Buchvorstellung

Gemeinsam vorstellen lernen – Theorie und Didaktik der kooperativen  Vorstellungsbildung

Buchcover von Hubert Sowas "Gemeinsam vorstellen lernen"

Hubert Sowa hat ein Buch über die Wichtigkeit der menschlichen Vorstellungsbildung für ertragreiche Lernprozesse veröffentlicht. Das Thema der Imagination erfährt darin eine umfassende theoretische und didaktische Grundlegung. Anhand zahlreicher Anwendungsbeispiele aus Praxisbereichen zeigt der Autor, dass auf ein professionell angeleitetes, gemeinsames Entwickeln von Vorstellungen zu Lerninhalten auch in der Erwachsenen- und Weiterbildung nicht verzichtet werden sollte.

Buch und Autor 

Sowa knüpft an eine praxisorientierte Lehrerforschung in der Kunstpädagogik an. Seine im Schnittfeld zwischen Lern- und Vorstellungstheorie entwickelte Didaktik der Imagination ist aber nicht auf bildnerisches Gestalten beschränkt. Der Autor stellt ein vielseitig anwendbares pädagogisches Grundgerüst zur Verfügung und möchte, dass dieses in der Bildungspraxis Weiterentwicklung erfährt. „Im Zentrum dieser Forschung stehen die Lernsituation und die darin zur Darstellung kommenden Vorstellungen der Lernenden und Lehrenden“ (Sowa, 2015, S. 141).  

Hubert Sowa ist Professor am Lehrstuhl für Kunstpädagogik an der PH Ludwigsburg und Mitglied des kunstpädagogischen Forschungsverbunds IMAGO. In seiner langjährigen Forschungs- und Lehrtätigkeit steht die Bedeutung des Bildes für die Bildung von Wahrnehmungs-, Vorstellungs-, Darstellungs- und Mitteilungsvermögen im (Kunst-)Unterricht im Mittelpunkt. 

Inhalte und Relevanz für die EB/WB 

Das Buch ist, durch viele Abbildungen, Grafiken und Alltagserzählungen zur Thematik ergänzt, flüssig lesbar und Sowa bemüht sich durchgehend um Verweise von der Theorie der Imaginationsbildung zu pädagogischen Praxisbereichen. Der didaktische Anspruch reicht dabei über das bekannte Einsatzgebiet von Imaginationsübungen (z.B. Rollenspiele in Theaterpädagogik oder Visualisieren in der Psychotherapie) hinaus. Der Autor verleiht der Thematik ein erziehungswissenschaftliches Abstraktionsniveau, welches das vorstellungsbezogene Wissen zu Lehr- und Lernprozessen auch außerhalb der Kunstpädagogik gut nachvollziehbar werden lässt. Lehrkräfte können dieses so für den eigenen Fachbereich nutzen.

Auch stellt sich Sowas Ansatz der Annahme entgegen, dass unsere Vorstellungen sich aus rein subjektiven und individuellen Bildkonstruktionen zusammensetzen, die den Anderen im Unterricht nicht zugänglich sind. Bei einer kooperativen Imaginationsbildung rückt vielmehr die Beziehungsgestaltung zwischen Lehrenden und Lernenden und das interaktive Entwickeln von Vorstellungen zum Lerngegenstand ins Zentrum.

Der Aufbau des Buches geht von der Frage aus, was „sich etwas vorstellen“ überhaupt bedeutet (S. 13–50); es werden dafür anthropologische, psychologische oder neurowissenschaftliche Erklärungsansätze herangezogen. Daraus entwickelt der Autor eine pädagogische Theorie der Vorstellungsbildung (S. 57–120), die er anhand didaktischer Beispiele aus unterschiedlichen Lernfeldern veranschaulicht, darunter Imagination und Sprachlernen, Imagination und abstraktes Denken oder Imagination und Bildverstehen. Schließlich werden Überlegungen zu einer weiterführenden praxisbezogenen Imaginationsforschung und zur Entwicklung von entsprechenden Lehrplänen gemacht (S. 133–143).

Sowa bleibt bei allem theoretischen Tiefgang bemüht, das Potenzial der menschlichen Vorstellungsbildung stets in der Form eines kooperativen professionellen Könnens bereitzustellen.

Für die Zielgruppe der Lehrenden in der Erwachsenen- und Weiterbildung sei gesagt, dass es sich nicht um eine fertige und bereits oftmals erprobte Methodensammlung zur schrittweisen Anwendung handelt – denn dafür ist die empirische Imaginationsforschung ein noch zu junges Forschungsfeld, welches weiterer Ergebnisse aus der Praxis bedarf. Gerade daher sind auch Lehrende der EB/WB angesprochen, den Ansatz einer kooperativen Imaginationsdidaktik in Kursen, Maßnahmen und Trainings auszuprobieren. Warum und wie kann dieser das Methodenspektrum von Lehrenden erweitern? 

Einsatzmöglichkeiten und Erträge für die Weiterbildungspraxis 

Erwachsenen- und Weiterbildung stellt ein heterogenes pädagogisches Feld dar, dessen Lernende, Lehrende und Inhalte ständig in Entwicklung begriffen sind. Die Lernenden sind unterschiedlichen Alters, weisen vielfach Migrationserfahrung sowie Lernbiografien mit mehreren Ausbildungen auf und stammen aus Berufsfeldern, die wechselnde inhaltliche Anforderungsprofile mit sich bringen. Eine kooperative Didaktik der Imagination ist in vielen Feldern des Erwachsenenlernens einsetzbar, jedoch muss sie von den Lehrenden und Lernenden erst auf die je vorliegenden Inhalte und Ziele bezogen werden. Ihre Anwendungsbereiche können sein: kulturelle Erwachsenenbildung, Basisbildung (Sprachlernen), technisch-mathematische und handwerkliche Anwendungsbereiche des beruflichen Lernens, des Weiteren berufliche Praxisfelder, in denen räumliche Darstellungskompetenz (z.B. Architektur oder Tischlerei) eine Rolle spielt.

Ein wesentliches Einsatzgebiet für die kooperative Imaginationsdidaktik stellen natürlich auch die neuen Medien dar und hier der Umgang mit Internet, Grafikprogrammen oder dem Design von Websites. Dieser setzt eine umfangreiche digitale Vorstellungs- und Bildkompetenz voraus, die auf Arbeitsmärkten künftig gefragt sein wird. 

Das Buch ist vorbehaltlos zu empfehlen für Lehrkräfte, die sich mit der Didaktik der Imaginationsbildung auseinandersetzen und diese in ihre Praxistätigkeit aufnehmen möchten.


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