Handlungsanleitung

Wenn es in der Gruppe gärt

Gerade Beziehungskonflikte in der Lerngruppe lösen bei Teilnehmenden und Kursleitung Unsicherheit aus. Denn sie haben viel mit Normen, Werten und mit Gefühlen zu tun. Manchmal erscheinen sie uns peinlich, wir möchten sie gar nicht sehen, am liebsten ungeschehen machen. Aber: Konflikte in der Gruppe sind ein wichtiges Indiz für die Gruppenentwicklung. Eine produktive Lösung bringt die  Gruppe weiter und fördert die personalen und sozialen Kompetenzen.

Gezeichnete Figuren sitzen um einen Tisch, zwei stehen sich auf dem Tisch gegenüber

Machtkämpfe können als Konflikte in Gruppen auftreten (Bild: Scott Maxwell/flickr.com, CC BY-SA 2.0)

Es gibt eine Phase in der Gruppenentwicklung, bei der Konflikte in der Gruppe leicht entstehen können. Es ist die Phase des Storming. Die Gruppe hat sich in der Forming-Phase eine relative Sicherheit geschaffen, ein erstes Vertrauen aufgebaut und mit der Bearbeitung von Lernthemen begonnen. Den Mitgliedern in der Gruppe geht es nun in der Storming-Phase darum, ihre individuellen Bedürfnisse und Interessen stärker zu artikulieren, sich individuell zu positionieren und sich voneinander abzugrenzen; ggf. entstehen auch kleinere oder größere Machtkämpfe.

Wenn jetzt über fachliche Themen gesprochen wird, bemerkt man, dass sich hier und dort hinter sachlichen Auseinandersetzungen Gefühle wie Ablehnung, Neid, Eifersucht, Rivalität, Angst, Unsicherheit oder der Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit und Kontakt verbergen können. Da wird auf einem Sachthema etwas ausgetragen, was andere Wurzeln und Beweggründe hat: Erste Beziehungsprobleme liegen in der Luft, die als sich anbahnende Konflikte verbal und nonverbal sichtbar werden, z. B.:

  • in Meinungsverschiedenheiten
  • in affektivem, also stark gefühlsbetontem Argumentieren
  • in ungeduldigem Verhalten
  • in gegenseitigen Anklagen
  • in mangelnder Bereitschaft sich zuzuhören
  • in mangelnder Bereitschaft einzulenken und Kompromisse zu schließen.

Klimatisch spürt jeder und jede: da sind Spannungen im Raum.

Wie kann man mit solchen Situationen umgehen?

Wenn aus solchen Verhaltensweisen Konfliktsituationen entstehen, reagiert keiner mit Freude darauf. Das wäre auch überzogen. Bedenkenswert ist jedoch, dass Konflikte ein wichtiges Merkmal für die Gruppenentwicklung darstellen. Sie haben durchaus die Funktion eines „Entwicklungshelfers“ (vgl. Muster-Wäbs & Pillmann-Wesche 2003, S. 41). So gilt: „Wenn die auftretenden Auseinandersetzungen als Korrekturprozess mit Entwicklungspotenzial betrachtet werden und nicht als Panne mit Zerstörungspotenzial und sie entsprechend konstruktiv ausgetragen werden, kommen die Gruppenmitglieder intensiv und ehrlich in Kontakt.“ (ebd.)

Gute Voraussetzungen für einen konstruktiven Umgang mit einem solchen Konflikt sind:

  • Sie als Kursleitung bleiben distanziert. Behalten Sie den Überblick und entscheiden Sie, wie mit der Situation umgegangen werden soll.
  • Die ‚Hauptbetroffenen’ sind zu einer Klärung des Problems bereit, wollen keine Eskalation.
  • Sie vermeiden „Warum-Fragen“. Das lange Suchen nach Gründen führt eher zu gegenseitigen Beschuldigungen.
  • Sie beachten Ihre eigenen Gefühle.

Die Konfliktsituation überschaubar machen

Es gibt keine Rezepte, was Sie ganz konkret tun können. Schließlich ist jede Gruppe anders und jede Konfliktsituation eigen, aber ein paar Regeln geben Hilfe, den Beziehungskonflikt erst einmal begreifbar und anfassbar zu machen.

  • Bannen Sie die Gefahr. Es geht darum, zu vermeiden, dass einzelne Teilnehmende die Nerven verlieren, andere sich völlig innerlich und äußerlich rausziehen, wieder andere in Machtgebaren verfallen. Was hilft:
    Unterbrechen Sie energisch.
    Erinnern Sie an Gruppenregeln.
    Holen Sie Lösungsvorschläge der stillen Teilnehmenden ein.
    Verzichten Sie auf eine eigene Stellungnahme zum Konflikt.
  • Nennen Sie den Konflikt beim Namen oder lassen ihn beim Namen nennen.
    Es geht darum, fassbar werden zu lassen, was der Kern ist, der stört und belastet. Was hilft:
    Betonen Sie, dass die Sache beim Namen genannt werden muss.
    Lassen Sie keine Ablenkungsmanöver zu.
    Lassen Sie schildern, wie der Verlauf war bis zu dem Punkt, an dem der Konflikt entstanden ist.
  • Hören Sie gut zu und schauen Sie gut hin. Sie sollten unbedingt die verbalen und nonverbalen Signale wahrnehmen und den Teilnehmenden durch Fragen Anstöße für ihre Schilderung der Situation bzw. des Konfliktes geben:
    Ermutigen Sie zu differenzierten und genauen Darlegungen.
    Fragen Sie nach, was das Wesentliche am Konflikt ist.
    Ermutigen Sie, Lösungsvorschläge zum Konflikt zu unterbreiten.
    Achten Sie darauf, dass Aussagen von Teilnehmenden Würdigung erfahren.
  • Fassen Sie zusammen, was Sie hören und sehen. Ihre Teilnehmenden sollen erfahren, dass Sie voll bei der Sache und an der Klärung interessiert sind. Sie sollen erkennen, dass Sie sie verstanden haben.
    Spiegeln Sie knapp und verständlich zurück, was Sie gehört haben.
    Decken Sie offenliegende Widersprüche in Schilderungen auf.

Sie merken an dieser Auflistung: Die erste Aktivität muss eine Überlegung von Ihnen als Kursleitung sein. Sie findet in Ihrem Kopf statt. Folgende Fragen sollten Sie leiten:

  • Wer hat in dieser Situation, die ich gerade beobachte, ein Problem?
  • Fühle ich mich selbst in meiner Rolle, meinen Absichten, meiner aktuellen Aktivität als Lehrender gestört?

Sie fragen sich, warum diese erste schnelle innere Reflexion sein muss? Vor allem die zweite Frage entscheidet darüber, was Sie tun können.

Wenn Sie sich als Kursleitung ärgern oder verunsichert sind, kurz: wenn die Situation auch für Sie ein Problem darstellt, dann müssen Sie sich selbst zu der Konfliktsituation äußern, denn dann sind Sie Teil der Situation.

Wenn Sie nicht beteiligt sind, es ein Konflikt zwischen Teilnehmenden ist, dann ist Ihre Aufgabe zuzuhören und durch die Aufmerksamkeit, die Sie dem Konflikt geben, zu signalisieren, dass Sie die Situation ernst nehmen und zur Lösung beitragen werden.

Was kann man methodisch tun?

Es gibt eine ganze Reihe von Methoden zum Umgang mit Beziehungskonflikten. Die erste Methode geht davon aus, dass zwei Teilnehmende einen Beziehungskonflikt haben, der bearbeitet werden sollte. Die zweite Methode kann mit mehreren Teilnehmenden oder auch dem ganzen Kurs durchgeführt werden, wenn klimatische Störungen die Beziehungen der Teilnehmenden untereinander gefährden.

Methode: Verschieden und auch gleich sein

Es geht um die Konfliktklärung zwischen zwei Teilnehmenden. Sie basiert darauf, dass „Konfliktgegner“ leicht aus dem Auge verlieren, dass sie durchaus auch Gemeinsamkeiten haben können. Die Übung will davor schützen, dass Konfliktgegner den Respekt voreinander einbüßen. Im ersten Schritt wird herausgearbeitet, was beide Teilnehmende gemeinsam haben. Im zweiten Schritt, was sie unterscheidet. Im dritten Schritt werden die Teilnehmenden aufgefordert, sich gegenseitig etwas zu geben:

Die Konfliktpartner werden zunächst aufgefordert, sich auf zwei Stühle gegenüber zu setzen. Den Abstand zueinander bestimmen sie selbst.

