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Zum Umgang mit Fach- und Berufssprache(n) im Kontext der Flucht

Das Bild zeigt einen Schreib- bzw. Werkzeugtisch

(Michal Dvorecky, CC BY SA 3.0 DE )

Neben der Alltagssprache taucht in Deutschkursen für Geflüchtete immer wieder die Frage auf, Bereiche zu thematisieren, die mit ihrem erlernten Beruf, absolvierten Studium oder bereits ausgeübten Beruf zusammenhängen. Es wird der Wunsch nach einer Beschäftigung mit Fach- oder Berufssprache signalisiert. Ähnliche Signale zeigen sich auch am Büchermarkt, auch hier lassen sich zahlreiche Lehr- und Lernmaterialien mit berufssprachlichen Schwerpunkten feststellen.

Was sind überhaupt Berufs- und Fachsprachen? In der Literatur findet man neben der Bezeichnung Berufssprache auch noch andere Bezeichnungen, wie z.B. Deutsch für den Beruf, Sprache am Arbeitsplatz, berufsbezogenes Deutsch, Deutsch für [z.B. Pflegekräfte] oder Deutsch für spezifische Bedarfe. Unter dem Begriff Berufssprache versteht Braunert die „Gesamtheit aller sprachlichen Mittel zur persönlichen und sachlichen Integration in den Betrieb und ins betriebliche Umfeld, zur sprachlichen Sicherung der betrieblichen Funktionsübernahme“ (2014, 49). Die Besonderheit der Berufssprache liegt u.a. im Kontext der mündlichen innerbetrieblichen Kommunikation und der Sprachbedarf kann in der Regel nur durch eine Beobachtung festgestellt werden (vgl. 2014, 49).

Unter dem Begriff Fachsprache versteht man dagegen die „Gesamtheit aller sprachlichen Mittel in einem fachlich begrenzten Kommunikationsbereich zur Verständigung der in diesem Bereich tätigen Menschen“ (Hoffmann 1985, 53). Die Besonderheit der Fachsprachen liegt einerseits im Bereich des Fachwortschatzes, der auf die Bedürfnisse der jeweiligen Fächer abgestimmt ist (z.B. Fachsprache der Pflege/des Metallbaus/der Architektur/der Archäologie/des Bankwesens etc.) und andererseits in der Verwendung bestimmter grammatischer Mittel (z.B. des Vorgangspassivs) und syntaktischer Mittel (z.B. Nominalisierungen – das Schleifen von Parkett, das Verladen von Gütern) (vgl. Fluck 1996). Die Quelle für diese Besonderheiten stellen in der Regel schriftliche Dokumente dar (z.B. Handbücher, Lehrbücher, Fachzeitschriften etc.). 

Was ist also für die Arbeit als ehrenamtlicher Sprachbegleiter wichtig?

Stellen Sie sich folgende Fragen:

  1. Was will er/sie überhaupt lernen? Was muss man z.B. als Koch/Köchin, Kellner/Kellnerin, Arzt/Ärztin, Bauingenieur/Bauingenieurin in einer Fremdsprache können?
  2. Gibt es für den Beruf/für die Fachsprache überhaupt geeignete Lehr- und Lernmaterialien? Z.B. Lehrwerke, Arbeitsblätter, Wörterbücher, digitales Lernmaterial etc.
  3. Lassen sich mit den momentanen Sprachenkenntnissen der/des Lernenden fach- bzw. berufssprachliche Inhalte vermitteln? 

Die Antworten sind nicht so einfach. Im professionellen Unterricht würde man vor dem eigentlichen Unterricht die sog. Sprachbedarfsanalyse durchführen, um alle Fragen möglichst detailliert zu beantworten. Im Fall von ehrenamtlichen Sprachbegleiterinnen und Sprachbegleitern könnte man sich zum Beispiel Folgendes überlegen:

Ad 1: Man könnte die Frage auch folgendermaßen umformulieren: Über welche Kompetenzen sollte(n) der/die Lernende(n) in der Fremdsprache verfügen? Diese Frage lässt sich auch mit Hilfe einer einfachen Übung bewältigen, bei der der/die Lernenden anhand des für den jeweiligen Beruf/die jeweilige Fachsprache typischen Bildmaterials über die Handlungsbereiche im Beruf/in der Fachsprache sprechen sollen. Z.B. kochen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen, Maschinen bedienen, Probleme lösen, E-Mails schreiben (Textsorten: Bestellungen, Anfragen von KundInnen), Dinge reparieren, mit Klienten telefonieren (Themen: Termine vereinbaren, Kundinnen und Kunden am Telefon beraten). Die von den/der Lernenden präsentierten Inhalte liefern für Sie wertvolle Hinweise auf die Themen, die im Unterricht thematisiert werden können. Es ist auch sinnvoll, eine Differenzierung zwischen den einzelnen Fertigkeiten zu machen (Lesen, Hören, Schreiben, Sprechen). Bei Bedarf ist der Fragebogen von Tellmann/Müller-Trapet/Jung 2012 zu empfehlen, in dem weitere Beispiele von möglichen Fragen angeführt werden.

