Wissensbaustein

Didaktik der Erwachsenenbildung

Der Blick aufs große Ganze

Was ist mit „Didaktik“ gemeint? Was gehört dazu? Und wie setze ich sie praktisch um? Bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen zeigt sich, dass Didaktik mehr ist als die Auswahl der Methode. Zu ihr gehören auch die Planung der Lerninhalte, die Bestimmung der Lernziele und die Auswertung des Kurses.

DefinitionWas ist das?

„Didaktik“ ist das Fremdwort für die Wissenschaft vom lernwirksamen Lehren und damit ein zentraler Begriff in der Erwachsenenpädagogik. Sich mit Didaktik in der Praxis zu beschäftigen bedeutet, sich mit dem Prozess des Lehrens und Lernens auseinanderzusetzen. Es geht dabei um folgende Faktoren: die Bestimmung der Zielgruppe, die Lerninhalte, die Planung, die Durchführung, die Evaluation  und die Reflexion. Dass und wie all diese Fragen aufeinander bezogen sind, zeigt die Abbildung 1.

Grafik mit Kreiselementen zur Didaktik

Abbildung 1: Die sechs Fragen zur Didaktik (Schlutz, 2006, S. 78)

Aus diesen sechs Leitfragen lassen sich weitere konkrete Fragen ableiten: Welche Lernziele sollen erreicht werden und warum? Welche Voraussetzungen, welches Vorwissen bringen die Teilnehmenden mit? Welche Inhalte wähle ich aus? Welche Methoden und Medien sind sinnvoll? Wie messe ich den Lernerfolg?

GeschichteWoher kommt das?

Der tschechische Pädagoge Johann Amos Comenius schrieb im 17. Jahrhundert seine „Didactica Magna“, die mit Blick u. a. auf seinen Grundsatz der „didaktischen Reduktion“ – „Schreite vom Leichten zum Schweren“ – auch heute noch aktuell ist. Seitdem wurden zahlreiche Theorien entwickelt, die auf verschiedenen Grundannahmen und Haltungen basierten. So wurde einmal die Lehrkraft in den Fokus der Aufmerksamkeit gesetzt, ein andermal die Inhalte, dann die Methoden.

In der Erwachsenenbildung haben sich folgende Ansätze herausgebildet:

  • bildungstheoretische Didaktik,
  • lehr-Lerntheoretische Didaktik,
  • curriculumtheoretische Didaktik,
  • identitätstheoretische Didaktik und
  • die Ermöglichungsdidaktik.

Die Ansätze werden heute weitgehend gleichberechtigt und situationsabhängig eingesetzt. 

MerkmaleWie geht das?

Didaktik beruht auf der Annahme, dass der Lernprozess gestaltet sein sollte: Es reicht nicht, Fachwissen oder Informationen zur Verfügung zu stellen und zu erwarten, dass die Teilnehmenden sich diese eigenständig erarbeiten. Ein gängiges Erklärungsmodell ist das didaktische Dreieck.

Grafik: Dreieck

Abbildung 2: Das didaktische Dreieck 

Das didaktische Dreieck macht die vier Dimensionen der Didaktik sichtbar:

  1. die Lernenden, also die Zielgruppe und die damit verbundene Frage, wem das Wissen vermittelt werden soll,
  2. den Inhalt, also das Thema,
  3. die Lehrkraft, sie plant und bestimmt den Lehr-Lernprozess,
  4. das Umfeld bzw. die Rahmeneinflüsse.

Etwas weiter als das didaktische Dreieck fassen Euler und Hahn (2004) den Begriff der „Didaktik“. Sie formulieren folgende Dimensionen des didaktischen Handelns:

  • Lernen verstehen,
  • Lernen arrangieren,
  • Kommunikation gestalten,
  • Rahmeneinflüsse mitgestalten,
  • eigenes Handeln reflektieren sowie
  • Erfahrungen nutzen und Theorien anwenden.

Lernen zu verstehen bedeutet, dass man zunächst einmal selbst davon ausgeht, dass Lernen ein aktiver Vorgang jedes Einzelnen ist, der von außen lediglich unterstützt werden kann. Es ist für den Lernprozess förderlich, wenn Lernende an ihre Vorerfahrungen anknüpfen können. Das kann den Zugang zu Wissen ebenso wie den Transfer des Wissens in den Alltag oder in die Praxis erleichtern. Inhalt und Lernziele sollten Sie daher auf der Grundlage der Vorerfahrungen formulieren.  

Lernen zu arrangieren ist ein praktischer Aspekt der Didaktik: Es müssen Methoden ausgesucht werden, die zu den Inhalten passen. Außerdem müssen Lernmaterialien zusammengestellt oder erstellt werden. Idealerweise wählen Sie die Methoden so aus, dass die Motivation der Teilnehmenden gefördert wird. Die Methoden variieren je nach Thema, bewährt hat sich in der Erwachsenenbildung der Einsatz aktivierender Methoden.

