufiges Feedback. Damit diese Form ihre Förderungswirkung bestmöglich entfalten kann, eignet sie sich realistisch betrachtet für kleine Gruppen von zwei bis fünf Lernenden.
Beschreibung
Die Lernenden nutzen bei dieser Methode einen gemeinsamen Raum. Als zentrale Instrumente der konsequenten Einzelförderung in der Gruppe werden folgende individuellen Vereinbarungen bzw. Maßnahmen mit den jeweiligen Lernenden getroffen:
- Entwicklung von Lernzielen und deren schriftliche Fixierung in einem Lernvertrag,
- Entwicklung eines daran orientierten Lernplans als Wochen- oder Monatsplan,
- Bereitstellung und Erläuterung der Lernmittel,
- Erstellung und Führung einer Lernakte bzw. eines Lernentwicklungsplans,
- transparente Darstellung der Lernentwicklung.
Sie können in einem Kurs Phasen der Gruppenförderung und Phasen der Einzelförderung abwechseln lassen oder konsequent Einzelförderung praktizieren.
Einsatz
Die konsequente Einzelförderung lässt sich als Gesamtkonzept betrachten, mit dem ein hohes Maß an Individualisierung im Lern-Lehrprozess erreicht wird. Gerade für Lernende mit wenig Lernerfahrungen und wenig Zutrauen in ihre Lernkompetenzen wird erreicht, dass sie Kompetenzen in der "Systematik ihres Lernens" erwerben, also ein Bewusstsein darüber entsteht, wie Lernen organisiert werden kann, damit es funktioniert. Dafür ist es jedoch erforderlich, dass die Lehrkraft die Funktion und Wirkungsweise von Lernzielen, Lernplänen, Dokumentationen von Lernen usf. transparent macht, d. h. sie spricht mit dem jeweiligen Lernenden darüber, welche Funktion und Bedeutung beispielsweise Lernziele haben.
Zielgruppe
Prinzipiell kann die konsequente Einzelförderung in der Gruppe bei allen Zielgruppen der Erwachsenenbildung eingesetzt werden. Bekannt ist diese Differenzierungsform in der Alphabetisierungsarbeit, in der Bildungsarbeit "Deutsch als Zweitsprache" und auch in der IT- bzw. EDV-Bildung. Auch in der Bildungsarbeit zum Nachholen eines Berufsabschlusses, insbesondere bei der modularen Teilqualifizierung, ermöglicht die konsequente Einzelförderung die Realisierung eines erfolgversprechenden Lernweges.
Allerdings muss der hohe Grad an Steuerungsaufwand bedacht werden, insbesondere dann, wenn die Lernenden viel Anleitung und Feedback durch die Kursleitung brauchen. Daher sollte die Gruppe maximal fünf Personen umfassen.
Vorgehen Schritt für Schritt
Wie erwähnt können Sie die Einzelförderung in der Gruppe entweder als Gestaltungsmodell für einen kompletten Kursdurchgang wählen oder aber zwischen Phasen des gemeinsamen Arbeitens mit der Gruppe und Einzelförderungsphasen in der Gruppe abwechseln.
Schritt 1: Richten Sie die Sitzordnung des Kursraums so her, dass dadurch bereits die beabsichtigte Einzelförderung in der Gruppe deutlich erkennbar ist. Die Lernenden sollten sich gegenseitig sehen können, jedoch nicht durch die Interaktionen zwischen Kursleiter und einzelnen anderen Teilnehmenden gestört werden. Für diesen Zweck eignet sich eine Verteilung der Sitz- und Arbeitsgelegenheiten möglichst über den ganzen Kursraum, z. B. in Form von Tischgruppen.
Schritt 2: Ermöglichen Sie zu Kursbeginn eine Vorstellungsrunde und erläutern Sie, wie Sie die Gruppe im Lernen organisieren. Beginnen Sie den Unterricht möglichst immer gemeinsam, z. B. mit einem kleinen Einstiegsgespräch, gegebenenfalls auch, indem Sie zeigen, wer von den Anwesenden an was arbeitet oder die Teilnehmenden auffordern, sich dies gegenseitig mitzuteilen.
