Erfahrungsbericht
Selbstständig in der Erwachsenenbildung
Der wbmonitor 2021 (Koscheck et al. 2022) zeigt: 70 % der Personen, die im Feld der Erwachsenen- und Weiterbildung beruflich tätig sind, arbeiten auf Basis von Honorar- und Werkverträgen. Doch wie genau funktioniert selbständiges Arbeiten? In diesem Artikel werden verschiedene Aspekte dieses Themas beleuchtet.
„selbstständig arbeiten“ – Bedeutung und Definition
Schaut man sich die Gesamtanzahl der Erwerbstätigen in Deutschland an, so wird schnell klar: angestellt zu arbeiten ist der Normalfall, nur 8,6 % arbeiten selbständig (Rudnicka 2023). Der Weiterbildungsbereich ist somit von der Struktur her atypisch gestaltet. Wer selbständig arbeitet, ist mit allen finanziellen, rechtlichen und sozialen Konsequenzen auf eigene Rechnung unternehmerisch tätig. Das heißt, als Selbständige*r habe ich verschiedene Auftraggeber*innen, ich habe eine eigene Arbeitsstätte (es reicht ein Arbeitszimmer) und niemand ist mir gegenüber weisungsbefugt. Zugleich muss ich z.B. meine Beiträge zur Sozialversicherung komplett selbst tragen und bei der Rentenversicherung prüfen, ob meine ausgeübte Tätigkeit unter die Rentenversicherungspflicht fällt. Dies ist z.B. bei einer lehrenden Tätigkeit der Fall (Deutsche Rentenversicherung o.J.). Auch das Thema Umsatzsteuer ist zu beachten.
Die eigene Arbeitsweise ist eine persönliche Entscheidung
Mehr Freiheit und Autonomie, zugleich mehr Verantwortung und Risiko – so lässt sich das selbständige Arbeiten also zusammenfassen. Ob man selbst dafür geeignet ist, ist eine sehr individuelle Frage. Neben den persönlichen Vorlieben spielen auch familiäre und finanzielle Voraussetzungen eine Rolle bei der Entscheidung, wie man arbeiten möchte. Denn als Selbständige muss ich mir im Klaren darüber sein, dass mir z.B. im Falle einer Erkrankung Aufträge und somit Einkommen wegbrechen. Andererseits kann ich selbst meine Zeit einteilen, so dass ich mir z.B. in jedem Jahr eine längere Auszeit nehmen könnte. Ein Angestelltenverhältnis punktet demgegenüber mit einem sicheren Rahmen bei gleichzeitig höheren strukturellen Vorgaben. Und auch Mischformen sind möglich, z.B. eine so genannte Selbständigkeit im Nebenerwerb neben einer Angestelltentätigkeit.
Darüber hinaus gilt es zu klären, in welchem räumlichen Umkreis ich tätig sein und ob ich in Präsenz oder digital arbeiten möchte. Denn diese Entscheidung beeinflusst, welche Auftraggeber*innen und welche Art von Tätigkeiten für mich in der Erwachsenenbildung in Frage kommen (siehe nachfolgendes Kapitel).
Ausgestaltung der Selbständigkeit
Wenn die Entscheidung gefallen ist, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, so geht es um die Frage, welche Dienstleistungen und Produkte ich anbieten möchte. Im Feld der Erwachsenen- und Weiterbildung sind z.B. folgende Aktivitäten gängig:
- Wissensvermittlung und Kompetenzaufbau
- Erarbeitung von Curricula und Lehrkonzepten
- Korrektur von Prüfungsarbeiten sowie Durchführung von Prüfungen
- Erstellung von digitalen Lerninhalten
- Beratung und Begleitung in Projekten und Bildungsmaßnahmen
- Moderation von Veranstaltungen
In diesem Rahmen kann ich dann auf Basis meiner Ausbildung und Kompetenzen überlegen, ob ich mich z.B. auf ein Thema spezialisiere oder ob ich mich mit verschiedenen Inhalten und Formaten breiter aufstellen möchte. Zugleich werden die unterschiedlichen Tätigkeiten auch unterschiedlich vergütet.
