Bildung für alle bis 2030 ist ein Ziel der UNESCO. Ein wichtiges Element, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Förderung von Open Educational Resources, kurz OER. Diese Offenen Bildungsressourcen sollen den kostenfreien Zugang zu Bildungsmaterialien für alle ermöglichen. Verkündet 2012 beim ersten OER-Weltkongress in Paris traf sich die globale OER-Szene im September in Ljubljana, um auf den Stand der Dinge in Sachen OER zu schauen und die zukünftige Entwicklung zu gestalten. Jan Koschorreck war dabei und berichtet für wb-web.
Ljubljana wirkt auf den ersten Blick klein und nicht wie die Hauptstadt eines europäischen Landes. Doch in puncto digitaler Infrastruktur ist man Deutschland hier offenbar voraus, zumindest lässt das die Anzeige auf dem Smartphone schließen: War neben dem Funksignal bei der Reise in Deutschland durchgängig ein „E“ zu sehen, befindet man sich zumindest hier in Ljubljana durchgängig auf der mobilen Überholspur ins Internet. Vielleicht ist es deshalb nur folgerichtig, dass der zweite OER-Weltkongress hier stattfindet, passenderweise in einem ehemaligen sozialistischen Prachtbau aus den Achtziger-Jahren. Ich war als Korrespondent für wb-web hier, weil ich im Projekt OERinfo tätig bin für das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung, das Transferpartner für den Bereich Erwachsenen- und Weiterbildung ist.
Die Konferenz vom 18. bis zum 20. September im slowenischen Ljubljana stand ganz im Zeichen offener Bildungsressourcen - also Lehr- und Lernmaterialien, die kostenfrei nutzbar sind und rechtssicher verändert, vervielfältigt und wieder veröffentlicht werden können. Die UNESCO verspricht sich viel von diesen Möglichkeiten. Im Rahmen der von ihr ausgegebenen Ziele für nachhaltige globale Entwicklung lautet eines davon „Bildung für alle bis 2030“. Um dieses Ziel zu erreichen geht kein Weg an OER vorbei, so der Konsens.
Globale Gemeinsamkeiten und Unterschiede
In Vorbereitung des Kongresses hat die UNESCO bereits 2016 regionale Konsultationen zum Thema OER durchgeführt. Die Ergebnisse präsentierte Asha Kanwar, Präsidentin des Commonwealth of Learning, im Laufe des Tages. Dabei offenbarten sich viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in der Einschätzung von Notwendigkeiten in Bezug auf offenen Bildungsressourcen: Während beispielsweise die Region Pazifik/Ozeanien in OER eine Graswurzel-Bewegung sieht, die Freiheit und Menschenrechte unterstützt, und besonderen Wert auf Bildungsressourcen mit indigenen Inhalten legt, stehen für Europa die Frage nach Geschäftsmodellen und die Veränderung der Lehr-Lernkultur im Mittelpunkt. Die regionalen Konsultationen fließen ebenso wie ein umfangreiches mehrmonatiges Online-Feedback und neue Erkenntnisse aus dem Kongress in die Abschlusserklärung des Kongresses ein, dem Ljubljana Action Plan - eine innovative Herangehensweise für die UNESCO, wie die verantwortlichen Personen betonten. In diesem Prozess wie auch hier vor Ort in Ljubljana prallen verschiedene Kulturen aufeinander.
Politische Bedeutung
Dem Charakter der UNESCO entsprechend kann dieser Kongress natürlich nicht unpolitisch sein, und so ist der Beginn der Konferenz von gewohnten Grußworten und Opening Statements geprägt: Beiträge von hochrangigen Vertretern aus der nationalen Politik (zum Beispiel des Präsidenten der slowenischen Nationalversammlung), die die politische Bedeutung des Kongresses unterstreichen. Besonderer Wert wurde auf die Einbindung der anwesenden Delegation aus dem ansonsten politisch weitgehend isolierten Libyen gelegt - laut Informationen aus einer den Organisatoren nahestehenden Quelle ein aus politischen und verfahrenstechnischen Gründen heikles Unterfangen. Ich möchte es in dieser konfliktreichen Zeit durchaus als ermutigendes Zeichen interpretieren, dass auf zwischenstaatlicher Ebene noch Wege der Völkerverständigung existieren - ebenso die große Zahl der Delegationen aus verschiedenen Ländern der Erde.
Umfangreiches Programm
Neben dem Hauptprogramm fanden im Verlauf des Kongresses eine Vielfalt von begleitenden Satellite Events statt. In diesem Rahmen konnten sich zum Beispiel Initiativen aus anderen Ländern mit ihren Aktivitäten und Bemühungen rund um das Thema offene Bildungsressourcen präsentieren. Das bedeutet für die TeilnehmerInnen die Qual der Wahl: Ich war für wb-web am ersten Tag bei dem Event des Moving Project, an dem die TU Dresden und das Leibniz-Institut für Sozialforschung (gesis) beteiligt sind. Das Projekt will eine Lernplattform schaffen, um die Informationskompetenz verschiedener Zielgruppen zu verbessern; das Ganze mit Unterstützung moderner Data-Mining-Strategien, Algorithmen und Künstlicher Intelligenz. Aus meiner Sicht ist es bedauerlich, dass dieses innovative Konzept derzeit keine Nutzungsszenarien im Bereich der klassischen Erwachsenenbildung aufweist.
Im Abschluss-Panel stellte Asha Kanwar die Ergebnisse der Konsultationen vor und verwies auch auf erfolgreiche Geschäftsmodelle zu OER, wie etwa Siyavula aus Kapstadt. Cathy Casserly von der Hewlett Foundation betonte anschließend die Bedeutung von offenen Bildungsressourcen, um Lernen „zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Geschwindigkeit“ zu ermöglichen. Der ehemalige Vorsitzende des Commonwealth of Learning, Sir John Daniel, mahnte dagegen an, dass es weitere Anstrengungen wie etwa Bewusstseinsbildung und Initiativen seitens der Lehrenden, der Lernenden und Eltern brauche, um offene Bildungsressourcen in die Wahrnehmung politisch Verantwortlicher zu rücken. Seiner Meinung nach sei außerdem dringend die Konzeption eines Instruments zur Standardisierung von offenen Bildungsressourcen nötig, auch vor dem Hintergrund der Gefahr des Missbrauchs von OER, beispielsweise im Bereich der politischen Bildung im herrschenden postfaktischen Zeitalter.
Fazit Tag 1
Ein Tag der Bestandsaufnahme und der Erneuerung der eigenen Verpflichtung auf OER. Teilnehmende bemängelten die Dominanz englischsprachiger Ressourcen auch im Bereich der Erwachsenenbildung ebenso wie das Fehlen von Repositorien bzw. deren internationaler Vernetzung sowie brauchbarer empirischer Forschungsdaten zur Verbreitung bzw. den Effekten von OER. Dass die Nutzung offener Ressourcen durch Lernende und ihr Einsatz durch Lehrende maßgeblich mit der Medienkompetenz beider verknüpft ist, blieb leider eine zu wenig diskutierte Randnotiz.