Erfahrungsbericht

Der Wissenstransfer aus dem Seminarraum in den Alltag

Wie es Seminarleitungen gelingt, das Erlernte bei Teilnehmern zu verankern

Das Bild zeigt einen Mann im Café mit seinem Laptop bei der Arbeit.

Die Arbeit - das Leben - die Menschen (Bild: Macdongtran / pixabay.com; CC0)

Sind Sie als Dozent von dem Thema überzeugt? Ist es alltagstauglich? Macht der Transfer Sinn? Das ist Ihre Haltung – gespiegelt durch Ihre Kommunikation – Sie sind Vorbild! Jetzt noch eine angenehme Lernatmosphäre schaffen! So gelingt Wissensvermittlung.

Bieten Sie Maßanfertigung statt Konfektion – indem Sie auf die Individualität der Teilnehmer so weit wie möglich eingehen und Beispiele und Übungen darauf abstimmen.

Ihre Vorbereitung: Ein kurzes (Telefon-)Gespräch mit den Angemeldeten oder eine Mailanfrage – Alter und Geschlecht verrät Ihnen bei einer VHS bereits die Anmeldung. Die Frage „Was konkret möchten Sie nach dem Kurs anders angehen?” ermöglicht Ihnen die didaktische Reduktion des Themas – die Grundlage der Maßanfertigung.

Die Vorstellungsrunde während des Seminars wird Ihnen noch Hinweise zu Biografie und Lerngewohnheiten bieten. Schriftlichkeit ist nicht beliebt? Dann behalten Sie die Arbeitsblätter in der Tasche und führen stattdessen ein geleitetes Unterrichtsgespräch. (wb-web bietet eine wahre Methodenfülle!)  

Wie aber können Sie den Transfer in den Alltag der Teilnehmenden beeinflussen?

Das A und O bei einer Fortbildung ist eine Struktur, die die Umsetzbarkeit der Inhalte im Alltag des Teilnehmers im Blick hat. Während eines Samstags in der VHS stehen keine Kinder in der Warteschleife, der Keller muss nicht aufgeräumt und der Einkauf nicht verstaut werden. Das bedeutet, dass die Seminar-Atmosphäre nicht der Normalfall ist, sondern die Ausnahme.

Der Alltag mit Beruf und Familie ist der Normalfall. Beide, Arbeitsplatz und Heim, sind anders strukturiert als ein Seminar. Teilnehmer und Teilnehmerinnen von VHS-Kursen sind sich dessen schon bei der Kursanmeldung bewusst. Und die Lehrenden? Sind Sie sich dessen bewusst? Und handeln Sie danach?

Nehmen wir an, eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter eines Unternehmens wird auf ein Seminar zum Thema „Projektmanagement“ geschickt. Ein engagierter und motivierter Dozent vermittelt die Grundstrukturen und überzeugt von dieser Arbeitsweise. Motiviert kommt der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin an den Arbeitsplatz zurück. Dort jedoch hängen Kollegen und Vorgesetzte in ihren Routinen fest. Möglicherweise hat noch eine Kollegin Urlaub oder jemand ist krank. Wie können angesichts dieser Personalengpässe Möglichkeiten geschaffen werden, das Gelernte anzuwenden? Überlegungen zu einem Plan B müssen Bestandteil des Seminars sein!

 Ein anderer Fall: Während eines Seminars werden interessante Inhalte vermittelt. Am Ende fragt sich indes eine Teilnehmerin, wie sie die Umsetzung bewerkstelligen soll. Womöglich braucht man als Teilnehmer bei einem Yoga-Seminar einen freien Raum im eigenen Haus, als Teilnehmer einer EDV-Schulung einen neuen Computer, als Teilnehmer eines Sprachkurses weitere Aufbaukurse oder teure Bücher oder bei einem VHS-Nähkurs doch den Fachmann, der daneben steht.

Kurzum: Es gibt Hürden, die die Motivation rauben. Leider werden diese Barrieren von Dozentinnen und Dozenten am Ende des Seminars ausgelassen oder nur kurz angerissen.

Umsetzungsprobleme sind die Folge. Um voranzukommen, braucht der Lernende die Fähigkeit, die Hürden zu erkennen, sie zu überwinden und weiter durch Wiederholung und Übung Fortschritte zu spüren.  

