Im Business-English Abendkurs herrscht schlechte Stimmung. Zwei Teilnehmende kommen nach der Stunde zu Ihnen und beschweren sich, dass sie von Frau B. in der Gruppendiskussion respektlos behandelt würden. Frau B. würde sie andauernd unterbrechen und abfällige Kommentare über das von ihnen Gesagte fallenlassen. Als Sie Frau B. darauf ansprechen, ernten Sie Schulterzucken: Sie habe nur offensichtliche Fehler korrigiert und wolle hilfreich sein, die anderen seien halt zu empfindlich.
Montagsvormittags im Bewerbungstraining ist Herr A. verärgert, dass Sie seine Wortmeldungen aus seiner Sicht nicht ausreichend beachtet haben. Er reagiert darauf, indem er – leise, aber doch für alle hörbar – unzufriedene Geräusche von sich gibt und sarkastische Anmerkungen macht, wenn Sie etwas sagen („Na ja!“ „Hm!“).
Wenn Menschen miteinander agieren, dann haben sie in der Regel nicht genau übereinstimmenden Interessen, gleiche Vorstellungen oder miteinander harmonierende Kommunikationsstile. Zwischenmenschliche Konflikte und Auseinandersetzungen treten daher überall dort auf, wo Menschen miteinander interagieren. Sie sind somit ein Teil des normalen menschlichen Erlebens und Verhaltens, und damit auch unter Teilnehmenden von Bildungsangeboten für Erwachsene zu erwarten.
In vielen Fällen lösen sich Konflikte in kurzer Zeit und ohne externe Einwirkung auf. Manchmal können diese jedoch zu Störungen des Kursgeschehens führen und das Lernen sowie die Zusammenarbeit beeinträchtigen. Dann kann es sinnvoll sein, wenn Kursleitende eine aktive Rolle in der Konfliktlösung einnehmen.
Das bedeutet nicht unbedingt, dass – überspitzt gesagt – ellenlange Gespräche mit den Beteiligten eines Konflikts geführt werden müssen! Dafür haben Lehrkräfte der Erwachsenenbildung auch nur selten die zeitlichen oder fachlichen Ressourcen. Oft genügen bereits kleine kommunikative Handgriffe, um die Situation zu neutralisieren und das gemeinsame Lehren und Lernen wieder zu ermöglichen.
Die folgende Handlungsanleitung führt Sie Schritt für Schritt durch den Prozess der Konfliktlösung.
Schritt 1: Eine hilfreiche Haltung zu Konflikten entwickeln
Der erste Schritt, um Konflikten zielführend zu begegnen, besteht in der Auseinandersetzung zur eigenen Haltung dazu. Oft haben wir schon in unserer Kindheit in unseren Herkunftsfamilien implizite Annahmen über Streit und Auseinandersetzungen gelernt, die sich im Erwachsenenalter und im Berufsleben hartnäckig halten. Ob diese Annahmen und Umgangsweisen für uns heute noch hilfreich sind, lohnt sich zu hinterfragen. Mit folgender Übung kann man zum Beispiel die eigene Haltung zu Konflikten reflektieren.
Übung: Bitte vervollständigen Sie die folgenden Sätze, ohne lange zu überlegen:
- Streit in unserer Familie bedeutete, dass ______________________________.
- Wenn in meinem Kurs schlechte Stimmung herrscht, dann ______________.
- Am schlimmsten an Konflikten finde ich ______________________________.
Obwohl es keine universell „richtige“ Haltung zu Konflikten gibt, so können sie doch mehr oder weniger hilfreich dafür sein, eine gute persönliche Grundlage für die zwischenmenschliche Kooperation zu bilden.
Folgende Bausteine können u.a. zu einer zielführenden Haltung beitragen:
- Akzeptanz. Akzeptieren Sie, dass Konflikte sich nicht immer vermeiden lassen und dass Sie in Ihrem privaten und beruflichen Leben immer wieder damit konfrontiert werden, egal, was Sie tun.
- Neugier. Versuchen Sie, neugierig zu bleiben, wenn es um Konflikte und divergierende Interessen geht. Wer Neugierde verspürt, kann nicht gleichzeitig stark verärgert oder besorgt sein. Fragen Sie sich: Worum geht es wirklich in den Konflikt? Wie ist es dazu gekommen? Was bringt Person XY dazu, das zu sagen?
- Lösungsorientierung. Sofern man kein Richter ist, bringt es selten etwas, die Schuldfrage zu stellen. Viel produktiver ist es, die Energie stattdessen in das Finden von Lösungen zu stecken. Aber Achtung…
- Empathie. Sachliche Lösungen allein helfen oft nicht. Den meisten Menschen ist es ein Grundbedürfnis, verstanden zu werden. Bei wahrgenommenem Verständnis sind viele Menschen viel eher bereit, Kompromisse einzugehen. Üben Sie sich also darin, die Motive Ihrer Mitmenschen nachzuvollziehen – das geht, auch ohne dass Sie ihnen inhaltlich zustimmen.
Schritt 2: Konfliktparteien identifizieren
Stellen Sie sich die folgenden Fragen:
- Wer ist an dem Konflikt beteiligt? Zwei Einzelpersonen, zwei Gruppen, oder ein komplexes Gefüge aus mehreren Personen?
- Bin ich in einer neutralen Position? Oder bin ich involviert?
- Gibt es Dritte, die den Konflikt möglicherweise beeinflussen?
Am besten sollten nur direkt am Konflikt beteiligte Personen einbezogen werden. Ihre eigene Position ist hier sehr relevant. Wenn Sie unbeteiligt sind, können Sie stärker versuchen, in eine neutrale Haltung gehen. Sobald Sie selbst beteiligt sind, ist das nicht mehr möglich – bedeutet aber nicht, dass Sie nicht zur Konfliktlösung beitragen können. Es kann dann aber hilfreich sein, die eigene Beteiligung transparent zu kommunizieren.
Schritt 3: Art des Konflikts klassifizieren
Obwohl man alltagssprachlich beides als Konflikt bezeichnet, kann man „echte“ Konflikte und Wertekollisionen voneinander unterscheiden. Erstere zeichnen sich dadurch aus, dass eine Person durch das Verhalten einer anderen eine reale Auswirkung spürt oder befürchtet.
Beispiel: Person A hat Hunger und isst ein Sandwich im Kursraum, Person B fühlt sich sensorisch beeinträchtigt und im Lernen gestört.
Wertekollisionen hingegen entstehen, wenn Menschen abweichende Wertvorstellungen haben und sie das Verhalten anderer emotional irritiert oder verletzt, ohne dass sie reale eigene Konsequenzen davontragen.
Beispiel: Person X möchte nicht mit Person Y zusammenarbeiten, weil sie deren Tattoos und Piercings „unmoralisch“ findet.
Bei „echten“ Konflikten bietet sich eine stärker sachlich orientierte Lösungsfindung an, die zum Beispiel in einem Kompromiss bestehen kann, oder im Finden eines dritten Wegs (Im Beispiel: das Einführen einer 5-Min-Pause, in der ausschließlich Draußen gegessen werden kann). Bei Wertekollisionen gibt hingegen es keine sachliche Lösung. Eine Verbesserung der Situation erzielt man hier am ehesten durch die Erhöhung des gegenseitigen Verständnisses.
Schritt 4: Störungen richtig ansprechen
Sobald Sie bemerken, dass etwas im Argen ist, ist es in der Regel hilfreich, dies frühzeitig anzusprechen. Am besten schaffen Sie eine Gelegenheit, bei der nur die Beteiligten dabei sind (also zum Beispiel Personen nach Kursende beiseite nehmen). Um zu verhindern, dass jemand automatisch mauert oder direkt zum Angriff überwechselt, bietet es sich an, möglichst neutral die eigene Beobachtung zu schildern und dann die eigene Vermutung auch als solche zu formulieren:
„Ich habe gesehen, dass Sie mit Person XY laut diskutiert haben [neutrale Beobachtung]. Es scheint, als wären Sie sehr verärgert über etwas gewesen? [Vermutung]“
Die angesprochene Person wird Ihnen entweder zustimmen oder sie bekommt die Gelegenheit, Ihre Wahrnehmung zu korrigieren. Im ersten Fall fühlt sie sich verstanden (gut!), im zweiten Fall bekommen Sie mehr Informationen über die Situation (auch gut!).
Schritt 5: Lösungsorientierte Fragen stellen
Fragen Sie nach. Dadurch erfahren Sie mehr über den Hintergrund des Konflikts, und regen zusätzlich die beteiligten Personen an, selbst darüber zu reflektieren.
Was Sie nicht tun sollten: Die „Warum“-Frage stellen. Bei den meisten Menschen wirkt die Frage nach dem Warum beschuldigend, und sie verspüren Rechtfertigungsdruck – was defensive oder aggressive Reaktionen verstärken kann. Besser stellen Sie „Wie“ oder „Was“-Fragen:
- Wie ist es dazu gekommen?
- Was daran hat Sie geärgert?
Andere Fragen können einen Perspektivwechsel anregen:
- Was denken Sie, denkt die andere Person darüber?
- Was vermuten Sie, wie geht es wohl XY mit der Situation?
Besonders hilfreich können lösungsorientierte Rückfragen sein:
- Was sollte XY denn Ihrer Meinung nach stattdessen tun?
- Was würde wohl helfen?
- Wie kann ich Ihnen am besten helfen?
Schritt 6: Lösung finden
Da Sie in Bildungsangeboten vermutlich selten Zeit für mehrstündige Sitzungen haben, in der die Parteien gemeinsam eine Lösung erarbeiten, müssen Sie deutlich schneller vorgehen. Daher können Sie ruhig direktiver werden und auch mal selbst eine Lösung vorschlagen. Im besten Fall hatte vielleicht auch schon einer der Beteiligten eine gute Idee. Wie schaffen Sie es, dass eine Lösungsidee (von wem Sie auch stammt) eher akzeptiert wird?
- Fagerichtung anpassen: Fragen Sie nicht, ob alle einverstanden sind – Fragen Sie besser nach, ob etwas gegen die gefundene Lösung spricht: „Frau B und Herr X, haben Sie etwas dagegen, wenn Sie versuchen, XY zu tun?“. Hier „nein“ antworten zu können, kommt dem menschlichen Sicherheits- und Kontrollbedürfnis stärker entgegen. Sollte eine Person dann doch etwas dagegen haben, fühlt sie sich eher verpflichtet, gute Gründe liefern. Und wenn sie tatsächlich gute Gründe hat, ist es von Vorteil, diese zu erfahren.
- Möglichkeit der Rücknahme einräumen. Manchmal hilft es, wenn eine Lösung als vorübergehend, mit der Möglichkeit der Rücknahme, präsentiert wird. Haben sich die Beteiligten erst einmal darauf eingelassen, ist es wahrscheinlicher, dass es dann dabei bleibt.
- Taktvoll bestimmen. Wenn Sie – aus welchen Gründen auch immer – die Lösung vorgeben (müssen), dann hilft es, wenn sich der „Verlierer“ verstanden und gesehen fühlt. In dem Fall: Sagen Sie klar an, was Sie tun werden, verdeutlichen Sie, wie das vermutlich auf die Person wirkt und äußern Sie das Angebot der weiteren Zusammenarbeit. „Herr X, ich werde nicht auf das von Ihnen gewünschte Unterrichtsthema eingehen können [Klare Ankündigung]. Für Sie ist das sicher frustrierend und ärgerlich, weil Ihnen das Thema so am Herzen liegt [Verständnis]. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich trotzdem auf Ihre Beteiligung zählen kann und wir weiter gut zusammenarbeiten [Angebot].“
Zusammenfassung
Konflikte in der Erwachsenenbildung sind ganz normal. Kursleitende können aktiv und frühzeitig einfache Maßnahmen zur Konfliktlösung ergreifen, sei es nun bei einer Auseinandersetzung zwischen Teilnehmenden oder als Beteiligte. Wichtig ist es dabei, die eigene Haltung zu reflektieren und eine hilfreiche Einstellung einzunehmen. Nur direkt Beteiligte sollten in die Konfliktlösung einbezogen werden, wobei zwischen echten Konflikten mit realen Auswirkungen und Wertekollisionen zu unterscheiden ist. Störungen sollten frühzeitig und diskret angesprochen werden. Lösungsorientierte Fragen fördern die Reflexion und das Verständnis der Beteiligten. Abschließend sollten Kursleitende die Lösungsfindung voranbringen, auch bei direktiver Vorgehensweise Empathie zeigen und weitere Zusammenarbeit anbieten, um eine positive Lehr-Lernumgebung zu gewährleisten.