Handlungsanleitung
So gelingt Teambildung
„Wir sind ein Team!“ Es ist schön, wenn eine Lerngruppe das von sich sagen kann. Die Aussage drückt Stärke aus, Selbstbewusstsein, Erfahrung, Zuversicht, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und des sich Wohlfühlens. Ein Team ist man nicht einfach so. Eine Gruppe kann zu einem Team wachsen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Welche das sind, zeigt dieser Beitrag insbesondere am Beispiel geringqualifizierter Lernender auf.
Sie lesen in dieser Handlungsanleitung:
- Was unterscheidet Team und Gruppe?
- Merkmale eines Teams
- Drei Schritte auf dem Weg zur Teambildung
- Erster Schritt: Bewusstsein für Gemeinsamkeiten und Unterschiede
- Zweiter Schritt: Kooperation einüben
- Dritter Schritt: Gruppenarbeit am Beispiel realer Aufgaben einüben .
Was unterscheidet Team und Gruppe?
Eine Gruppe von Lernenden in einem mehr oder weniger zufällig zusammengesetzten Kurs ist nicht automatisch auch ein Team. Die Lernenden verbindet zunächst nur ein mehr oder weniger ausgeprägtes Interesse am Thema des Kurses. Erst wenn es eine gemeinsame Aufgabe und ein gemeinsames Ziel gibt, entsteht eine Lerngruppe. Solche gemeinsamen Ziele sind zum Beispiel die Erarbeitung eines Referats, die Prüfungsvorbereitung oder einfach nur die Nachbereitung des Lernstoffs. Der Erfolg einer Lerngruppe hängt von einer guten Kommunikation und Kooperation untereinander ab. Jedes einzelne Gruppenmitglied trägt Verantwortung dafür, dass das Gruppenziel erreicht wird, und leistet seinen Beitrag. Insofern kann eine Lerngruppe durchaus auch die Kriterien erfüllen, die im Arbeitsleben für Teamarbeit typisch sind.
Eine Lerngruppe wird zu einem Team, wenn die Gruppe eine gemeinsame Aufgabenstellung hat, die Gruppenmitglieder unterschiedliche, sich gegenseitig ergänzende Kompetenzen in die gemeinsame Aufgabe einbringen können, das Arbeitsergebnis von Einzelnen allein nicht leistbar wäre und wenn Hierarchien innerhalb der Gruppe keine Rolle spielen. (vgl. Dr. Georg Angermeier. Team. ProjektMagazin)
Die wichtigsten verbindenden Elemente eines Teams sind seine Ziele und Aufgaben, die gemeinsam erfüllt werden sollen. Erfolgreich wird das Team erst dadurch, dass die einzelnen Mitglieder ihre Beiträge leisten. Je unterschiedlicher und differenzierter die Einzelbeiträge sind, desto breiter wird das Wissensspektrum, das durch die gemeinsame Aufgabe abgedeckt wird. Je weniger Gemeinsamkeiten die einzelnen Teammitglieder haben, desto vielfältiger kann das Gruppenergebnis werden.
Deshalb bestehen Projektteams im Arbeitsleben meist aus Fachleuten unterschiedlicher Berufe, aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen und Hierarchiestufen, aus unterschiedlicher kultureller Herkunft, mit unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen und verschiedenen Geschlechts. Jedes Teammitglied bringt seine besonderen Kompetenzen, sein besonderes Wissen ein. Gemeinsam können sie mehr leisten als die Summe ihrer Einzelaktivitäten. Über all das hinweg lassen sich so folgende Merkmale eines Teams gegeneinander abgrenzen:
- Gemeinsame Aufgabe: Mehrere Menschen arbeiten an gemeinsamen Aufgaben.
- Gemeinsame Ziele: Das Team verfolgt gemeinsame Ziele.
- Stärken: Die Mitglieder des Teams haben verschiedene Stärken und Ressourcen. Sie ergänzen sich gegenseitig. Jedes Teammitglied bringt seine besonderen Fähigkeiten, Erfahrungen und sein Wissen ein.
