Angelika Gundermann Blog

Welttag der Geflüchteten: Was die Erwachsenenbildung tut

Hände mit aufgemalter Landkarte vor Wolken und Himmel

Seit 2001 wird der 20. Juni als Welttag der Migranten und Flüchtlinge begangen. 19,9 Millionen Menschen lebten nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR 2017 als Flüchtlinge in einem anderen Land. Die Zahl der Menschen, die aktuell nach Deutschland kommen, ist deutlich geringer, als zu Beginn der massiven Fluchtbewegungen aus den Kriegsgebieten in Syrien und Afrika. Die Frage der Integration der Neuangekommenen sorgt hingegen für enorme Erschütterungen in der Gesellschaft und der Bundespolitik. Die Erwachsenenbildung hat die Mammutaufgabe Integration angenommen und arbeitet hochengagiert in vielen Projekten erfolgreich daran. wb-web nimmt den Weltflüchtlingstag zum Anlass für eine Aktualisierung des entsprechenden Dossiers.

 Krieg, existenzbedrohende Lebensumstände, politische Verfolgung – die Gründe, die Menschen veranlassen ihre Heimat zu verlassen, sind vielfältig. Meine Mutter musste als Zwölfjährige vor den anrückenden gegnerischen Truppen flüchten. Mein Vater verließ seinen Heimatort, weil er nicht in einem undemokratischen System leben wollte. Sie haben erlebt, dass Flüchtling eher als Schimpfwort verwendet wird, dass Einheimische bei der Vergabe von Jobs und Wohnungen bevorzugt wurden. Vielleicht ist auch ihr relativ kleiner Freundeskreis in der neuen Heimat ein Zeichen dafür, dass sie nie so ganz hier angekommen sind.

Meine Eltern waren Flüchtlinge – ein Schicksal, das die Familie auch in der Nachfolge-Generation prägt, das hat Sabine Bode in ihrem Buch „die vergessene Generation“ eindringlich beschrieben. Dabei würde ich meine Eltern aus heutiger Sicht als „privilegierte“ Flüchtlinge bezeichnen: Sie hatten bereits die deutsche Staatsangehörigkeit, waren vertraut mit der Kultur – vielleicht nicht ganz mit dem rheinischen Karneval – und der Sprache ihres „Aufnahmelandes“.

Wie viel schwerer müssen es da die aktuell zu uns flüchtenden Menschen haben? Diese Frage stellt sich mir als erstes, wenn es darum geht, über „Probleme“ in der Flüchtlingskrise zu diskutieren.

Als sich vor drei Jahren die Meldungen über zunehmende Fluchtbewegungen vor allem aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten häuften, kam schnell die Idee auf, ein Dossier für wb-web zusammen zu stellen, das den Bildungs- und Beratungseinrichtungen bei der sich anbahnenden Integrationsaufgabe hilfreich sein könnte. Im Netz fanden sich die ersten Initiativen, die Ratgeber für das Ankommen oder ersten Spracherwerb zusammengestellt hatten. Die Volkshochschulen als größte Anbieter von Integrations- und Sprachkursen für Deutsch stockten im Eiltempo Kursangebote auf und stellten neue Sprachtrainer ein. Rückblickend schreibt Helle Timmermann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW: „Die gemeinwohlorientierte Weiterbildung stemmt nicht nur den größten Anteil der Integrationskurse. Sie bietet … Deutschkurse für Flüchtlinge an, die keinen Zugang zu vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Angeboten haben.“

Aktuell ist das Thema Flüchtlinge und Integration in einem Maße in Medien und Politik präsent, das deutlich macht, dass noch ein langer Weg zu gehen ist, bis die Menschen, die heute Zuflucht in Deutschland suchen, hier auch ankommen. Die Zahl der Asylsuchenden ist nach dem sprunghaften Anstieg in 2015 und 2016 im darauffolgenden Jahr 2017 bereits wieder deutlich gesunken: Die Zahl der formalen Asylanträge ist 2017 im Vergleich zu 2016 um rund 70 Prozent auf etwa 223.000 gesunken, diese Zahlen veröffentlichte das Institut der deutschen Wirtschaft (iw) im Mai 2018.

Die Integration der Menschen, die nach der Anerkennung als Asylant tatsächlich in Deutschland bleiben, „erfordert einen langen Atem“, so das iw weiter. Insbesondere die Integration in den Arbeitsmarkt ist hier wichtig. Aber, schreibt das iw, ein großer Teil von ihnen habe keine günstigen Voraussetzungen, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Es fehle ihnen an der erforderlichen Qualifikation. Die Aussicht für die meisten: ein Job mit geringen Anforderungen und entsprechend geringer Bezahlung. „Sollen diese Menschen die Chance auf eine anspruchsvollere Beschäftigung bekommen, sind entsprechende Nachqualifizierungsmaßnahmen nötig, die auch berufsbegleitend angeboten werden sollten.“

Die Einrichtungen der  Erwachsenenbildung sind  erste Anlaufstelle für den Zugang zu Teilhabe für Geflüchtete, hier sind sich die Vertreter im Feld einig. Dabei geht es um mehr als nur um einen Sprachkurs. Es geht um die Vermittlung von Werten unseres politischen und gesellschaftlichen Zusammenlebens, um Kompetenzen zur Bewältigung des Alltags und um Zugang zum Arbeitsmarkt. Gerade hier sind auch Modelle gefragt, die arbeitsbegleitend Sprachkenntnisse vermitteln. 


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