Blog

Adaptive E-Assessments zur Erfassung des Lernstandes in Weiterbildungskursen

Von Dr. Christian Spoden (spoden@die-bonn.de)

Tastatur mit Quiztaste

Bild von ID 472301 auf Pixabay

Digitalisierung in der Erwachsenenbildung, das sind Lehrplanungs-Apps, digitale Lernumgebungen und ganz viel Internet? Nicht nur: Adaptive E-Assessments zur Erfassung des Lernstands werden in ihrem Nutzen unterschätzt. Hier werden einige Vorteile dieser Instrumente vorgestellt.

Wenn Trainer*innen an Digitalisierung in ihrem Feld denken, dann möglicherweise im Hinblick auf Internetrecherche, digitale Lehrplanungs-Apps und vielleicht sogar die Nutzung von digitalen Lernumgebungen. Die Möglichkeiten, digitale Instrumente für die Diagnose des Lernstands der Teilnehmenden zu nutzen, scheinen seltener diskutiert zu werden, obwohl nicht zuletzt in diesem Bereich die Vorteile digitaler Formate gut nachvollziehbar sind. Denn tatsächlich nutzen Trainer*innen ja bereits heute interaktive Präsentationssoftware, um über eine Quiz-, Abstimmungs- oder Frage und Antwort-Funktion nicht nur eine unmittelbare Rückmeldung zum Kursgeschehen, sondern auch Rückmeldungen zur Verständlichkeit der vermittelten Kompetenzen und zur Kontrolle des Lernerfolgs zu erhalten. Was bei diesen Apps spielerisch daherkommt, ist oftmals gar nichts anderes als eine spezielle Form des (formativen) Assessments. Und was wäre auch die Alternative, um unmittelbare Rückmeldungen aller Kursteilnehmenden zum Lernerfolg zu erhalten: Sich in einer Pause in die Ecke setzen und Zettelfluten mit Antworten von Hand auszählen?

Was bringt eine digitale Lernstandsdiagnostik?

Tatsächlich hat die Lernstandsdiagnostik mit digitalen Instrumenten in den letzten Jahren eine mindestens so rasante Entwicklung genommen wie jene in den zuvor genannten Feldern des Lehrens und Lernens. Mit Hilfe der Learning Analytics werden zum Beispiel digital-gestützte Analysen erzeugt, die den individuellen Lernstand und -fortschritt fortwährend darzustellen vermögen. Dies wird natürlich auch wissenschaftlich begleitet. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte Forschungsprojekt LernStandPD (https://digi-ebf.de/lernstandpd) geht aktuell beispielsweise der Frage nach, wie unter Einbezug von Learning Analytics pädagogische Konzepte für Beratungsangebote in der beruflichen Ausbildung für den Pflegebereich erstellt werden können.

Darüber hinaus wurden sogenannte adaptive, also an den individuellen Lernstand angepasste E-Assessments erarbeitet, die einige signifikante Vorteile gegenüber klassischen papierbasierten Assessments beinhalten, darunter:

  • geringerer Zeitaufwand zur Vorbereitung der Testinstrumente durch elektronische Vorlagen, zum Teil sogar automatisierte Erstellung von Aufgaben auf Basis dieser Vorlagen
  • unmittelbare Rückmeldung mit Aufbereitung der Ergebnisse in aussagekräftigen, übersichtlichen Abbildungen und Tabellen nach automatisierter Auswertung durch den Computer entsprechend vorgegebener Schemata
  • erleichterte Erstellung individualisierter Tests, zum Beispiel durch Anpassung des Schwierigkeitsniveaus an vorangegangene Antworten, Auswahl von Aufgaben im individuellen Fähigkeitsbereich der Lernenden und Auslassung von zu leichten oder zu schwierigen Aufgaben (wissenschaftlich unter dem Label „computerisiertes adaptives Testen“ aufgearbeitet; z.B. Frey, 2020)
  • authentische Testaufgaben durch Nutzung hochauflösender Abbildungen, Audio- und Videosequenzen, sowie – denkbar, wenngleich bisher nur eingeschränkt realisiert – von Computersimulationen und Virtual Reality, die etwa für technische Anwendungen in der betrieblichen Weiterbildung relevant sein können
  • leichte Wiederverwendbarkeit des Tests, sobald dieser einmal im digitalen Format vorliegt

Adaptive E-Assessments lassen sich übrigens sehr gut mit aktuellen Konzepten der Kompetenzdiagnostik verbinden, die ja gerade auf Fähigkeiten und Fertigkeiten in authentischen Kontexten und unter Berücksichtigung der für den konkreten Inhaltsbereich jeweils relevanten Anforderungen abzielt (z.B. Spoden, Frey, Fink & Naumann, 2020).  

