Schrippe, Brötchen, Semmel, Weckle, Rundstück? Tüte oder Sackerl? Regionale Aspekte der deutschen Sprache und wie man damit in der Sprachbegleitung umgehen kann.
Die deutsche Sprache zeichnet sich durch große Vielfalt aus, z.B. durch regionale, funktionale und situative Vielfalt. Das bedeutet, dass wir in verschiedenen Regionen, in verschiedenen Situationen und mit verschiedenen Intentionen unterschiedlich sprechen. Wie spricht man aber als Sprachbegleiterin? Soll man nur Standarddeutsch sprechen? Oder auch Umgangssprache und vielleicht sogar Dialekt? Je mehr man selbst über Sprachverwendung Bescheid weiß, desto leichter lässt sich Sprache auch vermitteln. Deshalb im Folgenden einige Informationen und Empfehlungen.
Deutsch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Wie das Englische ist auch das Deutsche eine plurizentrische Sprache, das heißt, dass es in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine je eigene Standardsprache gibt, die sich u. a. in Wortschatz, Grammatik und Aussprache unterscheidet – z.T. auch innerhalb dieser Länder. Diese sogenannten Standardvarietäten sind gleichberechtigt.
Standardsprache – Umgangssprache – Dialekt
In Deutschland und Österreich existieren Standardsprache, Umgangssprache und Dialekt nebeneinander. Je nachdem, in welcher Situation und mit wem wir sprechen, nutzen wir eine dieser Formen. Die Nachrichtensprecherin und die Lehrerin beispielsweise verwenden im Berufsleben Standardsprache. Mit ihren Arbeitskolleginnen sprechen sie vielleicht Umgangssprache, mit ihren Kindern ihren regionalen Dialekt. Die Umgangssprache ist zwischen Standardsprache und Dialekt angesiedelt und wird in einem größeren Raum gesprochen als der Dialekt. Dialekte werden in einer bestimmten Region gesprochen, haben ein eigenes grammatisches System und weisen regionale Charakteristika auf. Sie werden im Alltag verwendet und meist nur gesprochen.
Reflexion:
Überlegen Sie:
- Welche Formen der Sprache sprechen Sie in Ihrem Alltag oder in Ihrem Berufsleben?
- Wie viel Prozent des Tages sprechen Sie selbst Standarddeutsch, wie viel Dialekt?
- Beobachten Sie: Wie sprechen die Menschen, denen Sie begegnen (die Supermarktkassiererin, die Apothekerin, die Person im Callcenter, Ihre Chefin, Ihr Freund…)?
Sprache im Unterricht
Im Unterricht ist es sinnvoll, Standarddeutsch zu sprechen. Egal, in welcher Region Sie und Ihre Sprachkursteilnehmer und -teilnehmerinnen leben, ist die Standardvariante eine gute Ausgangsbasis zum Sprachenlernen. Sprechen Sie in einem normalen, nicht zu schnellen, aber auch nicht zu langsamen Tempo. Es ist gut, wenn Ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich gleich an ein übliches Sprachtempo gewöhnen. Versuchen Sie, in einfachen Sätzen zu sprechen, aber verkrampfen Sie sich nicht dabei: Wenn ab und zu ein schwieriges Wort oder eine komplizierte Konstruktion in ihren Sätzen vorkommt, macht das gar nichts. Ihre Lernenden werden Sie trotzdem verstehen oder Sie werden nachfragen.
Wenn Sie es nicht gewohnt sind, Standarddeutsch zu sprechen, sprechen Sie so, wie es Ihnen leicht fällt. Sie sind nicht die einzige Bezugsperson, die mit den Lernenden spricht, und diese werden in einem anderen Deutschkurs eine andere Lehrperson mit einer anderen Art zu sprechen kennen lernen. Die Vielfalt der deutschen Sprache drückt sich in der Vielfalt ihrer Sprecher und Sprecherinnen aus!
Sprache in Konversationsgruppen oder in informelleren Zusammenhängen
In Gruppen, in denen der Schwerpunkt auf dem Sprechen liegt bzw. in privaten Situationen mit Geflüchteten, ist die Situation wieder anders: Menschen, die neu in unserem Land angekommen sind, möchten wissen, wie man miteinander spricht, welche Formen der Gesprächskultur es gibt und wie man in einem informelleren Kontext spricht.
Reflexion:
Überlegen Sie:
- Welche Rolle spielt die Umgangssprache und der Dialekt in Ihrer Gegend?
- In welchen Situationen kommen Ihre Lernenden mit der Umgangssprache oder dem Dialekt in Berührung? Was müssen sie verstehen können? Was müssen sie eventuell auch im Dialekt sagen können, damit sie verstanden werden?