- Diversity: Das Team lebt von der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Beiträge der einzelnen Mitglieder. Jedes Teammitglied trägt aktiv zur Lösung der gemeinsamen Aufgaben bei und übernimmt Verantwortung für das gemeinsame Arbeitsergebnis.
- Rollen: Aufgaben und Rollen sind klar verteilt und für jedes Teammitglied transparent. Rollen können bestimmte Funktionen beschreiben, z. B. Moderation, Zeitüberwachung, Dokumentieren, Ergebnisse vortragen. Sie sind aber auch durch persönliche Eigenschaften, Vorlieben und Stärken geprägt: Der Macher, der Koordinator, der Umsetzer, der Perfektionist, der Erfinder, der Spezialist, der Beobachter, der Wegbereiter, der Vermittler. Beispiele für Rollenbeschreibungen mit Stärken, Schwächen und Einsatzbereichen sind auf der Webseite Leistungsteam.de beschrieben.
- Prozess: Die Arbeit im Team ist ein Prozess, der einer bestimmten Struktur folgt. Diese ergibt sich jeweils aus der Aufgabenstellung und den Rahmenbedingungen der Arbeit. Der Prozess wird regelmäßig überprüft, im Hinblick darauf, ob und wie die Aufgaben ausgeführt wurden, aber auch, wie die Zusammenarbeit im Team und die Kooperation nach außen klappt.
Drei Schritte auf dem Weg zur Teambildung
Soweit die Theorie zum Thema Team. Für die Bildungsarbeit mit Geringqualifizierten kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Lernenden bereits Teamkompetenz haben. Vielmehr dient der Lernprozess dazu, all die Kompetenzen zu entwickeln, die für eine erfolgreiche Teamarbeit nötig sind. In insgesamt drei Schritten wird im Folgenden erläutert, was dabei zu beachten ist.
Erster Schritt: Bewusstsein für Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Der erste Schritt besteht darin, ein Bewusstsein für Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu schaffen sowie das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der einzelnen Lernenden zu stärken. Lernen wird im Selbstbild vieler Geringqualifizierter oft als Überwindung eines Defizits, als durchaus anstrengende Beseitigung von Nicht-Können empfunden. Produktiver und angstfreier gelingt Lernen dagegen, wenn es als Erweiterung vorhandenen Wissens und Könnens und als Bereicherung für das eigene Leben empfunden werden kann. Daher steht zunächst die einzelne Persönlichkeit im Zentrum.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede können schon beim Kennenlernen deutlich gemacht werden. Jeder Mensch hat eine einzigartige Vergangenheit. Elemente daraus lassen sich aber durchaus mit anderen vergleichen.
Beispiel: Partnerarbeit: Selbstportrait mit Hilfe eines Körperumrisses
Kopf, Schultern, Arme, Beine, Brustkorb, Bauch symbolisieren bestimmte Eigenschaften, Erfahrungen oder Lebensbereiche. Am Kopf kann das Wissen dargestellt werden, z. B. der höchste erreichte Bildungsstand; die Arme stehen für Aktion, also zum Beispiel für die Berufstätigkeit oder für das, was die Betreffenden besonders gut können. Die Beine können Sport oder Hobbys darstellen. Der oder die Partnerin fragt nach den jeweiligen Eigenschaften, lässt die jeweilige Person von sich erzählen und schreibt das auf oder stellt es bildlich dar. Durch das gegenseitige Vorstellen der jeweils anderen Person wird den Einzelnen bewusst, welche besonderen Eigenschaften in der Außenwahrnehmung registriert werden – oder eben auch noch zu wenig; das kann dann ergänzt werden.
Beim Vergleich dieser Selbstportraits können Gemeinsamkeiten mehrerer Menschen deutlich werden, also zum Beispiel Sport, Berufstätigkeit, Wohnquartier, Familienstatus. Diese können in einer neuen Gruppenphase zum Thema gemacht werden. Die Kleingruppen werden nach verschiedenen Kriterien zusammengesetzt, z. B. alle Hobbyfußballer, alle allein erziehenden Mütter, alle aus einem Quartier. So können zum Beispiel positive und negative Merkmale der eigenen Lebenssituation sowie Wünsche zu deren Veränderung gesammelt werden, wobei ebenfalls wieder Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich werden, die Anknüpfungspunkte für spätere Lernsituationen oder Aktivitäten bieten.
