Arbeit spielt eine zentrale Rolle im Leben von Erwachsenen, insbesondere von Zugewanderten. Arbeit ermöglicht ihnen, sich ein neues Leben aufzubauen. Sie ist zudem ein Schlüssel zur Integration. In der modernen Arbeitswelt sind Kommunikation und Sprache zentrale Bestandteile der Arbeit für alle Beschäftigen, in allen Branchen und auf allen Positionen geworden. Warum dann nicht die Zweitsprache dort fördern, wo sie von Zugewanderten und Einheimischen benutzt wird? Am Arbeitsplatz!
Migration in Europa: facts and figures
In den EU-Staaten leben bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 512 Millionen Menschen über 20 Millionen Drittstaatsangehörige. Rund 35 Millionen wurden außerhalb der EU geboren und 16 Millionen besitzen die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaats, als desjenigen, in dem sie leben (Population and population change statistics).
Die meisten erwachsenen Zugewanderten tragen zu der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes, in dem sie leben, bei – viele seit Jahrzehnten. Dieser Trend wird sich in der nahen Zukunft aufgrund demographischer Entwicklungen nicht ändern. Trotz ihrer Leistungen sind Zugewanderte überproportional in schlecht bezahlten, gefährlichen und wenig attraktiven Jobs beschäftigt. Sie sind überproportional von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen und die meisten sind für ihre Beschäftigung überqualifiziert, wie eine vergleichende Studie in 24 EU-Ländern belegt (Stirling 2015).
Die OECD sieht in dem Rechtsstatus der Zugewanderten und in dem Arbeitsrecht der Gastländer die größten Barrieren zu deren Integration in den Arbeitsmarkt. Als dritte Ursache werden “unzureichende Sprachkenntnisse” benannt (OECD 2006: 37 zitiert von Stirling 2015: 6). Die mangelnde Integration und der Verlust von potenziellen Arbeitskräften wirkt sich negativ nicht nur auf die einzelnen Individuen, sondern auf die gesamte europäische Wirtschaft aus: „ein Phänomen, das angesprochen werden muss, insbesondere im Kontext des zunehmenden Mangels an qualifizierten Arbeitskräften in vielen europäischen Ländern“ (Stirling 2015: 1, eigene Übersetzung).
Der Arbeitsplatz als Sprachlernort
Die sprachliche Integration von erwachsenen Zugewanderten ist dann nicht nur ein sozialer, sondern auch ein ökonomischer Imperativ, der eine globale Herausforderung für alle europäische Länder darstellt. Es gibt selbstverständlich nicht die eine Lösung für die komplexe Interaktion vieler Faktoren, die von Land zu Land große Unterschiede aufweisen. Eine Antwort liegt jedoch sicherlich in der Förderung der Kenntnisse der berufs- und arbeitsplatzbezogenen Zweitsprache.
Insbesondere nach der Zunahme der Zuwanderungszahlen durch Flüchtlinge in den letzten zwei Jahren ist dieses Thema auf der Agenda von Politik, Forschung und Praxis in vielen europäischen Ländern zu finden. Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung e.V. (DIE) hat schon vor Jahren mit dem von der VolkswagenStiftung geförderten Projekt „Deutsch am Arbeitsplatz“ (2007 bis 2009) empirisch fundierte Grundlagen für die Beschreibung sprachlich-kommunikativer Anforderungen am Arbeitsplatz geschaffen.
In vielen Ländern werden zunehmend non-formale und informelle Lernarrangements entwickelt und erprobt, wie beispielsweise Sprachmentorinnen und -mentoren in der Altenpflege in Schweden. Innovative Ansätze wie das „non-directive coaching“ werden auch in der arbeitsplatzbezogenen Zweitsprachförderung umgesetzt. Die aus der beruflichen Weiterbildung bekannten Kooperationen zwischen Bildungsanbietern, Wirtschaft und Gewerkschaften werden jetzt auch in dem Bereich der Zweitsprachförderung benötigt.
Das Netzwerk Language for Work
Um diese innovativen Entwicklungen bekannt zu machen, interessierte Kolleginnen und Kollegen aus Forschung und Praxis zu vernetzen und sich gegenseitig zu unterstützen, hat eine kleine internationale Gruppe die Initiative ergriffen und mit der Unterstützung des Fremdsprachenzentrums des Europarats in Graz ein internationales Netzwerk ins Leben gerufen. Das Language for Work (LfW) zählt zurzeit 120 Mitglieder aus 29 Ländern (inkl. Kanada und Neuseeland). Deutschland ist neben zahlreichen Privatpersonen durch die Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch im IQ Netzwerk repräsentiert.
Die Datenbank des Netzwerks bietet aktuelle, internationale, wissenschaftliche und praxisnahe Beiträge. Beim letzten erarbeiteten Produkt handelt es sich um einen Leitfaden mit Grundinformationen und praktischen Hinweisen zur Förderung der Zweitsprache im Kontext der Arbeit für Fachkräfte aus der Sprachförderung, der berufliche Aus- und Weiterbildung, der Personalentwicklung und der Arbeitsvermittlung und -förderung. Die deutsche Übersetzung dieses Leitfadens wird demnächst im Internet abrufbar sein. Darüber hinaus werden zwei weitere Leitfäden ins Netz gestellt: ein Ideengeber für Fachkräfte und ein weiterer für Mitarbeitende der Verwaltung, um Kommunikationsbarrieren im Amt abzubauen.
International wird das LfW-Netzwerk zunehmend als wichtiger Ansprechpartner angesehen und zu Fachveranstaltungen eingeladen. Der Europarat lud fünf Netzwerk-Mitglieder dazu ein, ihre Beiträge bei dem Symposium The linguistic integration of adult migrants: lessons from research, in Straßburg 2016 zu präsentieren. Im Mai 2017 stellte Matilde Grünhage-Monetti, frühere Mitarbeiterin des DIE, die Arbeit des Netzwerks bei dem „Symposium Language and the UN, Language, the Sustainable Development Goals, and Vulnerable Population“ in New York vor.
Darüber hinaus bekommen Netzwerkmitglieder vermehrt Anfragen nach Beiträgen von Fachzeitschriften und Verlagen. Aktuell arbeiten sie an einem Buch für den Turiner Verlag Loescher, in dem sie über ihre wissenschaftlichen bzw. praktischen Erfahrungen berichten. Das Band Lingua e lavoro (dt.: Sprache und Arbeit) erscheint in Frühjahr 2018.
Fall Sie Interesse an dem Themenbereich Sprachliche Integration von Zugewanderten in und durch die Arbeit haben, können Sie die LfW-Website besuchen. Hier finden Sie eine Datenbank und können Mitglied werden. Die Mitgliedschaft ist kostenfrei. Lassen Sie sich von der Vielfalt und den Unterschieden der Ansätze inspirieren, um eigene innovative und lokale Antworten zu einer globalen Herausforderung zu entwickeln.
CC-BY-SA 3.0 by Matilde Grünhage-Monetti für wb-web