Wahrscheinlich sprechen Sie mit Ihrer Gruppe über Alltagsthemen: Wo kann man einkaufen gehen? Was muss man bei einem Arztbesuch beachten? Was sagt man, wenn man eingeladen wird? Wie kann ich den Nachbarn im Haus freundlich grüßen? Was will die Lehrerin meines Kindes mit mir besprechen?
Fragen Sie Ihre Gruppe,
- was sie im Alltag nicht versteht – das können Begrüßungen, Bitten, Aussagen von Menschen sein, aber auch Schilder, Verkehrszeichen, Aufschriften. Motivieren Sie Ihre Gruppe, mit dem Handy Aufschriften oder Piktogramme zu fotografieren und in den Unterricht mitzubringen. Das bietet einen guten Gesprächsanlass und Ihre Lernenden sind einen Schritt weitergekommen, den sprachlichen Alltag zu meistern.
- ob sie deutschsprachiges Radio hören oder auf Deutsch fernsehen. Motivieren Sie sie, dies zu tun! Beim Fernsehen kann man viel lernen. Fernsehsender bringen oft Interviews mit Menschen, die Umgangssprache oder Dialekt sprechen – das kann eine gute Übung sein.
Wie halten Sie es mit dem Dialekt?
Manche Menschen haben ein zwiespältiges Verhältnis zum Dialekt: Einerseits ist er ihnen als Familiensprache und auch als regionale Sprache ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit mit bestimmten Personen und einer Region. Er ist Teil der Identität einer Person und prägt diese. Andererseits werden Dialektsprechende in manchen Situationen schief angesehen. Dialekte anderer Regionen sind oft Anlass für Witze und werden herablassend betrachtet.
Reflexion:
Überlegen Sie:
- Wie stehen Sie selbst zu Dialekten? Finden Sie manche Dialekte „schöner“ als andere? Machen Sie sich über manche Dialekte lustig?
- Gibt es Situationen, in denen Sie Dialektverwendung völlig unpassend finden?
In den letzten 20 Jahren hat sich der Umgang mit Dialekten im deutschsprachigen Raum geändert. Dialektsprechende sind selbstbewusster geworden und es ist selbstverständlicher geworden, bei öffentlichen Auftritten, im Fernsehen oder im Uni-Seminar im Dialekt zu sprechen. Generell gilt aber noch, dass auf dem Land der Dialekt stärker vertreten ist als in der Stadt, dass ältere Menschen häufiger Dialekt sprechen als junge/Jüngere und dass in privaten Situationen der Dialekt eine größere Rolle spielt als in öffentlichen Kommunikationssituationen.
- Nehmen Sie Ihren Lernenden die Angst vor dem Dialekt. Ja, es kann sehr schwierig sein, Dialekte zu verstehen und das ist ganz normal, vor allem wenn man eine Sprache erst lernt! Geben Sie selbst Beispiele von Dialekten, die Sie nicht verstehen. Plädieren Sie für eine Offenheit für regionale Ausprägungen – vor allem, da Ihre Lernenden vermutlich nicht immer am gleichen Ort wohnen werden! Erinnern Sie Ihre Lernenden, dass es vermutlich in ihren Sprachen auch regionale Varianten gibt.
- Erklären Sie Ihren Lernenden, dass Sie nicht Dialekt sprechen müssen! In erster Linie ist es wichtig, ein paar dialektale Ausdrücke, die in einer Region häufig verwendet werden, zu verstehen.
- Für jeden Dialekt gibt es eine Handvoll Tipps, wie man ihn leichter versteht. Geben Sie ein paar Beispiele, wie man den Dialekt in Ihrer Region besser verstehen kann!
- Bringen Sie selbst Beispiele mit, die Ihnen auffallen, z.B. von Werbematerialien oder Aussprüche von Marktverkäuferinnen und erklären Sie sie ihren Lernenden.
- Wenn Ihre Lernenden Interesse an den regionalen Varianten zeigen, geben Sie konkrete Beispiele: Wer in Berlin ein Brötchen will, muss Schrippen bestellen, in Bayern und in Österreich Semmeln, im Schwabenland Weckle und im hohen Norden ein Rundstück. Ein großer Becher Kaffee kann Pott, Häferl oder Humpen heißen. Je nachdem, wo man wohnt, schnackt man mit seinen Freunden, klönt oder tratscht mit ihnen, wenn man über Alltägliches redet. Zeigen Sie Beispiele aus dem Atlas zur deutschen Alltagssprache (http://www.atlas-alltagssprache.de/) – das lässt sich auch gut mit landeskundlichen Themen verbinden.
Nutzen Sie zum Beispiel die folgenden Karten für die unterschiedlichen Bezeichnungen von: