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Neue Medien in der Erwachsenenbildung – Chancen nutzen
1. Wir können die Welt „da draußen“ in den Unterricht holen
Das Internet ist eine unendliche Bildungsressource. Wikipedia, iTunes U und MOOCs sind die Leuchttürme. Aber sie bilden natürlich nur einen kleinen Ausschnitt aus den Bildungsangeboten, die im Netz heute für unzählige Themen und in unzähligen Formaten bereitgestellt werden.
Diese Ressourcen können den Unterricht ergänzen, vertiefen, können Aufhänger für Aufgaben und Diskussionen bilden, können verlinkt und eingebunden („embedded“) werden und so eine aktuelle, dynamisch wachsende „Kurs-Bibliothek“ im Netz darstellen. Die Arbeit mit den Bildungsressourcen im Netz wird natürlich erleichtert, wenn diese offen zugänglich sind und von Interessierten genutzt, verarbeitet und weitergegeben werden dürfen. Solche frei zugänglichen Bildungsressourcen werden als „Open Educational Resources“ (OER) bezeichnet. OER werden von ihren Urhebern häufig mit einer Lizenz gekennzeichnet, z.B. einer Creative-Commons-Lizenz, die den Benutzern genau anzeigt, wie sie mit den Bildungsmaterialien umgehen dürfen.
Aber das ist nur der Anfang: Wir können die Welt „da draußen“ auch live in Bildungsveranstaltungen einbinden. Das beginnt beim Hashtag, der für eine Bildungskonferenz genutzt wird und über den sowohl „nach draußen“ gesendet als auch „von draußen“ empfangen werden kann; und das muss beim Vortrag eines externen Referenten nicht aufhören, der via Webinar einem Seminar zugeschaltet wird.
2. Wir können die Übermittlung von Informationen aus der Präsenzzeit auslagern
In vielen Lehrveranstaltungen konzentriert sich das Geschehen auf die Experten. Sie vermitteln den Lehrstoff, die Teilnehmenden hören die meiste Zeit zu. Dann gibt es Übungsaufgaben, um zu Hause und für sich den Stoff zu wiederholen. Mehr und mehr Pädagogen sehen dieses Konzept kritisch und fragen, ob die Zeit, die Lehrende und Lernende zusammen verbringen, nicht sinnvoller genutzt werden kann. Eine Antwort steckt im Konzept des „Flipped“ bzw. „Inverted Classroom“, dem „umgedrehten Klassenzimmer“: Der Lehrende nimmt den Stoff auf, den er vermitteln will, indem entweder eine Live-Veranstaltung abgefilmt wird oder am heimischen Notebook die Inhalte aufgezeichnet werden. Diese Aufzeichnungen und Filme stehen den Lernenden online zur Verfügung, und ihre Hausaufgabe ist es, sich mit Hilfe dieser Materialien auf den Präsenzunterricht vorzubereiten. Im Unterricht selbst werden diese Aufgaben diskutiert, neue Aufgaben gestellt, oder es wird in Gruppenarbeiten der Stoff vertieft. Unterricht und Hausaufgaben werden also vertauscht. Die Idee ist so einfach wie überzeugend, dass Jürgen Handke, Anglistikprofessor an der Philipps-Universität Marburg, für seine Umsetzung des Konzepts 2015 den renommierten "Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre" erhalten hat.
Und auch in der betrieblichen Weiterbildung ist diese Form des Zusammenspiels von Online und Offline nicht unbekannt. Hier ist dann in der Regel von Blended Learning die Rede.
3. Wir können aus Kursteilnehmenden eine Community von Lernenden entwickeln
Weiterbildung ist traditionell ein termingebundenes Ereignis, ein Seminar, das besucht wird, oder eine Folge von Seminaren in Form eines Kurses. Die neuen Medien bieten jedoch vielfältige Möglichkeiten, Lernen als Austausch zu konzipieren, der über die bekannte Lehrveranstaltung hinausgeht.
Das beginnt mit einer Gruppe, die auf einer Kursplattform für die jeweilige Lehrveranstaltung eingerichtet wird. Anschließend werden die Teilnehmenden eingeladen, sich auf der Kursplattform anzumelden, ihr Profil auszufüllen und sich möglicherweise bereits untereinander zu vernetzen. Eine Agenda sowie Informationen über den Kursverlauf, die eingesetzten Medien und Methoden stehen ihnen zur Verfügung; erste Materialien zur Vorbereitung sind verlinkt.