Schritt 3: Zeigen und erläutern Sie allen Teilnehmenden, was die eingangs bereits erwähnten und in den nachfolgenden Schritten genauer erläuterten Instrumente und Verfahren der Einzelförderung sind:
- Lernziele entwickeln und in einem Lernvertrag schriftlich festhalten,
- einen daran orientierten Lernplan als Wochen- oder Monatsplan entwickeln,
- Lernmittel für jede/n bereitstellen,
- die Lernakte anlegen, die durchgehend geführt wird,
- die Lernentwicklung darstellen.
Schritt 4: Entwickeln Sie Lernziele dialogisch oder mithilfe eines Arbeitsblattes und schreiben die Ziele auf oder lassen diese aufschreiben. Sie können alternativ auch mit der Lernlandkarte arbeiten, um den Lernenden eine Übersichts- und Orientierungshilfe zu geben.
Schritt 5: Erstellen Sie mit jedem/jeder Teilnehmenden einen Wochen-Lernplan und halten Sie Vereinbarungen zum Lernthema ggf. in einem Kontrakt fest. Alternativ vereinbaren und markieren Sie auf der Lernlandkarte, womit gestartet wird.
Schritt 6: Legen Sie mit jedem/jeder Teilnehmenden eine Lernakte (Ringbuch, Aktenordner o. Ä.) an, in die alle Lernmaterialien (Kopien von Lesetexten, Arbeits- und Übungsblätter, Reflexionen usf.) systematisiert eingelegt werden können.
Schritt 7: Händigen Sie die Arbeitsmittel aus und leiten Sie zur Bearbeitung an. Vergewissern Sie sich immer wieder, dass der/die Lernenden mit den Lernaufgaben klarkommen.
Schritt 8: Eine Selbst- und Fremdeinschätzung des Lernergebnisses steht am Ende der Woche. Dafür können Sie mit Blick auf den Lernplan und die Lernakte mit einfachen Bilanzierungsfragen arbeiten oder mit differenzierten Einschätzungsbögen. Wichtig ist es, dabei
- zu überprüfen, inwiefern Selbst- und Fremdeinschätzung übereinstimmen und
- bei unbefriedigendem Bilanzergebnis zu klären, wann und wie zum Beispiel eine Wiederholung realisiert werden kann.
Schritt 9: Nicht nach jeder Woche, jedoch von Zeit zu Zeit, sollten Sie Reflexion und Feedback durchführen. Auch hier können Sie dialogisch vorgehen, z.B. durch ein Lernberatungsgespräch. Sie können aber auch die Methode der Fachreflexion nutzen.
Voraussetzungen und Rahmenbedingungen
Die konsequente Einzelförderung bedarf intensiver und vorausschauender Vorbereitung. Diese kann jedoch auch dadurch gesteuert sein, dass am Ende einer Kursstunde jeweils vereinbart wird, was jede/r beim nächsten Mal als Lernthema machen wird.
Der Raum sollte nicht zu klein sein, damit die Teilnehmenden sich gleichmäßig verteilen können und genügend Platz zum Arbeiten und Besprechen zur Verfügung haben, ohne andere dabei zu stören.
Als hilfreich haben sich Metaplanwände oder andere mobile Raumteiler erwiesen, die den Raum zu strukturieren helfen. Zugleich können Metaplanwände auch direkt zum Lernen genutzt werden. Als Lernressource dient ein Lernquellenpool, der den Teilnehmenden ermöglicht, sich selbst mit Lernmitteln zu bedienen.
Pro & Contra
Zweifelsfrei für diese Methode spricht der hohe Individualisierungsgrad. Es ist möglich, das Lernen konsequent an den Lerninteressen und -bedarfen der einzelnen Teilnehmenden zu orientieren. Sie werden zunehmend kompetenter in der Mitsteuerung ihres Lernens, bestimmen ihr Lerntempo, können die Lernmethoden beeinflussen und ihre Pausen selbst regulieren. Kurzum: Sie übernehmen Verantwortung für ihren Lernprozess.
Gerade in der Bildungsarbeit mit Geringqualifizierten braucht es etwas Zeit und anschauliche, transparente Anleitungen, bevor die Abhängigkeit von der Kursleitung abnimmt. Die Kursleitung muss dafür Sorge tragen, dass sie den einzelnen Lernenden gerecht wird, also auch mit denen Zeit teilt, die sich rücksichtsvoll zurücknehmen, um anderen die Zeit zu überlassen. Für Situationen, in denen sich die Kursleitung aufteilen sollte, um Unterstützungsanfragen gerecht werden zu können, braucht es klare Regelungen.
CC BY SA 3.0 by Rosemarie Klein für wb-web