Buchvorstellung

Digitalisierung und Lernen 

Erik Haberzeth & Irena Sgier „Digitalisierung und Lernen - Gestaltungsperspektiven für das professionelle Handeln in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung“

Cover Digitalisierung und Lernen

Cover nicht unter freier Lizenz

Die Autoren rücken die Auswirkungen und Gestaltungsperspektiven des digitalen Wandels im Weiterbildungsbereich in den Fokus. Digitalisierungsstrategien der Anbieter, technologische Entwicklungen als Bildungsthemen, Kompetenzen des Lehrpersonals oder Organisation von Lehren und Lernen mit digitalen Medien sind Themen, die besprochen werden. Dabei lenken die Autoren den Blick auf arbeitsweltliche und kulturelle Entwicklungen, den möglichen Veränderungen des Weiterbildungssystems, Auswirkungen auf die Anbieter sowie das professionelle Handeln der Lehrenden. Es stehen weniger einzelne digitale Werkzeuge und deren methodischer Einsatz in konkreten Szenarien im Vordergrund, als vielmehr der Blick auf das Ganze. 

Worum geht es?

Erik Haberzeth, Professor für Höhere Berufsbildung und Weiterbildung an der PH Zürich, und Irena Sgier, stellvertretende Direktorin des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung, leiten mit der Vorstellung der Betrachtungsebenen der Digitalisierung in der Erwachsenenbildung ein. Sie differenzieren fünf Bereiche: Digitalisierung als Lerngegenstand; Lehren mit digitalen Technologien; Verwaltung, Marketing und Angebotsplanung; Strukturen der Erwachsenenbildung sowie Professionalisierung des Personals.

Welche Kompetenzen werden im Zeitalter der Digitalisierung an Relevanz gewinnen? Diese Frage stellen Fritz Böhle u.a. im Abschnitt der Grenzen der Digitalisierung als neue Herausforderung für die Weiterbildung. Dabei rücken die Autoren das subjektivierende Handeln in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen.

Reich an Rück- und Ausblicken zeigt sich das Interview mit Felix Stalder, dass viele Aspekte zum Nachdenken über die Digitalität in sich birgt. Themen wie die Veränderung des Denkens, die Pluralisierung der Möglichkeiten, das Verschwinden der Trennung von Privatem und Öffentlichem, die Komplexität als Schlüsselproblem der Bildung sowie die daraus entstehenden Aufgaben und Herausforderungen der Erwachsenenbildung stellen einen Ausschnitt der besprochenen Felder an. Denn „mit der Digitalisierung sind die Probleme nicht gelöst, sie fangen damit erst an“ (S. 59).

Die der Weiterbildung bevorstehenden Entwicklungen vergleicht Roland Schenkel mit den bereits in der Medienbranche zum Teil vollzogenen. Diese hatte keine Medien-, sondern eine Managementkrise. Wird die Weiterbildung durch die Digitalisierung entmonopolisiert und eventuell demokratisiert? Und welche Kompetenzen benötigen die Akteure in der Erwachsenenbildung?

Claudia Bremer stellt Einsatzszenarien digitaler Medien in Bildungsprozessen vor. Sie liefert einen Überblick über mögliche Veränderungen und Potentiale der Herausforderungen von Weiterbildungseinrichtungen durch Digitalisierung. Die Potentiale werden in den Ebenen der digital angereicherten Präsenzveranstaltungen, dem blended learning sowie voll virtualisierter Angebote ausgeleuchtet.

Irena Sgier u.a. präsentieren Resultate einer empirischen Untersuchung zum Umgang der Weiterbildungseinrichtungen mit Digitalisierung vor. Der Stellenwert der Digitalisierung ist hoch, ebenso wie der Investitionsbedarf in die Kompetenzen des Lehrpersonals. Bislang hat die Digitalisierung jedoch vor allem die vor- und nachgelagerten Bereiche in der Weiterbildung erreicht (Marketing, Beratung, Evaluation). Der Lehr-Lern-Betrieb wurde weniger durch die Entwicklungen erfasst.

Da Kompetenzanforderungen bislang vorwiegend funktional orientiert sind, besteht die Gefahr, dass Lehrende aufgrund fehlender Kompetenzen nicht die richtigen mediendidaktischen Entscheidungen treffen. Auf Basis dieser Überlegungen formuliert Matthias Rohs Ausblicke auf mögliche Veränderungen der Aufgaben von Lehrenden, Programmplanung, Administration, Verwaltung und Beratung in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Karin Julia Rott und Bernhard Schmidt-Hertha zeigen anschließend auf Basis einer Untersuchung, welche Abhängigkeit medienpädagogische Kompetenzen hinsichtlich des Alters der Erwachsenenbildner haben. Ein Ergebnis: „Das Alter spielt ausschließlich in der Facette der mediendidaktischen Kompetenz eine Rolle - allerdings eine Nebenrolle" (S. 149). Es scheinen andere Variablen für die medienpädagogischen Kompetenzen der Lehrenden relevanter zu sein.

Offene Bildungsressourcen (OER) werden schon länger im deutschsprachigen Raum diskutiert und gefördert. Die aktuellen Ansätze und Entwicklungen im deutschsprachigen Raum stellen Sandra Schön u.a. in ihrem Kapitel vor. Drei Beispiele – darunter auch wb-web – zeigen, dass zwar Bemühungen bestehen, jedoch OER insgesamt noch eine geringe Rolle für die Weiterbildung einnehmen. Ebenso fokussiert Kerstin Mayerberger OER, wenn sie der Lernendenorientierung in der Hochschulbildung unter den Bedingungen der Digitalisierung nachgeht. Sie stellt fest, dass ein Gelingen abhängt von der Akzeptanz, dem Engagement und Wollen der Lernenden, Zwang hingegen wirkt kontraproduktiv.

Philippe Wampfler u.a. untersuchen, wie Personal Learning Environments (PLE) in die Weiterbildung integriert werden können. Hierbei legen sie einen Schwerpunkt auf die Einbindung sozialer Medien und zeigen die (geplanten) Vorteile sowie damit verbundenen Hürden auf. Ihnen gelingt es, drei Aspekte zu benennen, die für den Einbezug von PLE in die Weiterbildung von Nutzen sein können.

Wer braucht es?

Insgesamt ist dieses Buch in erster Linie für Programm-, Personal- und Organisationsplanende interessant, da es deutlich über die Ebene der Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen hinausgeht. Aber auch für Lehrende in der Erwachsenen- und Weiterbildung lohnt sich ein Blick, da hier Auskunft über den aktuellen Stand und bevorstehende Entwicklungen der Digitalisierung in diesen Bildungsbereichen gegeben wird. Die Digitalisierung stellt für die Erwachsenen- und Weiterbildung sicher einige Herausforderungen dar. Aber, um nochmals Stalder aus dem Buch zu zitieren, „Technologien werden sozial interessant, wenn sie technologisch langweilig werden“ (S. 59).


CC BY SA by Lars Kilian für wb-web



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