Erstreckt sich der Kurs über einen längeren Zeitraum, bildet die Gruppe im Netz die zentrale Anlaufstelle für Ressourcen, Aufgaben, Feedback und die weitere Kurskommunikation. Idealerweise unterstützt die Kursplattform die Funktionen, die die Teilnehmenden aus ihren sozialen Netzwerken kennen und bietet ihnen so Möglichkeiten, selbst in Foren und Blogs aktiv zu werden, eigene Beiträge zu erstellen und Ressourcen im Netz zu verlinken.
Natürlich wird auch auf diese Weise nicht aus jedem Kurs eine aktive Community. Aber Referenten und Trainer, die sich auch als Moderatoren, Lernprozessbegleiter und Community Manager verstehen, unterstützen auf diese Weise das informelle, selbstorganisierte Lernen ihrer Teilnehmenden, auch wenn es am Ende des Tages auf Facebook, Twitter, Xing oder LinkedIn fortgeführt wird.
4. Wir können Teilnehmende in Ideengeber und Problemlöser verwandeln
Wer heute ein Seminar oder einen Workshop gestaltet, kann auf einen gut gefüllten Werkzeugkasten an aktivierenden Methoden und Instrumenten vertrauen. Mit ihnen werden Lernende motiviert, ihre eigenen Erfahrungen und Vorstellungen einzubringen. Auch hier gilt: Sind Referenten und Trainer bereit, die verschiedenen Plattformen und Tools im Netz in die Konzeption ihrer Bildungsmaßnahmen einzubeziehen, erweitert sich ihr Spektrum.
Wer zum Beispiel Literatur zum Kursthema zusammenstellt, kann Teilnehmende einladen, eigene Fundstücke in einem Wiki oder einem Social Bookmarking-Tool zu ergänzen. Hausaufgaben können mit Ideenwettbewerben verknüpft werden: Man lässt die Teilnehmenden eigene Vorschläge formulieren, z.B. in einem Diskussionsforum, und dann über die attraktivsten Lösungen abstimmen. Das Netz bietet hier eine Palette von Möglichkeiten, die vom einfachen „Like“ bis zu eigenständigen Plattformen für entsprechende Umfragen reichen. Wenn die Medienkompetenzen der Teilnehmenden weiter reichen, können ihre Beiträge natürlich auch als Grafiken, Audios oder Videos erstellt und mit anderen geteilt werden. Und im abschließenden Webinar des Kurses wechselt die Rolle des Moderatoren vom Referenten auf die Teilnehmenden.
Übrigens sind auch die BarCamps, in denen Besucher Ablauf und Inhalte einer Veranstaltung selbst organisieren, genau aus dieser Idee entstanden, stärker die Erfahrungen und Kompetenzen aller einzubeziehen.
Die Herausforderungen
Die hier geschilderten Potenziale des Lehrens und Lernens mit neuen, digitalen Medien müssen natürlich aktiv aufgegriffen und gestaltet werden. Sie gehen mit zum Teil einschneidenden Veränderungen in der Bildungsarbeit einher: neue Kompetenzen, neue Rollen und Aufgaben, neue Lernumgebungen, neue Geschäftsmodelle.
Doch das Lernen mit neuen, digitalen Medien wird ja an vielen Stellen bereits erfolgreich und selbstverständlich praktiziert. Und das Netz spielt uns auch an anderer Stelle in die Hände: Als Bildungsexperten können wir viele dieser Konzepte und Formate sofort ausprobieren und üben, bevor wir sie selbst einsetzen. Fest steht, dass die Digitalisierung in der Weiterbildung unumkehrbar ist. Bildungsinstitutionen sind deshalb gefordert, ihre eigenen Angebote immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, um auch zukünftig den Anforderungen und Bedürfnissen ihrer Zielgruppen gerecht werden zu können.
(Gekürzte Fassung von „Chancen und Potenziale neuer Medien in der Erwachsenenbildung“, erschienen in: Zentrum Bildung der EKHN/ Erwachsenenbildung und Familienbildung (Hrsg.): Wie digitale Medien Bildung verändern. Herausforderungen, Chancen und Projektideen. Darmstadt, Mai 2016)