Die Kommunikation im Kurs zu gestalten bedeutet nicht nur, klar und strukturiert zu sprechen und Wissen zu vermitteln, sondern auch auf Fragen der Teilnehmenden einzugehen, Diskussionen zu moderieren, Teilnehmende zu beraten, Konflikte zu erkennen und zu lösen. Die Kommunikation findet unter Gleichberechtigten statt und sollte von gegenseitigem Vertrauen, Wertschätzung und Respekt geprägt sein.

In der Erwachsenenbildung wird die Lehrkraft oft mit der Institution gleichgesetzt, die den Kurs oder das Seminar veranstaltet. Daher ist es gut, wenn Sie die Rahmeneinflüsse mitgestalten können, z.B. bei der Bestimmung des Ortes, dem zeitlichen Umfang und der Ausstattung des Raumes. 

Um als Lehrkraft erfolgreich zu sein, sollten Sie das eigene Handeln reflektieren. Das kann einerseits durch Feedback von den Teilnehmenden, andererseits durch Checklisten oder Feedbackbögen am Kursende geschehen. Nur wenn man Lernziele setzt, ist es möglich, einen Soll-Ist-Vergleich zu machen. So können Sie herausfinden, was gut und was schlecht war und gegebenenfalls auch warum. Planen Sie Feedbackrunden zur Art der Vermittlung und zum Inhalt während des Kurses ein, dann ist die Gefahr, an den Interessen der Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorbeizuarbeiten geringer.

Indem Sie Erfahrungen nutzen und Theorien anwenden, bauen Sie Ihr pädagogisches Handeln nicht nur auf Ihrer Intuition auf, sondern darauf, dass Sie auf der Grundlage einer Lerntheorie oder eines didaktischen Modells eine eigene Position entwickelt haben. 

DiskussionWas wird diskutiert?

Ausgehend von der Idee des selbstlernenden Menschen in der Erwachsenenbildung wurde lange darüber diskutiert, ob es einer Didaktik überhaupt bedarf. Teilnehmende entscheiden ja schließlich selbst, was sie lernen möchten. Gemäß diesem Ansatz rückte die lehrerzentrierte Vermittlung von Wissen in den Hintergrund. Wenn man die Lehrkraft als Coach der Lernenden betrachtet, so müsse sie „nur“ hilfreiche Methoden und Medien bereitstellen.

In der aktuellen Diskussion wird die Didaktik wieder wichtiger. Und auch die Rolle der Lehrenden als Gestalter von Lernprozessen nimmt an Bedeutung zu. Das erstaunt vor dem Hintergrund der sich allerorts durchsetzenden digitalen Medien, die das selbstständige Lernen begünstigen.

Ein Grund für die Renaissance der Didaktik und der Lehrkraft könnte die große angelegte Studie „Visible Learning“ (Hattie, 2009) sein. Der neuseeländische Bildungsforscher Hattie stellte fest, dass die Lehrkraft eine zentrale Rolle für den Lernerfolg spielt. Hatties Ergebnisse wurden zunächst nur für die Schule genutzt, finden aber inzwischen auch Eingang in die Erwachsenenbildung.

Internationale BezügeWie sieht man das woanders?

„Didaktik“ existiert als Fachbegriff auch in anderen europäischen Ländern, nicht jedoch in der anglo-amerikanischen Welt. Hier wird von „pedagogy“ gesprochen. Der Begriff „didactics“ ist dort demagogisch besetzt und weckt Assoziationen zu einem überkommenen pädagogischen System. Das Oxford English Dictionary beschreibt „didactics“ als: „intend to teach, particulary in having moral instruction as an ulterior motive“, also die Absicht zu Lehren mit moralischen Hintergedanken. „Pedagogy“ hingegen ist die Theorie des Lehrens.

Bezeichnenderweise führt das Greenwood Dictionary of Education „didactics“ nicht auf.

In den angelsächsischen Ländern beschäftigt man sich allerdings weniger mit „pedagogy“; das zur Didaktik vergleichbare Gebiet sind die „curriculum studies“, also Untersuchungen zum Lehrplan.

In grenzüberschreitende Diskussionen müssen daher zunächst die Begrifflichkeiten geklärt werden, bevor ein inhaltlicher Austausch stattfinden kann.   


Service

Zur Reflexion

Denken Sie an ihre eigenen Kurse und reflektieren Sie in Bezug auf den Ansatz von Euler und Hahn: Welche Aspekte der Didaktik berücksichtigen Sie? Gibt es Dimensionen, in denen Ihnen noch Wissen fehlt?

