Blog

Ein offener Brief: MILLA, Schulcloud und das offene Netz

Grafik für Unternehmesentwicklung

Am 05.11. wurden im Rahmen der Klausurtagung der CDU Überlegungen zu MILLA, einer Bildungs-Plattform für lebenslanges Lernen, vorgestellt. Wir haben uns das Konzept angesehen und in den Kontext anderer Plattformen für Bildung in Deutschland gesetzt, insbesondere mit einem Blick auf das offene Netz, freie Inhalte und freie Software. 

Im Rahmen der Klausurtagung der CDU am 5. November 2018 hat die CDU Ihre Pläne zum Projekt MILLA vorgestellt. MILLA wird als „Modulares Interaktives Lebensbegleitendes Lernen für Alle” und in der Pressemitteilung der Arbeitskreises Zukunft der Arbeit der CDU als „Netflix für Bildung” proklamiert. Die begleitende Berichterstattung spricht von einer Investition i.H.v. 3 Mrd. Euro pro Jahr für eine bundeseinheitliche Plattform, auf der verschiedene Einrichtungen  ihre Weiterbildungsangebote anbieten und Nutzerinnen und Nutzer über ein Punktesystem für die Teilnahme an verschiedenen Angeboten belohnt und ausgezeichnet werden sollen.

Dass die derzeit stärkste bundesdeutsche Partei bereit ist, eine erhebliche Investition in Chancen für lebenslanges Lernen zu diskutieren, ist bemerkenswert. Wichtig ist jetzt, das Konzept mit Teilhabe von Expertinnen und Experten in der Zivilgesellschaft zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Alle Interessierten, insbesondere aber an die CDU und die Abgeordneten Thomas Heilmann, Marc Biadacz, Antje Lezius und Kai Whittaker, laden wir herzlich zum Gespräch darüber ein und stehen für Nachfragen gern zur Verfügung.

Was wir im Konzept MILLA gern sehen würden:

In dem Jahr, in dem Sie das bundesweite „Netflix für die Weiterbildung” vorstellen, sahen sich Bildungsplattformen auf Länderebene wie ella in Baden-Württemberg und logineo in NRW vor erhebliche Probleme gestellt. Projekte wie die im Koalitionsvertrag erwähnte Schulcloud des Hasso-Plattner-Instituts werden noch beweisen müssen, dass sie auch jenseits von einem Einsatz in bereits als gut ausgestattet geltenden MINT-EC Schulen skalieren. Die hpi Schulcloud sollte außerdem mehr sein als ein Learning Management System, das als Marktplatz für Lernsoftware und als Vertriebsweg für Verlage dient.

Auf Bundesebene werden aber auch eine Reihe öffentlich getragener, digitaler Plattformen im Bildungsbereich angedacht. Das Hochschulforum Digitalisierung hat eine Machbarkeitsstudie zu einer „(inter)nationalen Plattform für die Hochschullehre” in Auftrag gegeben. Politischer Gestaltungswille ist erkennbar. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat im September zu einem „Dialog Lizenzierungsplattform” zur Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens in Deutschland eingeladen. Der Deutsche Volkshochschulverband entwickelt parallel eine VHS Cloud, um dem Auftrag der Volkshochschulen, lebenslanges Lernen zu ermöglichen, weiter gerecht zu werden. Volkshochschulen finden sich im MILLA-Konzept aber nicht wieder – obwohl es im Koalitionsvertrag deutlich heißt: „Wir wollen die Entwicklung von attraktiven, niedrigschwelligen Lernangeboten fördern, vor allem im Bereich der Volkshochschulen” (Z. 1309 ff.) sowie „In der Erwachsenenbildung wollen wir Programme und digitale Angebote für Menschen jeden Lebensalters fördern, die dem Erwerb von Digitalkompetenzen dienen, z. B. auch an Volkshochschulen” (Z. 1749 ff). Ist MILLA folglich z.B. mit dem Volkshochschulverband abgestimmt?

An dieser Stelle möchten wir auch die oft im Verborgenen bleibende gute Arbeit der verschiedenen Bildungsserver würdigen, die auf Landesebene auch frei lizenzierte Materialien hosten und auffindbar machen.

Es gibt bereits eine Plattform für lebenslanges Lernen: das offene Netz

Wikimedia Deutschland e. V. und viele andere zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure im Bündnis Freie Bildung setzen sich für eine offenes und freies Netz ein, in dem Menschen kommunizieren, kollaborieren, lernen und Wissen selbst schaffen und gestalten. Unsere Grundprinzipien für die Entwicklung und beim Einsatz von Bildungssoftware und der Entwicklung von Bildungsinhalten lauten:

Bildungssoftware soll stets Open Source Software sein und offene Schnittstellen bieten, um Lernenden und Bildungsanbietern den einfachen Transfer von Angeboten und Inhalten sowie die Kommunikation und den Austausch mit anderen Plattformen und Ökosystemen im Netz zu ermöglichen.

