Lutz Goertz Blog
Trends: offener Zugang und Lernen mit Spaß
Worüber diskutierten Weiterbildungsfachleute in den sozialen Medien im Jahr 2018? Eine Analyse des mmb Instituts für wb-web ergab, dass im Austausch zwischen den Bildungsakteurinnen und -akteuren vor allem das Lernerlebnis im Vordergrund steht. Virtual Reality Learning ist einer der Treiber hierfür. Doch auch der offene Zugang zu Bildungsressourcen sowie die Teilhabe aller Personengruppen an Bildung sind zentrale Themen.
Mit der bereits in den ersten zwei Trendanalysen 2016 und 2017 bewährten Scouting-Methode hat das mmb Institut 2.864 Social-Media-Beiträge zu Weiterbildungsthemen untersucht, darunter zahlreiche Blogbeiträge. Der Wortzähler kam auf insgesamt 244.526 Wörter, die in die Analyse eingingen, davon 52.456 unterschiedliche Begriffe.
Auffällig war in diesem Jahr eine Zunahme von Begriffen aus dem Umfeld von „Virtual Reality“ und „Augmented Reality“. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass 2018 vermehrt Blogs und Newsletter in der Textauswahl berücksichtigt wurden – und weniger Beiträge via „Twitter“. So stammen viele der analysierten Texte aus dem „Weiterbildungsblog“ von Jochen Robes. Ein zweiter sehr umfangreicher Blog ist „Immersive Learning News“ von Torsten Fell zum Lernen in 3D-Umgebungen. Letzterer hat sicherlich dazu beigetragen, dass Begriffe aus der Virtuellen und Augmentierten Realität in die Trendliste aufgenommen wurden, ebenso wie „Künstliche Intelligenz“.
Die Tweets und Blogbeiträge stammen aus dem zweiten Halbjahr 2018, unter anderem aus Texten, die den Begriff „Weiterbildung“ enthielten sowie aus Beiträgen von Weiterbildungsfachleuten und -institutionen, die als Multiplikatoren in der Weiterbildungscommunity bekannt sind. Es handelt sich also nicht um eine repräsentative Zufallsauswahl, sondern um eine bewusste Auswahl, die zu heuristischen Zwecken, eben zum Finden neuer Trends dient.
Welche Begriffe wurden als Trendbegriffe und -themen ermittelt?
In diesem Jahr enthält die Liste viele Begriffe, die mit der Erlebnisqualität des Lernens zu tun haben, aber auch mit den Zugangsmöglichkeiten zu Bildungsressourcen:
Lernen wird wieder zum Erlebnis
Nicht, dass Lernen bisher überhaupt keinen Spaß gemacht hätte – doch in diesem Jahr wurde in den Fachbeiträgen das „Lernen als Erlebnis“ besonders betont. Dies liegt sicherlich auch daran, dass der Blog „Immersive Learning News“ von Torsten Fell einen großen Anteil an den analysierten Texten hatte, aber auch, dass diese Themen auch an anderer Stelle aufgegriffen wurden.
„VR“ (Virtual Reality) und „AR“ (Augmented Learning) wurden über tausendmal erwähnt, aber auch der Begriff „Brille“. Mit „Brillen“, sei es für „Virtual Reality“ als vollständig computergeneriertes Bild oder „Augmented bzw. Mixed Reality“ als Kombination von Realbildern und Ergänzungen durch den Computer hat eine neue Lerntechnologie in die Bildungswelt Einzug gehalten. Noch befindet sich diese im Experimentierstadium beziehungsweise lebt von der Faszination durch die Erstnutzer. Um das Lernmedium langfristig zu etablieren, werden jetzt praktische Hilfestellungen und didaktische Konzepte gebraucht – und darüber wird in den sozialen Medien diskutiert. Häufig geht es auch darum, dass Bürger vor Ort diese neuen Lerntechnologien ausprobieren konnten. Gelegentlich ist auch von „motion sickness“ die Rede, aber noch mehr von der Motivation, die hierdurch erzeugt wird.
Auch der Begriff der „Experience“ wird in der letzten Zeit häufig im Zusammenhang mit VR-Anwendungen verwendet. Wird auf einer Veranstaltung eine VR-Brille genutzt, sagen die Teilnehmenden: „Die haben dort eine Experience angeboten.“ Damit zieht das englische Wort für „Erfahrung“ und „Erlebnis“ auch in den deutschen Sprachschatz ein. Es bezeichnet darüber hinaus auch das Lernerlebnis beim Spielen von Serious Games oder dem Training mit Simulationen.
Ähnlich wie das Konzept der „Experience“ stellt auch der „Spaß“-Begriff das Erleben beim Lernen in den Vordergrund und weniger die Lerninhalte. Gerade im Zusammenhang mit Lern- und Veranstaltungsformen, die den Erlebnischarakter betonen (VR, AR, Serious Games, Fotorallyes, aber auch Barcamps) wird Spaß als motivationales Element erwähnt.
Bei den Escape Rooms schauen die Bildungsakteure über den Zaun und entdecken den Freizeit-Event, bei dem man als Team Rätsel lösen muss, um den Raum wieder verlassen zu können. Es gibt erste Überlegungen, das Team-Abenteuer, das inzwischen viele kennen, mit Bildungsinhalten zu verbinden. Auf diese Weise können Bildungsinstitutionen an die vorhandenen Freizeitinteressen anknüpfen. Hierfür wurde bereits ein Begriff geprägt: „BreakoutEdu“.