  • Abwechselnd sollen sie nun drei bis fünf Aspekte formulieren, die ihnen gemeinsam sind. Z.B. Geschlecht, Wohnort, Familienstand, Hobby, Erwerbsstatus ... „Ich bin eine Frau wie Du, Du auch!“ Die Kursleitung gibt ggf. einen ersten Impuls.
  • Abwechselnd formulieren sie nun drei bis fünf Aspekte, worin sie sich unterscheiden: „Ich bin konzentriert in der Projektarbeit. Darin unterscheide ich mich von Dir.“
  • Nun werden die Teilnehmenden gebeten, im Wechsel zu sagen, was sie sich vom jeweils anderen wünschen oder erwarten: „Ich wünsche mir von Dir, dass Du ... !“ Die Kursleitung fragt jeweils, ob die andere Partei dies zu geben bereit und in der Lage dazu ist. Dann ist der/die andere Teilnehmende mit ihrem Wunsch an der Reihe. Auch hier reichen drei bis fünf Wünsche.

Diese Methode dauert zwischen 30 und 45 Minuten. Sie wird dann angenommen, wenn die Teilnehmenden an einer Bearbeitung ihres Beziehungsproblems interessiert sind und es geklärt haben wollen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass Sie als Kursleitung einen guten Kontakt zu Ihren Teilnehmenden haben und mit den beiden Konfliktpartnern geklärt haben, in welchem Setting die Klärung stattfinden soll: alleine mit der Kursleitung, mit ausgewählten weiteren Kursteilnehmenden oder mit der Gesamtgruppe. Auf keinen Fall sollte diese Methode aufgezwungen werden.

Methode: Ärgertorte

Diese Methode ist besonders gut geeignet, wenn es um die Prävention von Konflikten in der Gruppe geht. Durch das Transparentmachen der subjektiven Ärgernisse im Kurs können Gemeinsamkeiten geschärft werden.

Auf einem großen Blatt Papier (mindestens DIN A3, besser ein Flipchartpapier) malt jede und jeder großflächig einen Kreis und teilt diesen in Tortenstücke ein. Die Größe der Tortenstücke wird durch die Größe des Ärgers bestimmt. Zunächst arbeitet jeder für sich. Dann werden die entstandenen Ärgertorten sichtbar aufgehängt und gegenseitig vorgestellt. Abhängig von der Gruppengröße empfiehlt es sich, den Austausch über die Ärgertorten in Kleingruppen zu machen. Die Kleingruppe entscheidet dann, welcher Ärger im Plenum präsentiert wird und bearbeitet werden soll. Die Methode kann 45 bis 60 Minuten umfassen. Sie sollte in der Länge nicht überstrapaziert werden. Folgende Regeln sollte die Gruppe kennen:

  • Jedes Ärger-Kuchenstück hat ein Recht, benannt zu werden. Nicht jedes muss benannt werden.
  • Nicht alle Ärger-Kuchenstücke können sofort bearbeitet werden. Jedes, das bearbeitet werden muss, erhält jedoch eine Chance.

Die Bearbeitungsergebnisse werden ggf. schriftlich festgehalten. 

Weiterführende Hinweise:

Weitere Methoden zur Bearbeitung von oder zur Prävention von Störungen und Konflikten finden sich bei:

Rabenstein, Reinhold & Reicher, René & Thanhoffer, Michael  (2004): Das Methoden-Set. 5 Bücher für Referenten und Seminarleiterinnen. 5. Konflikte. Ökotropia. Münster

Muster-Wäbs, Hannelore & Pillmann-Wesche, Rainer (2003): Gruppen und Teams leiten und anleiten. Neuer pädagogische Reihe, Band 1. Prodos Verlag Brake

Eine sehr gut strukturierte Handreichung, nicht nur für Beziehungskonflikte in der Gruppe ist hier  zu finden. Auf 28 Seiten finden Sie sehr konkrete Hilfestellungen.

CC BY SA 3.0 DE by Rosemarie Klein für wb-web



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