Handlungsanleitung

Wissensvoraussetzungen ermitteln: Methode Brainstorming

Für die Schule existieren viele diagnostische Verfahren, mit denen Lernvoraussetzungen und Wissensstand ermittelt werden können. Für die Bildungsarbeit mit Geringqualifizierten empfiehlt es sich nicht, schulische Verfahren einzusetzen. Vielmehr sollen die Lernenden Gelegenheiten bekommen, sich selbst und ihr Wissen zu präsentieren. Neben praktischen Aufgaben können kreative Methoden wie ein Brainstorming oder das Gruppeninterview eingesetzt werden.

Um sich einem neuen Thema zu nähern, eignet sich die Methode des Brainstormings sehr gut. Brainstorming funktioniert sehr einfach: Die Lernenden äußern zu einer bestimmten Themenstellung, was ihnen spontan dazu einfällt. Die Methode kann vielfältig eingesetzt werden, etwa auch zur Ideenfindung für Problemlösungen oder Herausforderungen.

Die Methode des Brainstormings trägt dazu bei, die Lernenden durch erste eigene Äußerungen aktiv in den Lernprozess einzubinden. Die Lernenden können auf diese Weise einen Bezug zwischen dem Thema und dem, was sie bisher dazu wissen, erlebt haben oder fühlen, herstellen. Durch die im Brainstorming entstandenen Äußerungen ergibt sich ein Austausch über ähnliche und abweichende Erfahrungen oder Einstellungen. Die Lehrenden können so später direkt Bezug auf einzelne Lernende und ihre Äußerungen nehmen und sie weiter aktiv in den Lernprozess einbinden. Damit bildet das Brainstorming, als eine Methode Wissensvoraussetzungen zu ermitteln, ein gutes Fundament für die Gestaltung des weiteren Lernprozesses.

Brainstorming bedeutet ursprünglich: using the brain to storm a problem, also salopp formuliert: das ‚Gehirn verwenden zum Sturm auf ein Problem‘.

Wie kann Brainstorming funktionieren?

Das Thema, das Problem oder die Herausforderung wird den Lernenden vorgestellt. Es muss für die Lernenden eine Bedeutung haben, so dass sie motiviert sind, sich dazu zu äußern. Um Lernvoraussetzungen zu ermitteln, könnte zum Beispiel der Fokus auf „Meine Erfahrungen mit Schule“ gesetzt werden. Dabei kann der Fokus durch Nennung weiterer Aspekte eingegrenzt oder geweitet werden – etwa wenn frühere, heutige eigene Erfahrungen oder Erfahrungen der Kinder mit der Schule angefragt werden. Die Lernenden nennen dann spontan, was ihnen zum Thema bzw. zur Lösungsfindung einfällt. Sie regen sich durch ihre Beiträge untereinander an, weitere Aspekte einzubringen.

Alle Ideen werden von der Moderatorin oder einem Moderationsassistenten protokolliert. Am besten eignen sich dazu Moderationskarten. Sie werden zunächst auf einer Moderationswand ungeordnet gesammelt. In einem späteren Schritt werden dann die Karten nach Oberthemen zusammengefasst. Es werden „Cluster“ gebildet. Cluster ergeben sich daraus, welche Karten zusammenpassen, etwa weil sie ähnliche Aspekte ansprechen. Für die einzelnen Cluster werden dann in der Gruppe geeignete Überschriften gesucht. Cluster können aber auch entlang schon vorab vorgegebener Kategorien gebildet werden. Die Überschriften sind dann bereits vorab vorhanden. Sollten sich aus den Rückmeldungen der Teilnehmenden neue Cluster ergeben, werden diese ergänzt.

Welche Regeln sollten beim Brainstorming eingehalten werden?

  • Jeder Beitrag bleibt für sich stehen. Es gibt keine Kritik, allenfalls Rückfragen zur Erläuterung.
  • Während des Brainstormings werden die Beiträge auch nicht diskutiert (z. B. für und wider).
  • Ideen anderer sollen aufgegriffen werden und zu weiteren eigenen Beiträgen inspirieren.
  • Keine Schere im Kopf! Auch Unmögliches soll genannt werden und nicht sofort auf Machbarkeit überprüft werden. 
  • Jeder Beitrag ist willkommen, je kühner und phantasievoller desto besser.
  • Jeder Beitrag ist wichtig. Mehrfachnennungen werden ebenfalls dokumentiert. So wird deutlich, dass der Aspekt von mehreren genannt wurde.

Was geschieht mit den Clustern?