In dieser Phase geht es zudem darum, die eigenen Stärken herauszuarbeiten: Was kann ich besonders gut? Was schätzen andere an mir? Was macht mich besonders aus? Auch hier werden wieder unterschiedliche Lebensbereiche betrachtet: die Familie, die Arbeit, Hobbygruppen, die Elterngruppe. Jeder Mensch hat „starke Seiten“. Das kann in schriftlicher Form oder auch bildlich dargestellt werden und durch Fremdeinschätzungen ergänzt werden, etwa durch Partner, gute Freunde oder Arbeitskollegen. Methodisch eignet sich dazu z.B. die Kompetenzenmappe.
Eine andere Methode „Die Arena der unbegrenzten Möglichkeiten" gibt den Gruppenmitgliedern die Gelegenheit, ihre starken Seiten zu zeigen. Sie erzählen im Rahmen der Methode etwas über die Entstehung und die Entwicklung ihrer Stärken und zeigen sie anschließend in einer Vorführung oder mit Hilfe von Fotos oder Videos.
Durch dieses Vorgehen werden den Einzelnen ihre starken Seiten bewusst. Sie erkennen die Gemeinsamkeiten, aber auch die Vielfalt der starken Seiten in der Gruppe. Es entstehen Ideen, mit anderen zusammen die starken Seiten zu teilen und weiterzuentwickeln. Das Selbstbewusstsein wird gestärkt. Vor allem entsteht Offenheit gegenüber Neuem, eine positive Lernmotivation und das Bewusstsein, wie spannend es ist, sich miteinander auszutauschen und gemeinsam aktiv zu sein. Dies sind wichtige Kompetenzen, um als Team arbeiten zu können.
Beispiel für die Erarbeitung von „starken Seiten“
Starke Seiten – weil ich was kann!
Die Aufgabe lautet: Beschreiben Sie eine ihrer „starken Seiten“ (pro Blatt jeweils eine „starke Seite“).
Was ist Ihre „starke Seite“?__________________________________________
1. Wann haben Sie diese Stärke bei sich entdeckt?
2. Wie haben Sie diese Stärke entdeckt?
3. Was genau macht Ihnen daran Spaß? Was finden Sie daran gut?
4. Wie sind Sie immer besser, immer stärker geworden?
5. Welche Schwierigkeiten gab es beim Erlernen? Wie haben Sie sie überwunden?
6. Welche Gedanken und Gefühle hatten Sie, als Sie erkannten, dass Sie es gut konnten?
7. Gab es ein besonderes Erlebnis, einen besonderen Erfolg? Wie war das?
8. Gab es Lob und Anerkennung für diese Stärke? Wie fühlten Sie sich dabei?
9. Was möchten Sie als nächstes noch dazu lernen? Was ist ihr nächstes Ziel?
10. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen? Was ist Ihr nächster Schritt?
11. Was brauchen Sie dazu? Wer könnte Ihnen dabei helfen?
Mehrere Starke Seiten, ergänzt durch Fremdbeurteilungen anderer Personen, aus der Familie, dem Bekannten-, Freundes- oder Kollegenkreis, werden in einer Kompetenzenmappe zusammengeführt. In der „Arena der unbegrenzten Möglichkeiten“ stellen die Gruppenmitglieder ihre „starken Seiten“ vor, durch Präsentationen oder Video-/Fotodokumentationen.
(Möhnesee-Schule.(2012). Starke Seiten – weil ich was kann.
Der zweite Schritt: Kooperation einüben
Teamarbeit ist gekennzeichnet durch eine gemeinsame Aufgabe und das Erreichen eines gemeinsamen Ziels. Die Lernenden sollen an sich erfahren, wie das funktionieren kann. Hierfür eignet sich sehr gut eine Konstruktionsaufgabe, die häufig in Assessment Centern eingesetzt wird, z. B. zwei in einer Entfernung von 30 cm stehende Tische mit Hilfe einer Brücke aus Papier zu verbinden. Die Brücke soll so stabil sein, dass ein Spielzeugauto aus Metall darüber fahren kann. Als Materialien werden Papier, Schere und Klebstoff verwendet. Die Gruppe muss sich einigen wie sie vorgehen will und am Ende ein (möglichst) funktionsfähiges Ergebnis vorweisen.
