Handlungsanleitung

Das Kritikgespräch bei Konflikten

Ein Teilnehmer redet ohne die anderen zu Wort kommen zu lassen, eine Teilnehmerin ignoriert Fragen der Kursleitung, zwei andere führen „Privatgespräche“. Bei solchen Problemen sollte die Kursleitung ein Vier-Augen-Gespräch zur Klärung suchen. Will sie dabei keine Verhandlung mit offenem Ergebnis führen, sondern eine Verhaltensänderung beim Teilnehmer erreichen, sollte sie sich an den Gesprächsschritten des Kritikgesprächs orientieren, wie es sich für Situationen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern bewährt hat. Es besteht aus den Schritten Rahmensetzung, Information, Austausch der Sichtweisen, Lösungssuche.

Ineinander verschachtelte Profile

Ein Kritikgespräch unter vier Augen kann zur Klärung bei Konflikten mit Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern beitragen. (Bild: geralt/pixabay.com, CC 0)

Phase 1 – Den Rahmen setzen

Die Kursleitung sollte vorab Klarheit darüber haben, mit welchem Ergebnis sie zufrieden sein kann und wie sie und der in der Kritik stehende Teilnehmende sicherstellen können, dass die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. So hat sie einen Maßstab für den Erfolg. Ein Vorspann mit Smalltalk ist hier situativ wenig stimmig. Dies wirkte wie ein „Reden um den heißen Brei“ wirken. Unklarheit über die Situation würde einen Nährboden für aufkeimende Ängste bereiten. Es würde die Seminarleitung auch besondere Kraft kosten, bei dem inhaltlichen Wechsel von freundlichem Smalltalk hin zu Kritik weiterhin zugewandt zu bleiben, denn mit dem Wechsel des Themas vom Leichten zum Schweren wechselt auch ihre Gefühlslage. Außerdem besteht die Gefahr, durch nettes Plaudern im Vorfeld die eigenen Aussagen abzuschwächen. Es gilt die Faustregel: Je unangenehmer ein Gespräch zu werden droht, desto schneller sollte man zur Sache kommen. Um das Gegenüber nicht zu überrumpeln und einen akzeptablen Einstieg zu finden, sollte die Leitung den Rahmen des Gesprächs setzen:

Ein solcher Einstieg drückt die Erwartungen und eigenen Absichten klar aus.

Ein anderer Einstieg könnte mit einer Vereinbarung über die Vorgehensweise gesetzt werden: „Ich möchte mich gerne mit Ihnen über das Lernklima in dieser Gruppe unterhalten. Es liegt mir auf der Seele, dass sich einige gestört fühlen. Bitte lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir eine störungsfreie Atmosphäre schaffen können.“ Mit dieser Rahmensetzung ist ein stärker konsensorientiertes Vorgehen umrissen. Das Thema eingrenzen, den aktuellen Stand rekapitulieren oder die Probleme ansprechen – dies sind Einstiegsmöglichkeiten, die einen Gesprächsrahmen setzen und so einen gemeinsamen Ausgangspunkt schaffen.

Phase 2 – Die eigene Sicht und die Erwartung formulieren

Wenn der Gesprächsgegenstand vereinbart ist, wenn also der Gesprächspartner zugestimmt hat, werden über ein Reframing seine Stärken angesprochen:

Die Weichen für ein positives Gespräch werden richtig gestellt, wenn sich die zu kritisierende Person ihrem eigenen Selbstverständnis entsprechend wahrgenommen fühlt, wenn die zu beanstandenden Fakten benannt werden und das konkrete Verhalten kritisiert wird, ohne das Gegenüber als zu respektierenden Menschen in Frage zu stellen.