Ad 2. Die zweite Frage bezieht sich auf das Lehr- und Lernmaterial, das man bei der Vermittlung von Fach-/Berufssprachen einsetzen könnte. Die Verlage, die sich u.a. auf die Produktion von fremdsprachlichen Lehrwerken spezialisieren, bieten seit längerer Zeit auch Lehrbücher/Lehrwerke mit fach- und berufssprachlichen Inhalten an. Es ist jedoch selten möglich, ein Lehrbuch zu finden, das man eins zu eins in den eigenen Unterricht integrieren könnte. Es ist aber ratsam, die Verlagsangebote zu überprüfen, denn die vorhandenen Lehrbücher berücksichtigen verschiedene Branchen und Berufe, trainieren relevante berufsbezogene Sprachhandlungen, führen relevantes berufs- und fachsprachliches Sprachmaterial ein (Wortschatz, (Hör-)Texte, Grammatik). Es existieren auch die sog. Berufstrainer, die zusätzlich zu ausgewählten allgemeinsprachlichen Lehrwerken Lektionen mit berufsspezifischen Inhalten enthalten (z.B. Bewerbung, Vorstellungsgespräch, Arbeitsvertrag, Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen, Auftragsabwicklung, Telefonieren am Arbeitsplatz etc.). Trotz unterschiedlicher Niveaustufen liefern die Lehrbücher und -werke wertvolle inhaltliche und auch auf den Unterrichtsablauf bezogene Tipps (z.B. Übungs- und Aufgabentypen).  Bedenken Sie auch, dass zum Inhalt von fach- bzw. berufssprachlichen Kursen kein Auswendiglernen von isolierten Vokabeln gehört.

Ad 3. Auf welchem sprachlichen Niveau werden die jeweiligen Kompetenzen verlangt? Vergleicht man die Ergebnisse der Erhebung bei Frage 1 mit dem aktuellen Sprachstand, stellt man fest, dass es Handlungsbereiche gibt, die beim aktuellen Sprachstand bewältigt werden können, weil die Lernenden über die entsprechenden sprachlichen Mittel verfügen. In der anderen Gruppe lassen sich die Handlungsbereiche identifizieren, deren Realisierung wegen fehlender sprachlicher Mittel erst später thematisiert werden kann.

Das Bild zeigt ein Stethoskop und weitere medizinische Geräte.

(Michal Dvorecky, CC BY SA 3.0 DE )

Bei der Planung der Einheiten mit fach- bzw. berufssprachlichen Inhalten empfiehlt es sich, mit dem unten angeführten Schema zu arbeiten. In das Schema werden alle aus Frage 1 relevanten Themen eingetragen und es wird auf den ersten Blick deutlich, was der/die Lernende(n) bewältigen können und wo noch Arbeit im Bereich der sprachlichen Strukturen und des Wortschatzes notwendig sind. Das Schema könnte man auch folgendermaßen beschreiben: (Dieses) Thema umfasst diese Aktivitäten, welche die Sprachhandlung in dieser sprachlichen Struktur verlangen unter Verwendung dieses Wortschatzes (vgl. Kniffka/Roelcke 2016).

Die Tabelle zeigt die Bezüge von Thema, Aktivitäten, Sprachhandlung und Wortschatz im Sprachlernen.

Für alle Sprachbegleiterinnen und Sprachbegleiter ist es immer besonders wichtig daran zu denken, dass nicht für jeden einzelnen Kursteilnehmer ein eigener Fachsprachenkurs erstellt werden muss/kann. Man kann verschiedene fach- und berufssprachliche Unterrichtsinhalte in den allgemeinsprachlichen Kurs einfließen lassen. Die Lernenden lernen, auch wenn sie sich dessen nicht immer bewusst sind und es nicht sehen, in einem allgemeinsprachlichen Kurs sehr viele wichtige Inhalte, die sie auch in berufs- und fachsprachlichen Kontexten anwenden können. Die Bedarfsanalyse kann diese Kontexte erweitern.


CC BY SA 3.0 DE by Michal Dvorecky für wb-web.de

Quellen

Braunert, J. (2014). Ermittlung des Sprachbedarfs: Fachsprache und Kommunikation am Arbeitsplatz. In: Berufsfeld-Kommunikation: Deutsch. Frankfurt, M.: Peter Lang Edition (Wissen - Kompetenz - Text, 7), S. 49–66.

Fluck, H. (1996). Fachsprachen. Einführung und Bibliographie. 5. Aufl. Tübingen: Francke (Uni-Taschenbücher, UTB Germanistik, Linguistik, 483).

Haider, B. (2010). Deutsch in der Gesundheits- und Krankenpflege. Eine kritische Sprachbedarfserhebung vor dem Hintergrund der Nostrifikation. Wien: facultas wuv.

Hoffmann, L. (1985). Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einführung. (2. Aufl.). Tübingen: Narr (Forum für Fachsprachen-Forschung, 1).

Kniffka, G.& Roelcke, T. (2016). Fachsprachenvermittlung im Unterricht. (1. Aufl.). Paderborn: Ferdinand Schöningh (StandardWissen Lehramt, 4094).

Tellmann, U., Müller-Trapet, J., Jung, M. (2012). Berufs- und fachbezogenes Deutsch. Grundlagen und Materialerstellung nach dem Konzept von IDIAL4P. Handreichungen für Didaktiker. Göttingen: Universitätsverlag Göttingen.