Auch die allgemeine Diskussion um das Thema "Künstliche Intelligenz“ (KI) schlägt sich in den Blogbeiträgen und Tweets nieder: Es ist ein Schlagwort, das in der öffentlichen Diskussion mit Euphorie und Ängsten verbunden wird. Eine klare Definition gibt es nicht, auch nicht für die Übertragung auf den Bildungssektor. Die Blogger setzen damit das Thema auf die Agenda, auch wenn sich der Hype noch nicht in konkrete Projekte ummünzt – abgesehen von ChatBots, die inzwischen häufiger eingesetzt werden.
Weitere Trends: Neue Arbeitsmethoden, Kompetenzentwicklung und YouTube
Welche weiteren Themen tauchen auf der Agenda der Blogger/innen und Twitter/innen auf? Eine neue Arbeitsmethode fließt in die Konzeptionsprozesse der Weiterbildner ein: Auch wenn „Design Thinking“ in der Literatur als Konzept nur grob umrissen und nicht klar definiert wird, hat es sich als Methode etabliert, um komplexe Probleme zu lösen und neue Produkte zu entwickeln, selbst wenn die Motivationen und Bedarfe der Anwender noch nicht offensichtlich sind.
Entscheidend für die Durchführung der Methode ist ein Team, das interdisziplinär zusammengesetzt ist bzw. denkt und sich iterativ an den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer orientiert, ähnlich wie Designer dies tun. Dieses Konzept lässt sich auch auf Dienstleistungen und Probleme im Bildungssektor übertragen.
Nachdem bereits vor zehn bis 15 Jahren der Begriff der Kompetenzentwicklung in der Pädagogik ausführlich diskutiert wurde, wird nun die Debatte mit anderen Vorzeichen erneut geführt. Es geht um eine stärkere Fokussierung auf nicht-fachbezogene Kompetenzen, die auch außerhalb von formalen Lernangeboten eingeübt werden können.
Zwar werden jetzt Kompetenzen häufiger in den Lernzielen festgeschrieben, die Umsetzung in Lernveranstaltungen erfolgt aber immer noch überwiegend frontal in Lernangeboten, die nur wenig Möglichkeiten zum Erfahrungslernen bieten. Hier bietet das handlungsorientierte Lernen Möglichkeiten zur praktischen Einübung von Kompetenzen. Diskutiert wird unter anderem, wie sich diese erworbenen Kompetenzen vermitteln und bewerten lassen.
Viele aktuelle Studien zeigen die ungebrochene Beliebtheit von Lernvideos. Hier hat sich YouTube als zentrales Verbreitungsportal etabliert. YouTube macht dabei keinen Unterschied zwischen didaktisierten Beiträgen und reinem Entertainment. Das Videoportal füllt damit Lücken, die von der Weiterbildungsbranche nicht erkannt wurden – als zentrales Suchportal für Lerninhalte, als Lieferant von „Open Content“ und als Treiber zur Erstellung von Lernvideos in allen Lernkontexten.
Resümee der Trendanalyse
Im Wechselspiel von neuen Technologien und neuen didaktischen Konzepten erhält das Lernerlebnis wieder einen größeren Stellenwert. Ob dies zu einer grundsätzlichen Haltung unter dem Motto „Keine Lernmaßnahme ohne Motivationskonzept“ führen wird? Den Lernenden wäre es zu wünschen.
Dass mit dem Konzept der Teilhabe auch Zielgruppen im Vordergrund der Diskussionen stehen, die bisher seltener beachtet wurden, ist begrüßenswert. Damit werden weitere Potenziale des Lernens mit digitalen Medien entfaltet.
Die Analyse hat ferner gezeigt, dass die Debatten im Social Web eine wichtige Plattform für Entwicklung in der Weiterbildungsbranche sind. Auch Konferenzen, Messen und Fachbeträge werden so in den Foren „verlängert“. Und glücklicherweise werden diese Diskussionen nach wie vor sachlich und konstruktiv geführt. Trolle mögen sich bitte, wenn überhaupt, an anderen Orten austoben.
CC BY-SA 3.0 DE by Dr. Lutz Goertz für wb-web
Trend: „Künstliche Intelligenz“ in der Weiterbildung
„Liebe Trainerinnen und Trainer, freuen Sie sich, denn Sie bekommen bald eine neue Zielgruppe dazu. Sie dürfen Robotern etwas beibringen.“ Bei diesem Spruch zu Beginn eines Workshops „Lerntechnologien“ hält sich die Begeisterung der alteingesessenen Dozenten meist in Grenzen. Der Trend zur Künstlichen Intelligenz in der Weiterbildung ist aber da. Was das für die Akteurinnen und Akteure bedeutet, lesen Sie nächste Woche in einem weiteren Beitrag zur Analyse des mmb Instituts für wb-web.
Arbeit 4.0 und lebenslanges Lernen
Im Zuge der Digitalisierung verändert sich unsere Arbeitswelt und macht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neue Kompetenzen erforderlich: Zum einen müssen sie digitale Technologien beherrschen, zum anderen machen diese Technologien neue Strukturen in der Arbeitswelt nötig oder möglich. Team und Führung werden neu definiert, kollaborative Fähigkeiten und kommunikative Kompetenzen müssen entwickelt werden. Ein neues Aufgabenfeld für die in der Weiterbildung Tätigen, die aber auch selbst über ihre Rolle und ihre Aufgabe neu nachdenken müssen.