Handlungsanleitung

Argumentieren bei Stammtischparolen und populistischen Slogans

Wer kennt nicht die Situation: Gespräche mit Bekannten, bei Familientreffen oder beim Plausch an der Kasse; Parolen, die simple Antworten auf komplizierte Fragen geben, die auf Emotionen statt auf Fakten setzen; populistische Slogans, die gesellschaftliche Missstände und Ängste aufgreifen? 

 Was tun bei Stammtischparolen?   In diesen Situationen wird die öffentliche Meinung manipuliert. Dabei basieren die Aussagen meist auf Vorurteilen und beruhen oft auf Fehlinformationen. Das stellt eine Bedrohung für die Grundlagen unserer demokratischen Prinzipien dar. Und dies oft auf Kosten marginalisierter Gemeinschaften (Meistens richten sich die populistischen Slogans gegen das vermeintlich „Andere“, das kritisiert und abgewertet wird) und demokratischer Institutionen.

 Wie reagiert man am besten angesichts solcher Parolen? Wie können wir ein für eine demokratische Gesellschaft und die Achtung der Menschenwürde einstehen?  Vielen Menschen fällt es schwer, bei Stammtischparolen dagegen zu halten, sei es aus Angst vor Konfrontation oder weil sie befürchten, nicht genügend Fachwissen zu haben, um die Stammtischparolen zu entkräften. Die Handlungsanleitung bietet Orientierungshilfen und Vorschläge zur Kommunikation.

Hier ist eine demonstrierende sowie diskutierende Personengruppe mit Figuren nachgestellt.

Demonstrieren und Argumentieren (Bild: Wisamar Bildungsgesellschaft gGmbH)

Es ist wichtig Haltung zu zeigen und Position zu beziehen! Der öffentliche Raum darf nicht von populistischen Parolen dominiert werden, wir müssen für demokratische Werte einstehen und uns mit marginalisierten Menschen solidarisieren.

 Dabei gibt es nicht die EINE richtige Strategie, dieses sind Orientierungshilfen und Vorschläge.

 Ein wichtiger Aspekt ist der Kommunikationsstil:

  1. Nutzen Sie die Beziehung, die Sie zu der Person haben: Fassen Sie Ihre Überraschung oder Ihren Schock über die gemachte Aussage in Worte. Beziehen Sie sich auf gemeinsame Werte und Erfahrungen, um von abstrakten Themen zu alltäglichen und sehr konkreten Beispielen überzugehen.
  2. Seien Sie sich Ihrer Rolle bewusst: Besonders bei Gesprächen innerhalb der Familie haben wir oft zugeschriebene Rollen, die wir kaum hinter uns lassen können. Das bedeutet, dass wir neben unserem Wissen und unserer Expertise auf dem jeweiligen Gebiet auch Vater, Kind, Oma oder Onkel sind und entsprechend wahrgenommen werden. Aus der zugeschriebenen Rolle auszubrechen, funktioniert in solch angespannten Situationen selten. Bleiben Sie daher in Ihrer Rolle und argumentieren Sie authentisch aus ihr heraus.
  3. Bleiben Sie ruhig: Es ist wichtig, die Fassung zu bewahren und keine moralische Empörung zu zeigen, auch wenn Sie sich innerlich aufregen. Wenn Sie ruhig bleiben, wird die Diskussion viel produktiver sein. Hitzige Argumente oder persönliche Angriffe lenken von den eigentlichen Themen ab und bringen Sie in Misskredit. Sie sind weniger überzeugend.
  4. Formulieren Sie Kritik höflich: Wenn Sie eine Meinungsverschiedenheit äußern, bleiben Sie höflich. Nutzen Sie das „Sie“. Erkennen Sie alle Gemeinsamkeiten oder Aspekte der Argumente an, die Sie verstehen und mit denen Sie sich identifizieren können. Erläutern Sie dann respektvoll Ihre abweichende Sichtweise und führen Sie logische Argumente und Belege an.
  5. Bleiben Sie freundlich: Die Diskussion kocht hoch, der Ton wird laut? Sprechen Sie absichtlich leise und ruhig. Oft wird man Ihnen aufmerksamer und offener zuhören, als wenn Sie im Kampf um die lauteste Meinung mitschreien.
  6. Keine Belehrungen! Diskutieren Sie nicht mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger.
  7. Achten Sie auf Ihre Körpersprache: Jeder möchte ernst genommen werden und den Eindruck haben, dass sein Gesprächspartner ihm zuhört. Lehnen Sie sich zurück, strecken Sie die Beine aus - Sie sind völlig entspannt und offen für Ihr Gegenüber. Weniger geeignet, um Empathie zu wecken: Verschränkte Arme und Grimassen.
  8. Behalten Sie Ihren Humor: Ein kleiner Witz, eine Portion Selbstironie kann Wunder wirken, um das Klima zu entspannen und alle Teilnehmenden der Diskussion wieder für Argumente zu öffnen.

