Der Autor Olaf Zimmermann, langjähriger Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, zeichnet ein umfassendes Bild der Kulturlandschaft zwischen Herausforderungen und Barrieren, Vorbehalten und Chancen. In seinem kulturpolitischen Pflichtenheft betrachtet er hierzu die Spannungsfelder zwischen Akteuren, Politik und Finanzen.
In elf Kapiteln gelingt es dem Autor Ansprüche, Abhängigkeitsverhältnisse und Entwicklungen darzustellen. Das Pflichtenheft hält eine Momentaufnahme parat, um daraus die Aufgaben für zukünftige Entwicklungen abzuleiten und auch einzufordern. Das kulturpolitische Pflichtenheft ist daher eine wahre Fundgrube für Menschen aus der politischen oder kulturellen Bildung.
Inhalt
Das Thema „Werte“ bildet die Basis der heutigen Kulturarbeit. Der Autor beschreibt rechtliche Rahmenbedingungen, aber auch die Verantwortlichkeiten Kulturschaffender sowie Kulturvermittelnder wie z.B. Kurator*innen. Zudem zeigt er die Rolle des Bürgerschaftlichen Engagements als Grundlage für Demokratie, und die Bedeutung des Begriffs „Heimat“ in der und für die Kulturarbeit.
Im zweiten Kapitel stellt der Autor verschiedene Kunstbereiche und ihre Spannungsfelder vor – „kleinteilig, differenziert, kreativ und extrem verletzlich“ (Zimmermann 2023). Vor dem Hintergrund der Coronapandemie zeigt der Autor die Entwicklungen in einzelnen Teilen wie z.B. Mode oder Computerspiele auf. Er beschreibt die Anspruchshaltung beeinträchtigter Künstler*innen, die wegen ihrer künstlerischen Qualität wahrgenommen werden möchten, nicht aber wegen ihrer Behinderung.
Medien wie das Radio bieten Gesprächsstoff für Abhängigkeiten, Informationen und gesellschaftspolitische Entwicklungen wie Zusammenhalt oder Spaltung.
Im vierten Kapitel stehen der Handel im Fokus und die Frage „Ware Kunst“ oder „wahre Kunst“ im Raum. Der Autor beschreibt den Kampf um den Endkunden auf dem Buchmarkt, sowie das zuweilen schwierige Verhältnis zwischen Künstler, Händler, Sammler und Kritiker. Dem Umgang mit kolonialem Unrecht in Afrika folgt der Forderung nach der Öffnung der Kulturmärkte. So sieht Zimmermann eine Vielzahl in Deutschland unbekannter Künstler*innen, die zum einen voller Innovationen stecken und zum anderen, losgelöst von der kolonialen Vergangenheit, neue, eigene Wege gehen.
Im fünften Kapitel fordert der Autor mehr Spielräume für das Besondere an Universitäten sowie mehr Mut zur Kooperation zwischen kultureller und politischer Bildung. Oft, so Zimmermann, gibt es Überschneidungen, z.B. bei Gedenkstätten. Hier sieht der Autor viel Potenzial für eine gemeinsame Arbeit.
Religionen und der Umgang mit Jüdischem Leben und Muslimen werden im sechsten Kapitel thematisiert, wie auch der Kolonialismus und die Entwicklung vom Zweiten Vatikanischen Konzil zum Synodalen Weg. In seinem Pflichtenheft nimmt der Autor die Frage nach dem aktuellen gesellschaftspolitischen Zusammenleben auf. Wie ist das Jüdische Leben heute? Welchen Platz nehmen Muslime ein, welchen der Islam? Der Punkt Kolonialismus und Mission beleuchtet den Mitgliederschwund der Kirchen und der Arbeit dagegen. Beiden Religionen, Islam und Christentum, liegt die Aufgabe der Weiterverbreitung auf. Wird die christliche Missionsarbeit in Deutschland wichtig? Im letzten Unterpunkt stehen sich die gesellschaftliche und die kirchliche Entwicklung gegenüber. Wie schwer sich manch Kirchenvertreter mit Gleichberechtigung und Öffnung tut, zeigt der Blick auf den schleichenden, wenn nicht stehenden Entwicklungsprozess der Kirche. Der Autor fordert eine neue Auseinandersetzung mit der kulturprägenden Kraft des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Erinnerungen werden in Denkmälern, Museen, Industriekultur, Archiven und Erinnerungsorte festgehalten. Zimmermann wünscht eine neue Betrachtung von Denkmälern. Welche Bedeutung hatten sie zu ihrem Entstehungszeitraum und welche haben sie in der heutigen Zeit im Rückblick? Müssen sie neu interpretiert werden? Museen sind mehr als Ausstellungsorte. Heute agieren viele als Forschungsmuseen, laden ein zum Erleben und auch zum eigenen Erforschen. Die Frage ist, wie können potenzielle Besucher für einen Besuch gewonnen werden? Der Umgang mit Industriedenkmälern ist eine weitere Fragestellung. Wenn das Exil zu einem Erinnerungsort wird – viele Künstler*innen mussten und müssen ihre Heimat verlassen und können oft erst Jahre später wieder zurückkehren. Welche Sorgen sie treiben, welche (finanziellen) Nöte das Leben erschweren und welche Belastungen sie ausgesetzt sind, sieht Zimmermann als Arbeitsfeld für die Kulturelle Bildung.
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem Umgang und der Monetarisierung Digitaler Kunst. Wie geht man mit Meinungsfreiheit in der digitalen Welt um und wie kann die digitale Welt zivilisiert werden?
Dass Natur und Kultur keine Gegensätze sind, beschreibt der Autor in einem weiteren Kapitel. So nimmt er den Umgang mit der Natur wie z.B. den Kampf gegen die Lichtverschmutzung in sein Pflichtenheft auf.
Nachhaltigkeitsziele sind für ihn ein Teil und Aufgabe der Kulturellen Bildung. Hierbei bezieht er sich u.a. auf Ziele für den Naturschutz und das Klima, aber auch auf die Bedeutung des Klimawandels für kulturelle Einrichtungen. Der Umgang mit Wasser sowie auch die Stadtentwicklung betrachtet der Autor ebenso als Aufgaben der Kulturellen Bildung.
Das Buch schließt mit dem Kapitel „Krieg“. Olaf Zimmermann nutzt dies, um einen Friedensapell auszurufen. So richtet er den Blick auf die Netzwerke der Kunst und Kultur, ihre Beteiligten und eine Zeit nach dem Krieg. Wie gehen wir wieder aufeinander zu und gestalten gemeinsam die Zukunft?
Fazit
Das Pflichtenheft von Olaf Zimmermann fordert vielfältige wie notwendige Entwicklungen in den vielen Facetten der Kultur(politik). Jeder Beteiligte, sei es Künstler, Politiker oder Rezipient, ist gefordert, sein Handeln zu überdenken und anzupassen. In der Gesamtschau stellt das Pflichtenheft die gesellschaftspolitisch akuten Baustellen vor. Handlungsbedarf besteht und dazu gibt es hier Fragestellungen und Anregungen sowie Forderungen.