Phase 3 – Sichtweisen austauschen und Argumente einsetzen

Im Gespräch kommt nun die Phase des Zuhörens, in der die Hintergründe des Handelns verständlich gemacht werden sollen. Auch in Situationen, in denen es um Klärung von Standpunkten oder Beziehungen geht, sollten an dieser Stelle Gemeinsamkeiten, Gegensätze und Hintergründe ausgeleuchtet werden. Im hier dargestellten Beispiel ist dies allerdings wenig zielführend, weil potenzielle Streitpunkte ausgeweitet werden könnten. Das ist nicht im Interesse des Kursleitenden, denn die Zusammenarbeit mit dem Teilnehmenden ist befristet und die zur Verfügung stehende Gesprächszeit knapp. Die Kursleitung kann dem Teilnehmer im gegebenen Rahmen wohl kaum helfen, sein problematisches Verhalten vollkommen abzulegen. Deshalb hält sie diese Gesprächsphase kurz. Ganz verzichten kann sie auf diese Phase jedoch nicht, weil sie nicht nur zielorientiert, sondern auch verständigungsorientiert vorgehen will. Der Veränderungswille des Teilnehmers wird nämlich auch von seinem Verhältnis zur Leitung beeinflusst. Daher muss ihre Aufmerksamkeit auch ihm und nicht nur ihren eigenen Argumenten gelten. Dennoch fokussiert sie das Gespräch bald auf mögliche Lösungen für dieses Seminar. Ein Effekt dieser Strategie ist es, dass sie vermeidet, den Gesprächspartner in eine Rechtfertigungshaltung zu treiben. Mit festem Ton kann die Kursleitung nun signalisieren, dass Grenzen erreicht sind, und versuchen, ihn mit gezielten Fragen in die Verantwortung einzubinden:

Sie hofft darauf, dass dies eine verunsichernde Wirkung hat und so sein Einlenken fördert. Schließlich drückt sie freundlich ihren Wunsch nach Kooperation aus. Damit wird eine kognitive Dissonanz (Festinger, L. (1978). Theorie der kognitiven Dissonanz. Bern u.a.) erzeugt, ein innerer Zwiespalt zwischen der kognitiven Einsicht, sich verändern zu müssen, und dem impulsiven Gefühl, spontan sein Wissen verbreiten zu wollen. Dieses innere Dissonanzerleben drängt auf Übereinstimmung: Entweder der Teilnehmende folgt seinem Verstand oder bleibt Gefangener des eigenen Gefühls. So beeinflusst man seinen inneren Zwiespalt gezielt durch die sachlich klare Konfrontation und als Einladung zu einem neuen Verhalten.

Auch in schwierigen Gesprächen ist es selten nützlich, Drohungen auszusprechen. Sie verhärten die Fronten. Eskalation wird üblicherweise mit Eskalation beantwortet. Eine klare Botschaft, vorgetragen mit fester Stimme und einem Ton, der nicht zweifeln lässt, ist wesentlich konstruktiver. Ein weiterer Vorteil dieser Gesprächsstrategie, die dem Gegenüber Brücken baut und Zugeständnisse macht, ist, dass höchstwahrscheinlich Bewegung in starre Positionen kommt und ein Kompromiss möglich wird.

Phase 4 – Vereinbarungen treffen

Wenn die Kursleitung den Teilnehmer mit Engelszungen überreden würde, wären Rückfälle wahrscheinlich. Wirkungsvoller sind Vereinbarungen mit aufrichtiger Beteiligung beider Seiten. Dafür ist es nützlich, Vorschläge zu erfragen. Dabei muss die Leitung auch überlegen, wie sie den Teilnehmer an seine Vorsätze erinnern könnte, wenn er in seinen alten Stil zurückzufallen sollte.

Eine Gefahr bei der Einigung über das zukünftige Verhalten sind leere Absichtserklärungen, die nicht durch Realismus oder guten Willen gedeckt sind. Sie sollten mit konkreten Fragen auf ihren Gehalt hin überprüft werden. Aber auch die Leitung kann ein Scheitern verursachen, indem das Gegenüber zu stark bedrängt und so Widerstand provoziert, den es jetzt vielleicht nicht mehr offen ausficht; stattdessen liefert es nur Lippenbekenntnisse. Haben die beiden eine Änderung des Verhaltens vereinbart, ist es sinnvoll, dass die Leitung diese Vereinbarung abschließend noch einmal zusammenfasst oder wiederholt, um ihr mehr Nachdruck zu verleihen und um Missverständnisse auszuschließen.

Ein Kritikgespräch stellt nur eine Einladung zur Veränderung dar. Ob das Gegenüber diese Einladung annimmt, liegt nicht in der Macht der Leitung, denn hier sind Verhaltensänderungen freiwillig. Das Gespräch lohnt sich jedoch auch schon deshalb, weil es Gelegenheit bietet, den aufgestauten Ärger loszuwerden. Denn auszusprechen, was einem auf dem Herzen liegt, statt den Ärger in sich hineinzufressen, entkrampft auch die Beziehung zum Gegenüber. 

Als gutes Diagnose- und Analyseinstrument für den Gesprächsverlauf ist das Kommunikationsquadrat ein hilfreiches Instrument zur Gesprächsvorbereitung.



Quelle

Quelle: Szepansky, W.-P. (2010). Souverän Seminare leiten. Bielefeld: W. Bertelsmann.


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