Ein Tipp

Die Seminarleitung lenkt ausreichend Aufmerksamkeit und Zeit auf die Frage, ob die zu vermittelnden Inhalte wirklich praxisnah sind und binnen weniger Tage ohne großen Hürden auch angewendet werden können. Zehn Minuten am Ende der Fortbildung sind hierfür nicht auszureichend. Es hängt natürlich auch von der Menge der Teilnehmenden und dem zeitlichen Umfang der Veranstaltung ab. Ein guter Dozent, eine gute Referentin weiß, dass Zeit für die Fragen von Hürden und deren Probleme einzuplanen sind. Hierbei geht es weniger um inhaltliche Verständnisprobleme als um die konkrete Frage, wie eine Teilnehmerin, ein Teilnehmer nach dem Kurs die neue Richtung einschlagen und das Gelernte anwenden kann.

Der Verweis auf weiterführende Literatur hat dazu noch nie ausgereicht! Wollten Ihre Teilnehmenden das Problem autodidaktisch erarbeiten, dann säßen sie nicht im Seminar!

Sie kennen die Lernziele der Teilnehmenden und bestimmt haben Sie Ideen zu Strategien entwickelt. Stellen Sie diese Ideen zur Diskussion.

Natürlich können auch die unterschiedlichen Lern- und Lebenserfahrungen der Teilnehmenden aktiviert werden. Weshalb sollten diese Ressourcen brachliegen? 

Transfer in den Alltag  – Das heißt nicht nur, was konkret von dem neuen Wissen werde ich übernehmen. Es heißt auch: Welche Hindernisse kann es geben und wie gehe ich damit um? 

Der Knackpunkt

Ein Seminarleiter eines VHS-Kurses beendet seinen Kurs häufig nicht mit dem letzten Wort zum Inhalt, sondern stattdessen mit dem letzten Tipp zur Umsetzbarkeit. Dabei gilt es, die Fragen nach der Anwendung und möglichen Hürden im Alltag schon bei der Planung im Blick zu haben.

Dabei spielen folgende Schlüsselbegriffe eine entscheidende Rolle:

  1. Strukturen, also finanzielle oder räumliche Hürden für die Umsetzung
  2. Zeitmanagement und Ablenkung, gemeint ist die Effektivität im Alltag
  3. Disziplin, ohne Ausdauer und Übungssequenzen bleibt man erfolglos
    1. Motivation, der richtige Umgang mit Rückschlägen und/oder Belohnungssysteme

Warum Gelerntes oft nicht in die Praxis übertragen wird?

Die häufigsten Gründe noch einmal im Überblick:

  • Das Design des Seminars passt nicht zu den Zielen der Teilnehmer. Die Inhalte, wie etwa Übungen oder Beispiele, haben mit den tatsächlichen Aufgaben (z.B. am Arbeitsplatz) und den dort vorherrschenden Gegebenheiten wenig zu tun.
  • Den Menschen fehlt es an Umsetzungsmotivation.
  • Der Kursleiter versäumt eine Nachbereitung der Veranstaltung.

  Und als externer Grund, den der beste Seminarleiter nicht beeinflussen kann:

  • Vorgesetzte unterstützen die Anwendung des Gelernten nicht.
  • Partner/innen unterstützen die Anwendung im Alltag nicht.

Fazit

Es hilft nicht, das immer noch schwer besetzte Wort „Disziplin“ am Ende des Kurses zu umschiffen. Vielmehr sollte der Seminarleiter klarmachen, dass mangelnder Elan und fehlende Zeit zum Anwenden gerade in den ersten 72 Stunden nach dem Kurs einen Hauptteil der Motivation fressen. Viele Dozenten sind mittlerweile ehrlich und sagen klipp und klar, dass der Grad des Erfolgs vom Grad der Selbstdisziplin abhängt. Gründe, die eine Weiterentwicklung der Strukturebene des Einzelnen torpedieren, sind u.a. fehlende Tagesplanung, schlechtes Ablagesystem, „Nicht-Nein-sagen-können“ zu unangemeldeten Besuchern und Telefonaten, hohe Ablenkungsquote durch das allgegenwärtige Internet oder die Spielmöglichkeiten des Smartphones und fehlende Fähigkeiten, Tätigkeiten zu strukturieren und zu delegieren, um Zeit für das Üben herauszuholen. Und je begeisterter Ihre Teilnehmenden sind, desto besser wird das neue Verhalten in den Alltag integriert werden. 

Denken Sie an Antoine de Saint-Exupéry:

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.

CC BY-SA 3.0 DE by Axel Bürger für wb-web



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