Erfahrungsbericht
Keine Angst vor Businessplänen
Die Grundlage für die Selbstständigkeit in der Erwachsenen- oder Weiterbildung sollte solide sein und wohlgeplant. Loslegen nach dem Motto: „Lass uns mal anfangen“ führt, so unserer Interviewpartner Andreas Schwietring, nur zu einem erheblichen Mehraufwand und Provisorien, die mit viel Mühe auf professionelle Füße gestellt werden müssen. Wie der 45-jährige Geschäftsführer der Junctus UG beim Aufbau seines Learning-Content-Management-Systems vorgegangen ist und welche Tipps er hat, schildert er in diesem Interview.
wb-web: Herr Schwietring, bitte stellen Sie sich kurz vor.
Andreas Schwietring: Nach gut 27 Jahren Berufserfahrung im industriellen Umfeld hielt ich die Zeit für gekommen, mich selbstständig zu machen. Speziell die gewonnenen interdisziplinären Kenntnisse und Erfahrungen bilden die Grundlagen für mein gegründetes Unternehmen, die Junctus UG. Ich möchte im Bereich der Erwachsen- und Weiterbildung eine Lücke zwischen den Schulungsanbietern auf der einen Seite und den Schulungssuchenden auf der anderen Seite schließen. Daher auch der Name „Junctus“, der aus dem Lateinischen kommt und für verbinden, verknüpfen steht.
wb-web: Was genau haben Sie mit Ihrem Unternehmen „Junctus“ vor?
Andreas Schwietring: Ich biete ein Fullservice-Angebot für ein nachhaltiges Lern- und Wissensmanagement an, das ich mit den Begriffen „Beratende Schulungskoordination und Blended-Learning-Management“ umschreibe. Die Grundidee ist es, den komplexen Bereich von Schulungen und Wissensmanagement mit all seinen Akteuren, Materialien und Prozessen zu einer integrativen Lernwelt zu verbinden.
Dazu definiere ich drei Handlungsfelder, die es jedoch nicht als etwas Separates, sondern als zusammenhängend zu betrachten gilt:
- Schulung, Schulungsplanung und -koordination
Hier biete ich eigene Schulungen an, möchte aber auch mit externen Partnern zusammenarbeiten. Im einfachsten Fall kann der Kunde diese separaten Angebote über die von mir betriebene Lernplattform finden, buchen und teilnehmen. Die dahinter arbeitende Lernplattform steuert dabei die Prozesse der Anmeldung, der Einladung, der Ressourcenverwaltung und der Interaktionen. - Entwicklung, Erstellung und Pflege von Lerninhalten,
Ich unterstütze meine Kunden dabei, die eigenen Lernmodule zu definieren, zu erstellen, diese nachhaltig zu nutzen und pflegen zu können. Als Kunde verstehe ich u.a. selbstständige Referenten, die neue Schulungsangebote für sich aufbauen möchten, aber auch Unternehmen, die ihren Fundus an internen Themen, Prozessen oder Erfahrungswerten aufbereiten wollen. - Inspiration und didaktische Umsetzung von Lernprozessen
Im Bereich der Erwachsenenbildung oder Personalentwicklung sollte es nicht allein um das reine „Abwickeln“ erforderlicher Schulungsmaßnahmen gehen. Ziel sollte es sein, dass Fertigkeiten und Kenntnisse wirklich hängenbleiben, angewendet werden oder zu den gewollten Veränderungen führen. Dazu möchte ich beraten und unterstützen.
Das Rückgrat für all diese Aktivitäten bildet dabei ein individuell anpassbares Learning-Content-Management-System (LCMS) oder vereinfacht auch Lernplattform genannt.
wb-web: Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Was hat Sie beeinflusst?
Andreas Schwietring: Ich war in mittelständischen Industrieunternehmen, jeweils mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, angestellt. Basierend auf einer technischen Ausbildung lenkte ich meinen Fokus in die Richtung der technischen Dokumentation und Kommunikation. Kommunikation ist dabei das Leitmotiv. Von jeher treibt mich die Herausforderung an, wie man Wissen oder Kenntnisse praxisgerecht und anwenderorientiert vermitteln kann. Parallel dazu erweiterte ich meine IT-Kenntnisse zu Office-, Gestaltungs-, Satz- und Layout-Programmen bis hin zu aktuellen Web-Anwendungen – diese Kenntnisse erweisen sich für meine jetzige Selbstständigkeit als elementar.
Zur Frage der Idee: Jeder kennt sicher das motivierende Gefühl nach einer Schulung, die neuen Eindrücke, Inspirationen und natürlich das neue Wissen für sich, aber auch für die Firma zum Einsatz bringen zu wollen. Anhand meiner eigenen Erfahrungen oder aus Gesprächen, die ich mit vielen ehemaligen Kollegen oder auch jetzigen Kunden geführt habe, gelingt dieser Transfer in die Praxis nur selten. Das Gelernte und auch die Motivation verpuffen über die Zeit fast gänzlich – man fällt zurück in die alte „Rille“, weil z.B. die Tagesprozesse unverändert geblieben sind. „Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt zu einer Schulung gegangen bin?“, sind hier typische Äußerungen …
Genau hierin liegen die Herausforderung und die Geschäftsidee meiner Dienstleistungen begründet. Ich kenne die betrieblichen Situationen sehr gut und kann mich in die Abläufe, sowohl in den technischen als auch in den Office-Bereichen, entsprechend hineindenken. Durch einen guten didaktischen Ansatz und die dazu möglichen Koordinationen über die Lernplattform können definierte Lernprozesse aktiver über einen längeren Zeitraum begleitet werden.
wb-web: Sie haben also auf der Basis Ihrer Erfahrungen ein Geschäftsmodell entwickelt. Haben Sie aus Ihrer früheren Tätigkeit heraus bereits potenzielle Kunden oder müssen Sie komplett neu akquirieren?
Andreas Schwietring: Für die „große“ konzeptionelle Lösung fange ich quasi komplett neu an. Als weiteres Standbein, bzw. auch als Strategie, um mein Netzwerk auszubauen, biete ich auch einzelne IT-Schulungsthemen an. Zudem biete ich Support und Helpdesk-Dienstleistungen an. Zum Teil kann ich hier auf bestehende Kunden oder auch Partnerunternehmen aufbauen.
Aktuell habe ich mit zwei weiteren sogenannten Startups einen Coworking Space gegründet, um hierüber weitere Schnittstellen und Kompetenzen für die Kunden bündeln zu können. Es gibt also verschiedene Ansätze der Akquise.
wb-web: Sehen Sie sich vorwiegend als Solo-Selbstständigen oder haben Sie auch vor, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen?
Andreas Schwietring: Das eben erwähnte Konzept des Coworking Space verfolgt schon in gewisser Weise eine „Vergrößerung“, wobei man als Unternehmen jedoch erst mal autark und allein bleibt.