Bildungssoftware soll so wenig Zugangshürden wie nur irgendwie möglich bereithalten. Der Charme des ort- und zeitungebundenen Lernens besteht unter anderem darin, dass jede und jeder ständig und von überall auf Bildungsinhalte zugreifen können sollte.

Bildungsinhalte sollen frei lizenziert sein. So werden einfache Zugänge gewährleistet, Partizipation wird ermöglicht, und Lerninhalte können auf verschiedene Szenarien ohne Urheberrechtsverstoß angepasst werden.

Diese Empfehlungen folgen dem einfachen Grundsatz: öffentliches Geld, öffentliches Gut – was mit öffentlichen Geldern finanziert wird, soll auch der Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich gemacht werden.

Bildungsziel: Partizipation in der digitalen Gesellschaft

“Ein starkes Bildungssystem befähigt Menschen jeden Alters, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.” (Anja Karliczek, 13.09.18)

Damit Menschen in einer digital geprägten Gesellschaft und ihren Entscheidungsprozessen, am Arbeitsleben, an Bildung und Forschung, an interkulturellem Austausch und vielem mehr teilhaben können, benötigen sie die Fähigkeit, sich auch und insbesondere im digitalen Raum sicher und mündig zu bewegen. Im Englischen spricht man, um diese Fähigkeiten und Kompetenzen zu fassen und zu beschreiben, von Digital Literacies, im Deutschen werden Begriffe wie Medienbildung oder Medienkompetenz bemüht.

Wir glauben: Diese Digital Literacies werden in einer digitalen Gesellschaft durch Offenheit von Inhalten, von digitalen Ökosystemen, von Austausch und Interaktion gefördert. Wir glauben nicht, dass eine Plattform, auch keine „Plattform der Plattformen”, die Lösung für alle Fragen in diesem Feld ist. Jeder Versuch sollte daher orientiert sein an den Prinzipien eines freien und offenen Netzes.

Weitere Informationen im Praxisrahmen für Open Educational Resources (OER) in Deutschland


CC BY SA by Christian Friedrich und Bernd Fiedler für  Wikimedia Deutschland e.V.

Den Originaltext vom 30. November 2018  finden Sie hier.


Das könnte Sie auch interessieren.

MILLA: Initiative für eine "Weiterbildungswende"

- News

MILLA: Initiative für eine "Weiterbildungswende"
Eine neue Initiative der CDU/CSU schlägt hohe Wellen in Kreisen der Weiterbildung: Das Kürzel MILLA steht für „Modulares Interaktives Lebensbegleitendes Lernen für Alle“ und geht als Hashtag in den sozialen Medien viral. Erfunden hat den Begriff der Arbeitskreis "Zukunft der Arbeit" in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vorgestellt wurde das Konzept unter dem Titel „Die Weiterbildungswende“ am 5. November 2018 auf der Bundesvorstandsklausur der CDU in Berlin.

Mehr

Arbeit 4.0 und lebenslanges Lernen

Das Bild zeigt das Gesicht einer Frau überdeckt von einer Computerplatine, im HIntergrund Stichworte aus dem Bereich Arbeit und Beruf

Im Zuge der Digitalisierung verändert sich unsere Arbeitswelt und  macht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neue Kompetenzen erforderlich: Zum einen müssen sie digitale Technologien beherrschen, zum anderen machen diese Technologien neue Strukturen in der Arbeitswelt nötig oder möglich. Team und Führung werden neu definiert, kollaborative Fähigkeiten und kommunikative Kompetenzen müssen entwickelt werden. Ein neues Aufgabenfeld für die in der Weiterbildung Tätigen, die aber auch selbst über ihre Rolle und ihre Aufgabe neu nachdenken müssen.

Zum Dossier

Digitalisierung in der Erwachsenenbildung

Foto Kaffee, Tablet, Handy und Stift

Mit Smartphone, Tablet und Laptop bringen Teilnehmende heute ganz selbstverständlich ihre eigenen digitalen Geräte mit in Kurse und Trainings, Workshops und Vorträge – unabhängig vom Thema. Für Erwachsenenbildung und Weiterbildung bieten sich damit neue Chancen für das Lernen, das abwechslungsreicher, individueller und kreativer gestaltet werden kann. Auch die Lehrenden können von digitalen Medien profitieren, wenn sie um die neuen Möglichkeiten wissen und professionelle Vernetzungsangebote kennen.

Zum Dossier