Die Cluster bilden die Struktur, mit der das Thema weiter bearbeitet werden kann. So kann man einen Zeitplan entwickeln – „In dieser Woche beschäftigen wir uns mit dem Thema 1, in der nächsten Woche dann mit Thema 2.“ Oder die Bearbeitung der Cluster wird auf verschiedene Arbeitsgruppen verteilt. Hier eignet sich auch sehr gut die Einführung einer Lernlandkarte. Die verschiedenen zu bearbeitenden Themengebiete werden ähnlich einer Karte aufgezeichnet. Wenn die Lerngebiete bereist worden sind, werden die wichtigsten Ergebnisse (Kompetenzen) mit Hilfe von Moderationskarten o. ä. festgehalten (siehe auch diese Arbeitsanleitung als pdf-Download).

Wenn aus Zeitgründen nicht alle Themen bearbeitet werden können, sollte vorher durch eine Punktabfrage gewichtet werden, welche Themen die wichtigsten oder am drängendsten zu bearbeiten sind. Wenn zum Beispiel drei Arbeitsgruppen gebildet werden sollen, erhalten die Lernenden vier Klebepunkte mit der Aufforderung, die drei Themen zu bepunkten, die aus ihrer Sicht auf jeden Fall bearbeitet werden sollen. Mit dem vierten Klebepunkt können sie eines der drei Themen als besonders wichtig herausstellen. Die drei Themen mit den meisten Punkten werden dann weiter bearbeitet. Alternativ können sich die Lernenden mit ihren Namenskärtchen dem Thema zuordnen, das sie selbst gerne bearbeiten möchten.

Die weitere Bearbeitung geschieht dann auf der Grundlage von Fragestellungen, die auf das Thema zugeschnitten sind und die auf die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen zielen. Zum Beispiel kann gefragt werden:

  • Wie äußert sich das Problem?
  • Welche Ursachen gibt es?
  • Welche Lösungsvorschläge gibt es?
  •  Welche Hinderungsgründe könnte es geben?

Zum Thema Erfahrungen mit Schule könnte die weitere Bearbeitung zum Beispiel folgendermaßen gestaltet sein:

Schildern Sie ihre schlimmsten Erlebnisse in der Schule. Worauf müssen wir achten, damit diese Erlebnisse in unserer Lerngruppe nicht vorkommen?

Daraus lässt sich dann ein Regelplakat für das Lernen in der Gruppe entwickeln.

Welchen Effekt hat die Methode bezogen auf die Ermittlung von Lernvoraussetzungen?

Die Lernenden werden aktiv einbezogen, eigene Erfahrungen und Sichtweisen zu dem Thema zu äußern. Das ist eine gute Basis, in der Gruppe weiter daran zu arbeiten. Erfahrungen, Sichtweisen, aber auch beeinträchtigende Faktoren werden deutlich. Es ergeben sich zudem Anknüpfungspunkte für weitere Themen. Am wichtigsten ist, dass dieses Vorgehen es ermöglicht, auf Einzelne besonders einzugehen und sie mit ihren Stärken, aber auch mit ihren Vorbehalten in den Lernprozess einzubinden.

Wie kann weiter gearbeitet werden? Das Gruppeninterview

Eine Möglichkeit zur Vertiefung des Brainstormings besteht darin, Interviews in Dreiergruppen durchzuführen. Die Vorteile des Gruppeninterviews bestehen darin, dass sehr konkrete Informationen ausgetauscht werden, nahe am Erleben der Einzelnen. Die eigene Lebenssituation wird reflektiert. Gemeinsam kann nach Lösungen gesucht werden, zum Beispiel, um Regeln aufzustellen, was unbedingt im Kurs zu vermeiden ist. Die Dreier-Konstellation ermöglicht es, einerseits sehr „intim“ die Anliegen der Interviewten aufzugreifen, ihnen andererseits aber zumindest zwei, mitunter abweichende Standpunkte entgegenzusetzen. Dadurch entstehen leichter kritische oder sogar kontroverse Gespräche. Diese können bei den Betroffenen leichter zu einer kritischen Überprüfung der eigenen Position und ggf. zu Veränderungsimpulsen führen, als wenn nur eine weitere Person die eigene Haltung spiegelt.

Anhand eines Fragenkataloges werden z. B. individuelle Erfahrungen mit Schule, aber auch für das Lernen relevante Faktoren der aktuellen Lebenssituation bearbeitet.  Ein Gruppenmitglied interviewt das zweite, das dritte Gruppenmitglied notiert die Ergebnisse stichwortartig auf einer Wandzeitung.  Dann wechseln die Rollen: der Interviewte übernimmt jetzt die Interviewrolle gegenüber dem bisherigen Schreiber.  In der dritten Runde wird dann derjenige interviewt, der beim ersten Mal die Interviewrolle hatte.


Weiterführende Hinweise

Atelier für Ideen: Brainstorming. Dort werden auch viele weitere Kreativmethoden anschaulich beschrieben.

CC BY SA BY Christoph Eckhardt für wb-web


Quellen

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