Handlungsanleitung
Forumtheater – ein Rollenspiel
Die Methode des politischen Rollenspiels geht auf Augusto Boal zurück und wird auch als „Theater der Unterdrückten“ bezeichnet. Die Methode bietet keine vorgefertigte Lösung, sondern eine Auseinandersetzung mit einer konkreten Situation, es ist eine Probe, Analyse und Suche (vgl. Boal 2009). Der brasilianische Regisseur, Theaterautor und -theoretiker spielte klassische Theaterstücke, die die soziale Ungerechtigkeit und Unterdrückung darstellten. „In Anschluss an die Vorführungen wurde mit den Zuschauern diskutiert: Was können wir machen, um die politischen Verhältnisse zu ändern? (Schaller 2001)“.
Dem Theater der Unterdrückten basiert auf zwei Grundsätzen:
- Der Zuschauer soll vom passiven Wesen (Objekt) zum Protagonisten der Handlung (Subjekt) werden.
- Das Theater beschäftigt sich nicht mit der Vergangenheit, sondern wendet sich aus der Realität heraus bewusst der Zukunft zu. Dazu beendet es die Interpretation der Realität und beginnt sie stattdessen zu verändern. (vgl. Boal 1989)
Im Theater der Unterdrückten entwickeln die Beteiligten neue Handlungsmodelle für die Zukunft. Die im fiktiven Theaterspiel erprobte Befreiung von herkömmlichen Handlungsmustern hin zu neuen Verhaltensweisen soll anschließend in die Lebenswirklichkeit übertragen werden.
Methode
Schritt 1: Die Themenauswahl orientiert sich an realen Problemen bzw. Konflikten der Zuschauer.
Schritt 2: Eine Gruppe entwickelt eine entsprechende Szene bzw. ein Theaterstück, die den Konflikt enthält. Wichtig ist, dass auf eine Lösung verzichtet wird.
Schritt 3: Das Stück wird möglichst realistisch aufgeführt.
Schritt 4: Das Stück wird noch einmal aufgeführt, aber aus dem Zuschauerkreis ersetzt eine Person die Hauptfigur und probiert Lösungen aus. Gleichzeitig behalten alle weiteren Personen ihre Verhaltensweisen bei.
Tipp: Lassen Sie der Fantasie und Kreativität freien Lauf. Humor ist hierbei eine große Hilfe. Absurde Variationen sind erwünscht.
Schritt 5: Verschiedene Personen aus dem Zuschauerkreis ersetzen nacheinander dieselbe Hauptfigur, während alle weiteren Personen ihre Rollen und ihre Verhaltensweisen beibehalten. Die „neuen“ Hauptfiguren haben die Aufgabe, neue Verhaltensweisen auszuprobieren.
Schritt 6: Abschließend schlüpft die/der ursprüngliche Hauptdarsteller*in in die Rolle und spielt die Szene mit der von ihr favorisierten Variante.
Schritt 7: Die Hauptdarstellerin und anderen Schauspieler schildern ihr Erleben des Spiels.
Schritt 8: Die Zuschauer äußern sich dazu.
Wichtig: Es sollen nur Ich-Botschaften gemacht werden! Die Leitung achtet darauf, dass Interpretationen und Ratschläge unterbleiben.
Schritt 9: Die Emotionen wirken lassen. Die Methode basiert auf der teils belastenden Lebenswirklichkeit der Beteiligten. Daher ist eine Pause angebracht, um die neuen Erfahrungen sacken zu lassen. Eine weitere Bearbeitung kann mit einer weniger gefühlsbetonten Methode erfolgen (vgl. Schaller 2001).
Quellen:
Boal, A. (2009). Theater der Unterdrückten – Übungen und Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler. Frankfurt am Main: Suhrkamp
Schaller, R. (2001). Das große Rollenspiel-Buch: Grundtechniken, Anwendungsformen, Praxisbeispiele. Basel: Beltz.
CC BY SA 3.0 DE von Susanne Witt für wb-web (Februar 2023)
Politische Erwachsenenbildung
Politische Erwachsenenbildung ist keine Überzeugungsarbeit von Lehrenden. Sie verfolgt das Ziel, das Verständnis von Demokratie und Menschenrechten zu fördern. So betont Andreas Voßkuhle, "dass es in der politischen Bildung nicht um die Pflege von Gesinnungen, sondern um die Entwicklung von politischer Urteilskraft geht: Entscheidend ist das Einüben der Unterscheidung von Fakten und Wertungen." (Quelle)
Im Dossier Politische Erwachsenenbildung stellt wb-web in einzelnen Folgen verschiedene Aspekte der Politischen Erwachsenenbildung vor.