Arbeitsanleitung Brücke bauen
Art: Teamspiel
Ziel: im Team eine schwierige Aufgabe lösen
Dauer: 5–15 Minuten
Benötigt werden: pro Team eine Schere und eine Rolle Krepp-Klebeband, ein paar Blatt Papier und zwei Tische.
So geht es: Die Gruppe wird in Teams von drei bis fünf Mitgliedern aufgeteilt. Jedes Team soll möglichst schnell aus Papier und Klebeband eine tragfähige Brücke zwischen zwei Tischen bauen (je weiter auseinander, desto schwieriger – 50 cm sind ok). Die Brücke soll die Schere als Belastung aushalten können. Die Teams dürfen dabei die Schere zum Testen benutzen.
Auswertung in der Gruppe
Der Einsatz der Konstruktionsübung (Handlungsanleitung Teambildung) soll bewirken, dass die Lernenden sich selbst und ihr Verhalten in Bezug auf das Gruppenziel im Vergleich zum Verhalten anderer Gruppenmitglieder erfahren und reflektieren können.
Zur Auswertung in der Gruppe können folgende Fragen verwendet werden:
- Was hat gut geklappt?
- Was hat nicht so gut geklappt?
- Wie war die Rolle der einzelnen Teilnehmenden?
- Welche Verbesserungs- oder Veränderungsvorschläge gibt es?
- Was kann auf die Situation in der Gruppe übertragen werden?
- Welche Gefühle sind bei den einzelnen im Laufe der Übung aufgetaucht?
Die Lernenden erfahren im Rahmen der Arbeit an der Aufgabe, wie sie sich selbst in der Gruppe verhalten, wie sie andere erleben und wie sie von anderen erlebt werden. Die Lehrenden beobachten die Gruppe und achten zum Beispiel darauf, wer Initiative entwickelt, wer die Leitung übernimmt, wer gute Ideen einbringt, wer Kreativität besitzt. Wer kann seine Vorschläge gegenüber der Gruppe verteidigen? Wer hält sich eher ruhig im Hintergrund, baut aber fleißig an der Konstruktion mit? Auf diese Weise lassen sich Durchsetzungsstärke, Einfühlungsvermögen, Kommunikationsstärke, Kreativität, Problemlösungsqualitäten und ergebnisorientiertes Arbeiten an sich selbst erfahren und bei den anderen Gruppenmitgliedern beobachten.
Dies schärft den Blick dafür, welche Eigenschaften und Stärken die einzelnen Gruppenmitglieder einbringen können, welche Eigenschaften und Aktionen eher förderlich oder eher hinderlich für den Gruppenprozess sind, wie die Kommunikation gestaltet werden sollte, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Um diese Erkenntnisse herauszuarbeiten, ist eine differenzierte Auswertung nötig. Dabei sollten Feedback-Regeln eingeübt und konsequent angewendet werden.
Dritter Schritt: Gruppenarbeit am Beispiel realer Aufgaben einüben
Anschließend kann eine reale Aufgabe als Teamaufgabe eingeübt werden. Dabei empfiehlt es sich, zunächst klare Vorgaben und Strukturen hinsichtlich der Arbeitsteilung und Arbeitsplanung zu entwickeln. Wie das funktionieren kann, ist in der Handlungsanleitung "Wie plane, beobachte und stütze ich Teamarbeit?“ ausgeführt.
Zum Weiterlesen
AssessmentCenterAcademie. Konstruktionstests im Assessment Center
CC BY SA DE 3.0 by Christoph Eckhardt für wb-web
Möhnesee-Schule.(2012). Starke Seiten – weil ich was kann.
Klee, O. (2006): Spiele und Methoden für Workshops, Seminare, Erstsemestereinführungen oder einfach so zum Spaß.
Eine konstruktionstechnisch etwas anspruchsvollere Bauanleitung für das Teamspiel wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik veröffentlicht: DLR_next „aktiv“: Papierbrücken-Experiment.