Literaturliste

  • Nuissl, E., & Siebert, H. (2013 ). Lehren an der VHS. Ein Leitfaden für Kursleitende. Bielefeld: W. Bertelsmann.
    „Lehren an der VHS“ ist ein sehr praxisbezogenes Werk, das sich mit den Grundfragen der Didaktik auseinandersetzt. Es behandelt die Rolle der Lehrkraft und auch die Frage nach dem Lernen. Grundfragen der Didaktik und Methodik werden ebenso erklärt wie die Arbeit mit Zielgruppen. Gespickt mit Checklisten und Schaubildern, ist dieses Buch gut geeignet für Weiterbildnerinnen und Weiterbildner. Hier der Blick ins Inhaltsverzeichnis:
    www.die-bonn.de/doks/fragmente/10937/Inhaltsverzeichnis.pdf
  • Euler, D., & Hahn, A. (2007). Wirtschaftsdidaktik (2. Aufl.). Bern, Stuttgart, Wien: Haupt.
    Euler und Hahn legen zwar ihren Schwerpunkt auf die Wirtschaftsdidaktik, aber es handelt sich um ein umfangreiches, praxisorientiertes Buch, das sowohl didaktische Grundlagen als auch lerntheoretische Grundlegungen und Schlüsselqualifikationen thematisiert. Aufgaben zum Nach- und Weiterdenken laden zur Reflexion ein. Es ist eine gelungene Verbindung aus Theorie und Praxis. Hier der Blick ins Inhaltsverzeichnis: http://d-nb.info/986002690/04

    Wen nur die im Text erwähnten Prinzipien didaktischen Handelns interessiert, findet in diesem Artikel eine gute Zusammenfassung: 

    Mandl, H., & Kopp, B. (2006). Lehren in der Weiterbildung aus pädagogisch-psychologischer Sicht. Sechs Leitprinzipien didaktischen Handelns. In E. Nuissl (Hrsg.), Vom Lehren zum Lernen (S. 117–128). Bielefeld: W. Bertelsmann. Abgerufen von www.die-bonn.de/doks/2006-lehr-lernforschung-01.pdf
  • Meyer, R., & Stocker, F. (2011). Lehren kompakt I. Von der Fachperson zur Lehrperson (4. Aufl.). Bern: hep.
    Ebenfalls sehr praxisorientiert und gut lesbar ist dieses Buch, das im Rahmen der Kursdidaktik das Lernen Erwachsenen erklärt, auf die Rolle der Lehrkraft eingeht sowie Lernziele und Lehrmethoden thematisiert. Jedes Kapitel beginnt mit einem kurzen Überblick und endet mit einem Fazit. Die Inhalte sind praxisnah, verständlich und leicht zugänglich. Die Autorin bietet auf ihrer Website viele hilfreiche Materialien und einen Blick ins Inhaltsverzeichnis an: www.arbowis.ch/index.php/12-angebot/selbststudium/28-lehren-kompakt-ueberblick 
  • Widmann, A. (2014). Didaktik unterrichten oder: Wie lernen Fachleute didaktisch zu denken? Magazin Erwachsenenbildung.at (20), 09-01-09-10.
    Frau Widmann berichtet aus Ihrer Erfahrung, sie bietet Seminare an, um Lehrende in der Weiterbildung in Didaktik zu qualifizieren. Ein gelungener Artikel, der sowohl für erfahrene Lehrkräfte als auch für Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger interessante Hinweise zur Didaktik beinhaltet. Hier der Link zum Beitrag: http://erwachsenenbildung.at/magazin/13-20/09_widmann.pdf

Quellen

Ertel, H. (2014). Lernen sichtbar machen. DIE Zeitschrift (1), 37–40. Abgerufen von www.diezeitschrift.de/12014/professionalit%C3%A4t-01.pdf

Euler, D., & Hahn, A. (2007). Wirtschaftsdidaktik (2. Aufl.). Bern, Stuttgart, Wien: Haupt.

Nuissl, E., & Siebert, H. (2013 ). Lehren an der VHS. Ein Leitfaden für Kursleitende. Bielefeld: W. Bertelsmann.

Mandl, H., & Kopp, B. (2006). Lehren in der Weiterbildung aus pädagogisch-psychologischer Sicht. Sechs Leitprinzipien didaktischen Handelns. In E. Nuissl (Hrsg.), Vom Lehren zum Lernen (S. 117–128). Bielefeld: W. Bertelsmann.

Meyer, R., & Stocker, F. (2011). Lehren kompakt I. Von der Fachperson zur Lehrperson (4. Aufl.). Bern: hep.

Schlutz, E. (2006). Bildungsdienstleistung und Angebotsentwicklung. Münster, New York, München: Waxmann.

Siebert, H. (2009). Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht (6. Aufl.). Augsburg: Ziel.

Widmann, A. (2014). Didaktik unterrichten oder: Wie lernen Fachleute didaktisch zu denken? Magazin Erwachsenenbildung.at (20), 09-01-09-10.


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