Handlungsanleitung

Vermittlung von Literatur

In dieser Handlungsanleitung wird die Arbeit der Freien Literaturwerkstatt Siegburg beschrieben, die nicht  den Definitionen einer Schreib-  und Literaturwerkstatt entspricht. Sie richtet sich an Lehrende,  die Impulse für ihre eigenen Angebote suchen.

Individuelle Aneignung der Kenntnis und Umsetzung von eigener Literatur hat den Vorteil, dass das Lerntempo selbstbestimmt ist; sie hat den Nachteil, dass ein Korrektiv von Verständnis und Werk entfällt.

So stellt sich die Frage, ob es eine Form der Vermittlung gibt, die beiden Vorstellungen in wesentlichen Teilen gerecht wird.

Freie Literaturwerkstatt

Eine  andere Form der Vermittlung bietet sich als Freie Literaturwerkstatt an, wenn sie bestimmten Kriterien folgt.

1 - Literaturwerkstatt bedingt eine leitende Person, die Abläufe und Inhalte organisiert und Themen und Umgang mit ihnen wesentlich vorgibt. Der Spielraum der Teilnehmenden ist bei dieser seminarähnlichen Abwicklung relativ klein. Das kreative Potenzial Einzelner bleibt in seiner Entfaltungsmöglichkeit beschränkt.

Vorteil: Der Lernfortschritt bei den vorgegebenen Inhalten ist rein äußerlich nachweisbarer und messbar größer.

Nachteil: Persönliche Interessen und Schwerpunkte bleiben unberücksichtigt, Unfreiheit behindert kreativen Mehrwert.

2 - Freie Literaturwerkstatt verzichtet nicht auf eine ‚Leitung‘, aber bedingt, dass diese bei der inhaltlichen Themensetzung außen vor bleibt und sich bei der Diskussion der von den Teilnehmenden frei angebotenen Beiträge sowohl bezüglich seiner Erst-Beurteilung zurückhält und den Teilnehmenden den Meinungsvortritt offenhält. Die Leitung legt ihre abschließende Beurteilung nicht persönlich aus, sondern misst diese allein an wissenschaftlich orientierten Kriterien (z.B. Kurzgeschichte vs. kurze Geschichte), ohne zu lehrhaft oder theoretisch zu werden, um nicht das gewollte ‚Freie‘ und damit Individuelle und Kreative einzuschränken.

Eine mögliche Form des Ablaufs

Von einem zum nächsten Werkstatttermin werden keine Aufgaben gestellt. Es wird weder ein Thema vorgegeben, noch vom Einzelnen verlangt, dass sie oder er liefert. Der Vorteil: Teilnehmende sind ihr eigener Motivator und bewegen sich ‚aktiv‘ in dem Genre, das ihrem Schreibtalent entspricht. Die Teilnehmenden sind ‚frei‘, auch bei der Präsentation.

Wer einen Text geschrieben hat, liest ihn vor und stellt ihn somit zur Diskussion. Das erfordert Mut und Vertrauen darein, dass die anderen Teilnehmenden mit dem Text respektvoll umgehen und ihn gesamtinhaltlich und in Einzelformulierungen ‚würdigen‘ und ihre Beiträge als Hilfen verstehen. Die vorsichtig ordnende Hand der Leitung kümmert sich um eine vertiefende Diskussion und versucht eine Einordnung des Beitrags in den literarisch-wissenschaftlichen Kanon anhand seiner verwendeten Charaktermerkmale; sinnvoll ist eine solche Stil/Genre-Orientierung, um eine Vertiefung oder Wiederholung nachvollziehbar möglich zu machen.

Das „Frei“ in Freie Literaturwerkstatt bedeutet nicht, dass der Schreibfluss nicht in regulierten Ufern fließt, sondern dass sich das Literatur ausmachende kreative Urelement unbehindert, aber bewusst und somit trotzdem ‚frei‘ entfalten kann. 

Diese Ufer oder Regeln dienen zum einen bei der Entstehung eines Werks als Struktur und zum anderen seiner Beurteilung und basieren dabei auf den Kriterien, die sich im Laufe der Kulturgeschichte entwickelt und in Perioden fortschreitend verändert haben.

Fazit

Kreativität in Form, Inhalt und Sprache als Grundelement von Literatur ist nur möglich, wenn äußere wie innere Freiheit gewährleistet ist. Eine mögliche Form des Umgangs ist die Freie Literaturwerkstatt.

CC BY SA 3.0 DE by Klaus Dewes für wb-web