Handlungsanleitung
Lernbarrieren lernbiographisch begegnen
Liegt es an mir und meiner Art zu unterrichten, dass Lernbarrieren das Lernen meiner Teilnehmenden behindern? Oder liegen die Ursachen bei den Lernenden selbst? Sind die Lernbarrieren gegebenenfalls in ihren früheren Erfahrungen mit Lernen begründet? Beides ist möglich, beides gilt es zu prüfen. Im folgenden Text wird erklärt, wie Sie dazu vorgehen.
Wenn bei einzelnen Teilnehmenden Lernbarrieren sichtbar werden, die ihr Lernen beeinträchtigen, sollten Sie als Lehrende und Lehrender prüfen, ob dies an der Gestaltung Ihres Unterrichts liegt. Sind die Sozialformen angemessen, arbeiten Sie mit unterschiedlichen, aktivierenden Methoden, stimmt der Grad der inhaltlichen Herausforderung, ist die Atmosphäre in der Gruppe eher lernförderlich oder -hinderlich?
Dies zu prüfen ist richtig, aber oftmals nicht hinreichend. Die Gründe für Lernbarrieren liegen oftmals in der Vergangenheit, in zurückliegenden lernbiographischen Erfahrungen. Gerade bei Menschen, die ihre Schulzeit als Katastrophenzeit im Gedächtnis haben, lohnt es sich herauszuarbeiten, welche lernbiographischen Erfahrungen als Lernbarrieren auf das aktuelle Lernen hinderlich einwirken, aber auch, wo erfolgreiche Lernerfahrungen gemacht wurden.
Dem Lernen auf die Spur kommen
Startet man als Lehrender mit einer neuen Gruppe einen Kurs, so weiß man in der Regel noch wenig über deren Einstellungen und Erfahrungen in Bezug auf das Lernen. Um darüber mehr zu erfahren, empfiehlt sich ein Zugang über die Lernbiographie. Mit entsprechenden Übungen und Reflexionsangeboten werden die Lernenden aufgefordert, über ihre bisherigen Lernerfahrungen nachzudenken und prägende Lernsituationen näher zu beschreiben. Dabei geht es z. B. um Themen, die sie als Lernende interessierten, um förderliche Verhaltensweisen von Lehrpersonen und um Überlebensstrategien beim Lernen - etwa in der Schule. Es geht auch um herausragende, erfolgreiche Lernsituationen, um Personen, Situationen, Sachen, die in der Erinnerung die eigene Haltung zu und das Verhalten im Lernen geprägt haben. Mithilfe solcher Reflexionsfragen werden positive wie negative Erfahrungen formuliert.
Der Effekt: Den Lernenden werden dabei ihre eigenen Lernhaltungen und ihr Lernverhalten bewusster und die Lehrenden bekommen wichtige Hinweise für das weitere didaktisch-methodische Vorgehen.
Ausflüge in die Lernbiographie machen nicht nur zu Beginn eines neuen Kurses Sinn, sondern können auch im weiteren Lernprozess immer wieder eingebaut werden. Sie tragen dazu bei, Lerninhalte anschlussfähig zu machen, sich das eigene aktuelle Lernverhalten zu erklären und sich für neue Lernerfahrungen zu öffnen. Die Lernbiographie wirkt nämlich in komplexer Weise auf das gegenwärtige Lernen – in allen Phasen des Lernprozesses. Wenn Sie etwa das Vorwissen Ihrer Teilnehmenden zu einem Thema aktivieren, um inhaltliche Anschlussfähigkeit zu sichern, so beziehen Ihre Teilnehmenden das neue Thema durchaus auf die eigene Lernbiographie. Die Lernenden stellen sich dabei mehr oder weniger bewusst Fragen wie: Was hatte ich mit dem Thema, bisher zu tun? Wo hatte ich damit zu tun? Welche Personen waren in meiner Auseinandersetzung mit dem Thema bedeutend? Wie haben sie mich beeinflusst – positiv oder negativ. Auch wenn Sie Ihre Lernenden in Entscheidungen einbinden, wie bei einem Thema am besten weiter vorgegangen werden kann oder welches Unterthema für den Einzelnen besonders interessant sein könnte, werden die Antworten der Lernenden biographisch gefärbt sein.
Lernbiographisch Arbeiten: Wo und wofür?
Lernbiographisches Arbeiten schärft das Bewusstsein der Teilnehmenden darüber, wie sie bislang gelernt haben, was sie dabei empfunden haben, wann Lernen erfolgreich war und wann es als Misserfolg erlebt wurde, aber auch welche Personen das Lernen geprägt haben.
Auch lenkt lernbiographisches Arbeiten den Blick darauf, dass Lernen nicht nur in Kursen und Seminaren, sondern auch im ganz normalen Leben informell stattfindet. Letzteres wird von Lernenden oft nicht als Lernen betrachtet. Für Geringqualifizierte, die für sich eher konstatieren, schon lange nicht mehr gelernt zu haben, ein wichtiges Aha-Erlebnis. Häufig hat diese Zielgruppe Lernen als Zumutung erlebt, vor allem beim institutionellen Lernen, während das manchmal beständig mitlaufende, teils sehr intensive informelle Lernen nie als solches wahrgenommen wurde.
Deswegen ist es sinnvoll, mit einer lernbiographischen Übung zu arbeiten, die an einer positiven Lernerfahrung ansetzt. Dabei ist es wichtig, die Lernenden darauf hinzuweisen, dass hier auch Kontexte gewählt werden können, die nichts mit formalen Lernkontexten zu tun haben müssen.
Behlke, K. (2012): Lernberatung in der arbeitsbezogenen Grundbildung im Betrieb. In: Joachim Ludwig (Hrsg.): Lernberatung und Diagnostik. (S. 129-151) Bielefeld: Bertelsmann
Epping, R., Klein, R. & Reutter, G. (2001): Langzeitarbeitslosigkeit und berufliche Weiterbildung. Bielefeld: wbv.