Nutzen in der Erwachsenenbildung

Es existieren in verschiedenen Bildungsbereichen bereits eine ganze Reihe von Anwendungen für adaptive E-Assessments, beispielsweise bei großen Vergleichsstudien wie PISA (OECD, 2019) oder in der Hochschulbildung als adaptive E-Klausuren (Spoden, Frey, Fink & Naumann, 2020). In der Erwachsenenbildung lassen sich adaptive E-Assessments als einleitende Lernstandsdiagnostik, unter Einbezug eines geeigneten Rückmeldekonzept für die Diagnose des Lernfortschritts im Kurs, aber natürlich auch summativ für Prüfungen einsetzen (engl.: E-Examinations). Der EULE Lernbereich hier auf wb-web nutzt bspw. im Verlauf eines Lernpfades interaktive Aufgaben, um Nutzende bei Bedarf (d.h. bei nicht Erreichen einer bestimmten Punktzahl) wiederholende oder auch vertiefende Inhalte auszugeben und so den Lernprozess in der digitalen Umgebung adaptiver zu gestalten. Der Einsatz bei summativen Assessments ist zum Beispiel bei zertifizierten und damit üblicherweise an Prüfungen gebundenen Kursen der Volkshochschulen und privater Anbieter sinnvoll. Dies kann sich konkret sowohl auf Kurse zur Entwicklung computernaher Kompetenzen (z.B. IT-Kompetenzen) beziehen; es kann aber auch Kurse zur Vermittlung allgemeinerer Fertigkeiten bereichern, die zunehmend auch im digitalen Raum von Bedeutung sind oder bei denen das digitale Format signifikante Vorteile im Assessment mit sich bringt. Man denke etwa an die Nutzung authentischen Audio- oder Videomaterials bei der Erfassung (fremd-)sprachlicher Kompetenzen. Der Einsatz adaptiver E-Assessments ist zum Beispiel auch bei Vorbereitungskursen auf IHK-Prüfungen oder bei Kursen zum Nachholen von Bildungsabschlüssen sinnvoll, bei denen die späteren Prüfungen eine entsprechend große Rolle spielen und die deshalb oft in den Kursen simuliert werden.

Digitalen Bildungsangeboten wird großes Potential zur Förderung höherer Bildungsteilhabe zugesprochen (vgl. hierzu auch das ebenfalls vom BMBF finanzierte Forschungsprojekt DigiGo: https://digi-ebf.de/digigo). E-Assessments als Instrumente der einleitenden Lernstandsdiagnostik, zur Erfassung des Lernfortschritts oder für die Zertifizierung von Abschlüssen gliedern sich als einer von verschiedenen digitalen Bausteinen sehr gut in diese heute bereits stark individualisierten und flexiblen Bildungsangebote ein. Es macht jedoch kaum Sinn, ein digitales Format allein im Sinne des Selbstzwecks zu nutzen – quasi, „weil gerade Digitalisierung ist“. Mit diesem Beitrag soll vielmehr darauf hingewiesen werden, dass adaptive E-Assessments mit zahlreichen Vorteilen wie etwa authentischen Tests (gerade bei computernahen Inhalten), der Auswahl der Lern- und Prüfungsaufgaben im Fähigkeitsbereich der Lernenden, darauf aufbauend der genauen Erfassung der Kompetenzausprägung und individueller Entwicklungsmöglichkeiten, sowie schließlich auch Möglichkeiten der Entlastung durch Automatisierung frischen Wind in die Lernstandsdiagnostik bringen.  


Quellenangaben

Frey A. (2020). Computerisiertes adaptives Testen. In: H. Moosbrugger & A. Kelava (Hrsg.), Testtheorie und Fragebogenkonstruktion (3. Aufl., S. 501-524). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61532-4_20

OECD (2019), PISA 2018 Results (Volume I): What Students Know and Can Do. Paris: PISA, OECD Publishing. https://doi.org/10.1787/5f07c754-en.

Spoden, C., Frey, A., Fink, A. & Naumann, P. (2020). Kompetenzorientierte elektronische Hochschulklausuren im Studium des Lehramts. In K. Kaspar, M. Becker-Mrotzeck, J. Hofhues, J. König & D. Schmeinck (Hrsg.), Bildung, Schule und Digitalisierung (S. 184-189). Münster: Waxmann. Verfügbar unter: https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&buchnr=4246


Das könnte Sie auch interessieren

Pädagogische Diagnostik

Wer sind meine Lernenden? Wo stehen sie? Wo gehen wir wie gemeinsam hin?

Die Pädagogische Diagnostik zählt zu den Kernkompetenzen der Lehrenden. Als einflussreichste Kraft im Lehr-Lernprozess müssen Lehrpersonen wahrnehmen, was Lernende denken, wissen und darüber hinaus, wie jede/r Einzelne am wirkungsvollsten lernt.

Zum Wissensbaustein

Lernbarrieren vermeiden - Lernerfolg steigern

Lernbarrieren können im Kurs, in der Bildungsmaßnahme selbst entstehen. Es ist daher sinnvoll, schon bei der Kursvorbereitung mögliche Felder zu antizipieren, die für das Entstehen von Lernbarrieren verantwortlich sein können. Warum nicht den Lernenden selbst etwas an die Hand geben, damit sie ihren Lernerfolg selbstverantwortlich mitsteuern können?

Zur Checkliste

Lernerfolg: Kontrolliert und motiviert zum Ziel

Frau an der Tafel, die sich freut

Lernerfolg motiviert, zeichnet aus, gibt Auskunft, macht sichtbar, kontrolliert und überprüft. Lernerfolg wirkt sich auf die Lernenden genauso aus wie auf Lehrpersonen und das Umfeld der Kursbeteiligten: Gründe genug, Lernerfolg erkennen, einschätzen und sichtbar machen zu wollen. Dabei ist Lernerfolg gar nicht so leicht zu beschreiben. Jeder versteht etwas anderes darunter und was hat eigentlich der Leistungsgedanke damit zu tun?

Zum Lernpfad