 Die zweite Ebene sind die Argumente selbst:

  1. Stellen Sie logische Fragen: "Woher wissen Sie das?", "Können Sie mir erklären, wie x und y zusammenpassen?" Haben Sie ein konkretes Beispiel?" Nachfragen verwickeln das Gegenüber oft in Widersprüche oder weisen auf Absurditäten der Argumentation hin.
  2. Sie können auch zustimmen: Ihr Gesprächspartner vertritt eine These, an der Ihrer Meinung nach "etwas Wahres" dran sein könnte? Dann können Sie ruhig in Teilen zustimmen, Verständnis zeigen. Aber stimmen Sie nicht pauschale Aussagen zu, verweisen Sie auf komplexe Zusammenhänge hinzuweisen und schlagen Sie alternative Denkansätze vor.
  3. Setzen Sie Grenzen und handeln Sie: Wenn Sie mit verletzender Rhetorik oder beleidigenden Aussagen konfrontiert werden, ist es wichtig, klare Grenzen zu ziehen. Sagen Sie klar und deutlich, dass bestimmte Äußerungen nicht akzeptabel sind und gegen die Grundsätze von Respekt und Menschenwürde verstoßen.
  4. Fakten sind gut. Fakten, die zum Nachdenken anregen oder Irritationen auslösen. „Ausländer*innen nehmen uns die Arbeitsplätze weg“. Geben Sie ihnen Zahlen: Der Rückgang der Geburtenrate und der Niedergang unserer Wirtschaft können überzeugend sein. Diese lassen sich am besten in Form von persönlichen Geschichten, Anekdoten und persönlichen Erfahrungen vermitteln.
  5. Lassen Sie sich nicht ablenken! Jemand knallt Ihnen eine Gemeinplatz-Weisheit nach der anderen um die Ohren? Dann bitten Sie die Person, bei der ersten These zu bleiben, um sie zu diskutieren. Das ist besser, als sich in vielen verschiedenen Argumentationssträngen zu verzetteln.
  6. Schaffen Sie Bündnisse: Wenn jemand am Tisch ein gutes Argument vorbringt - greifen Sie diese einfach in Ihrem nächsten Beitrag zum Gespräch wieder auf, benennen Sie die Gemeinsamkeiten.
  7. Ignorieren Sie den Anführer: Irgendjemand am Tisch redet die ganze Zeit. Nicht darauf eingehen: Die unentschlossenen Zuhörer*innen, die schweigend zuhören, sind viel interessanter! Sie sind eher bereit, über Ihre Argumente nachzudenken.
Logo des Projekts "We Europeans"

Logo des Projekts  „We Europeans“  (nicht unter freier Lizenz)

Diese Orientierungshilfen wurden im Rahmen des Erasmus+-Projekts „We Europeans“ https://we-europeans.eu/  entwickelt und im März 2024 in einem MOOC (Massive Open Online Course) vorgestellt, der kostenfrei und in acht Sprachen zur Verfügung steht. 

We-Europeans setzt sich für ein Europa ein, in dem Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Gleichbehandlung vorherrschen. Dazu gehört auch, für die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit einzutreten.

Machen Sie mit! Vernetzen Sie sich in einer Community of Practice und tauschen Sie sich mit Menschen aus verschiedenen Ländern Europas aus!

CC BY SA 3.0 DE von Magdalena Scharf (Deutsche Toleranzstiftung) für wb-web

Deutsche Toleranzstiftung

Die von dem ARD-Journalisten Constantin Schreiber gegründete Stiftung  möchte einen Beitrag dazu leisten, Menschen mit unterschiedlicher Meinung wieder mehr ins Gespräch zu bringen. Die Projekte setzen sich für Perspektivwechsel, Dialog und Horizonterweiterung sowie für interkulturellen oder interreligiöses Verständnis ein.

Auf der Webseite der Deutschen Toleranzstiftung finden Sie eine Übersicht über ihre Arbeit und ihr Engagement.


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