Ich war in der Fortbildung
Mein Auftraggeber hatte eine interne Weiterbildung für Kursleitende zum Thema Aktivierung angesetzt. Ich freute mich darauf, wieder mal ein paar Kollegen zu treffen.
Der Kursleiter hatte eine tolle Show vorbereitet. Er präsentierte uns ein paar Ideen, wie man Teilnehmende aktivieren kann – nämlich mit gutem Material, praktischen Beispielen und herausfordernden Übungen. Er war ein guter Redner und ich fand es sehr unterhaltsam. Etwas enttäuscht war ich darüber, dass mein Thema (Stellenbewerbung) und meine Zielgruppe (gut qualifizierte Arbeitslose) mit keinem Wort erwähnt wurden. Und dann durften wir in Kleingruppen die Vorschläge diskutieren. In meiner Kleingruppe waren zwei alte Bekannte, die Sprache unterrichten – ich erfuhr viel über Spiele im Sprachunterricht mit Kärtchen und so und unterhielt mich blendend.
Wochen später, als ich mich mit einer Kollegin über den Kurs unterhielt, sagte sie begeistert: „Ich habe diese Idee mit den Grammatik-Würfelspielen jetzt in meinem eigenen Kurs umgesetzt – das ist ja toll, wie die Leute da mitmachen und lernen! Und du?“ Ich musste kleinlaut zugeben, dass ich gar nichts anders machte als vor dieser Weiterbildung. Es gab keinen Transfer.
Transfer beginnt vor dem Kurs
Damit der konkrete Bedarf eines Auftraggebers / Arbeitgebers nicht zu kurz kommt, sollten zentrale Handlungssituationen, Problemstellungen und Erfahrungen (bei den Teilnehmenden selbst oder beim Arbeitgeber) eingeholt werden.
Ich ging völlig unvorbereitet in den Kurs. Und der Trainer offenbar ebenfalls, was die Zielgruppe betrifft. Seine Beispiele bezogen sich alle auf Sprachunterricht. Er ging stillschweigend davon aus, dass das passt.
Was die Kursleitung besser getan hätte:
- den Auftraggeber zu Zielgruppe und Bedarf befragen
- bei den Teilnehmenden vor dem Kurs konkrete Beispiele und Fragestellungen im Zusammenhang mit Aktivierung abholen
Während des Kurses: Praxisbezug und gemeinsam Lernen
„Eine Person, die eine Katze am Schwanz festhält, weiss bedeutend mehr über die Katzen, als jemand, der nur etwas über sie gelesen hat.“ Womit Mark Twain zum Schmunzeln reizt, ist in der Bildung zentral: Nachhaltig gelernt wird über konkrete Erfahrung.
Da wir in meiner Didaktik-Weiterbildung nur Beispiele aus dem Sprachunterricht behandelten, stellte ich keinen Bezug zu meiner eigenen Praxis her.
Wer will, dass Unterricht nachhaltig sei, möge
- Erfahrungen und Praxisbeispiele der Teilnehmenden einbeziehen (vor dem Kurs oder spätestens zu Kursbeginn).
- Die Fertigkeiten in vielen praxisnahen, aktuellen Übungen erproben lassen.
- Die Teilnehmenden untereinander in Diskussion und in gemeinsame Auseinandersetzung mit der Theorie bringen (Rollenspiele, Kontroversen und Debatten, Präsentationen).
- Wenig predigen, dafür die Einwände der Teilnehmenden ernst nehmen und darauf eingehen.
- Wo immer möglich Instrumente erstellen lassen, die in der Praxis direkt gebraucht werden (Checkliste, Vorlagen, ...)
- Die Teilnehmenden sich wechselseitig lehren und lernen lassen (darauf gehe ich im nächsten Abschnitt näher ein).
- Kleine Lerngruppen selbstständig arbeiten lassen.
Weitergeben - Wechselseitiges Lehren und Lernen
Gemäss den Forschungen von Diethelm Wahl (Buch: Lernumgebungen erfolgreich gestalten) findet nachhaltiges Lernen dann statt, wenn Lernende zu Lehrenden werden und ihr Wissen und Können weitergeben. Gute Lehrpersonen bauen deshalb WELL-Methoden (wechselndes Lehren und Lernen) in den Unterricht ein. Wahl hat speziell dafür das „Lerntempoduett“ und „Szene Stopp-Reaktion“ entwickelt und Methoden wie Gruppenpuzzle und Strukturlegetechnik an WELL angeglichen. Engagierte Lernende arbeiten darüber hinaus von Vorteil in Lerngruppen zusammen und lernen gemeinsam.