Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen sind nötig
Tenor der Erfahrungsberichte ist: Frustrationstoleranz ist nötig, um die Mühlen der Bürokratie auszuhalten und zu bewegen.
Ein Teilnehmer hat zwei Syrerinnen „in Intensivbetreuung“, eine Zahnärztin und eine Pharmaziestudentin. Beide sind auf Sprachniveau B1+, werden jetzt aber in IK A2 geschickt (was mich wütend macht). Die von uns geplanten Praktika zum Berufs- bzw. Studieneinstieg werden dadurch erheblich erschwert bzw. verzögert. Ein halbes Jahr verschenkt.
Eine Teilnehmerin: … Wertschätzung und Verantwortung, damit gelingt fast alles - aber die vielen Steine auf dem Weg...
Eine andere: Ja es ist manchmal viel, was einem an (absurder) Bürokratie entgegenschwappt. Ich bin da eher kämpferisch gestimmt, nach dem Motto, das kann aber doch nicht ernst gemeint sein, jetzt gerade.
Es hilft einer Teilnehmerin, insgesamt das Positive zu sehen und Geduld zu haben: einerseits mag das ärgerlich sein, andererseits denke ich oft, dass es zumindest bei den jungen Geflüchteten keinen Grund zur Eile gibt. Solange sie noch Sprachkurse brauchen, sie auch finanziert bekommen und ihnen die Ausbildung oder Arbeit nicht wegläuft, sollen sie doch ruhig lernen...
Teilnehmerin: Wir betreuen einen Elektroingenieur und zwei Bankkaufleute, alle aus Syrien. Guter Tipp: die IHKs sind sehr hilfreich, wenn es um Anerkennung der beruflichen Qualifikationen geht. …
Für die Anerkennung von ausländischen Qualifikationen wurde die Seite Anerkennung in Deutschland genannt. … Nachtrag: dabei nicht primär auf den Flüchtlingsstatus eingehen, sondern zunächst so fragen, als seien es ganz "normale" ausländische Arbeitnehmer. Das nahm zumindest bei uns das erste "entnervte Seufzen" aus den Antworten. ;-)
Weitere Tipps zu Berufsinformation und Anerkennung finden Sie in der LINKLISTE Bewerbung und Berufsorientierung.
Tipp 2: Viel Zeit haben und sie nett finden
Teilnehmerin: Ich kümmere mich um 4-8 (4 sehr, 4 etwas weniger) junge Eritreer, seit 1 -2 Jahren, kurz um fast alles, das Ergebnis bisher ist super: Zeugnisanerkennung, Arbeitsagentur, erst Einstiegsqualifizierung, dann Ausbildung, Sprachkurse, Berufsorientierung, Jobcenter, Berufsausbildungsbeihilfe, Bamf, Ausländerbehörde, Volkshochschule, Integrationskurse, Wohnungssuche (gefunden, alle), Berufsschule (PowerPoint, Internet), Berichtsheft..... usw. Es ist leider so, auch von Seiten der Arbeitgeber oder Ämter, dass alles zu Beginn besser klappt, wenn ich mitgehe oder die Dinge anschiebe, danach geht es aber auch prima allein. Der Einstieg ist wichtig, die Richtung als Geheimtipp gibt sie weiter:
- viel Zeit haben und sie nett finden :D
Vorhaben – Mathematik-Nachhilfe auf Webseite dokumentieren
Eine weitere Teilnehmerin kümmert sich intensiv um zwei Iraker und einen Syrer: Vom Alphabetisierungskurs, Anmeldung an der FH, Praktika, ... aber da sie erst Asylwerber sind, ist das sehr schwierig. Sie haben aber nur eine Chance für den Einstieg, wenn sie eine 1:1 Betreuung haben.
Was in Gesprächen mit Betreuerinnen und Betreuern (auch außerhalb dieser Facebook-Gruppe) immer wieder erwähnt wird, ist, dass für das Nachholen der Schulabschlüsse, neben den Deutschkenntnissen auch Unterstützungsangebote für Englisch und Mathematik wichtig sind.
Teilnehmerin: Was ich gerade plane: Mit einem Asylwerber Mathematik zu wiederholen bis Maturaniveau (Abitur) - weil er keine Zeugnisse hat. Diesen Prozess - wie wir die Themen bearbeiten und was er übt, werden wir über eine Website dokumentieren und natürlich allen zur Verfügung stellen. Vermutlich auf Deutsch und Arabisch (erweiterbar), damit die Gebildeten gut einsteigen können. Für mich ist es extrem wichtig, dass die auf dem höchstmöglichen Level einsteigen, weil an der Basis die Luft noch dünner ist.
Marlis Schedler dokumentiert auf Ihrer Webseite deutsch4alle schon seit über einem Jahr die Alphabetisierung und weiterführenden Deutschkurse, die jetzt mit Mathematik ergänzt werden wird.
Herzlichen Dank an Marlis Schedler, Sandra Schöngeist, Hajo Becker und andere für ihre Erfahrungsberichte, die im Zeitraum zwischen 12. und 15. Februar 2017 in der Begleitgruppe „Sprachbegleitung einfach machen!“ geschrieben wurden.
CC BY SA 3.0 DE by Angelika Güttl-Strahlhofer und Lotte Krisper-Ullyett für wb-web.de