Ich persönlich habe mich für eine Kombination verschiedener Tätigkeiten entschieden, da es meinen Arbeitsalltag abwechslungsreicher macht und zudem auch für eine finanzielle Mischkalkulation sorgt.
Ressourcenfragen – Zeit und Geld
Anders als ein Angestelltenverhältnis ist eine selbständige Tätigkeit nicht vorstrukturiert, d.h. Arbeitstage, Arbeitsstunden und Urlaubsanspruch sind nicht vertraglich festgelegt, sondern können und müssen selbst gestaltet werden. Ein Überblick über die persönlichen Rahmenbedingungen hilft, damit man zeitliche und finanzielle Ressourcen angemessen einschätzt.
Bezogen auf die Zeiteinteilung hilft eine grobe Kalkulation für die Jahresplanung: 365 Tage stehen zur Verfügung. Dann werden zuerst Wochenenden und Erholungszeiten aufaddiert (z.B. 150 Tage) sowie Tage für z.B. familiäre Verpflichtungen (z.B. 30 Tage). Dann braucht es noch Zeit für Buchhaltung, Netzwerk, Fortbildung und Marketing – also Tätigkeiten, die unternehmerisch wichtig sind, mit denen man jedoch kein Geld verdient (z.B. 50 Tage). Zieht man diese Zeit dann ab von den 365 Tagen, so bleiben bei diesem Beispiel effektiv noch 135 Tage übrig, an denen die eigene Arbeitszeit im Rahmen von Aufträgen verkauft werden kann.
In finanzieller Hinsicht ist es wichtig, für sich persönlich zu klären, wie viel Geld durch die Selbständigkeit erwirtschaftet werden muss, damit das eigene Leben finanziert werden kann. Denn nicht alle Geldeingänge stehen für die Lebenshaltung direkt zur Verfügung. Stattdessen müssen Steuern, Altersvorsorge, Krankenversicherung, Arbeitsmaterialien, Rücklagen für schlechte Zeiten und weitere betriebliche Aufwendungen einkalkuliert werden.
Mein persönlicher Tipp: Ich koppele beide Ressourcen miteinander: wenn ich weiß, wie viele Arbeitstage ich zur Verfügung stellen kann und wieviel Umsatz ich pro Jahr machen muss, kann ich meinen idealen Tagessatz ermitteln. Dieser hilft mir, um für sich selbst gut verhandeln zu können!
Sichtbarkeit und Netzwerk
Eine zentrale Aufgabe in der Selbständigkeit ist es, Akquise zu betreiben, d.h. das eigene Angebot bekannt zu machen und Auftraggeber*innen zu gewinnen. Die Wege, wie das gelingen kann, sind vielfältig – und sie können sowohl analog als auch digital sein. Wichtig ist eine eigene Website, die als digitale Visitenkarte im Internet einen Überblick über das persönliche Profil und die Angebote gibt. So können sich potenzielle Kund*innen informieren.
Für die weitere Marketingstrategie sollten die eigenen Vorlieben in den Blick genommen werden: wie kommuniziere ich gerne mit Menschen? Wenn ich persönlichen Kontakt bevorzuge, dann sollte ich überlegen, wo ich mit potentiellen Auftraggeber*innen ins Gespräch kommen kann. Wenn mir Social Media liegt, sollte ich eine oder mehrere Plattformen bedienen und mich digital vernetzen. Mein persönlicher Weg war die Veröffentlichung meines Podcasts BILDUNGSFRAUEN verbunden mit größerer digitaler Präsenz. Bereits nach kurzer Zeit bekam ich Auftragsanfragen, die mich dann in die Selbständigkeit geführt haben.
Die ersten Schritte in die Sichtbarkeit gehen oft mit Unsicherheit einher: Ist mein Angebot gut genug? Bin ich gut genug? Diese Selbstzweifel können schrittweise überwunden werden, denn man wächst mit jedem Gespräch, mit jedem Posting.
Generell hilft es, möglichst vielen Menschen vom eigenen Vorhaben zu erzählen. Denn so wird das gesamte Netzwerke im Umfeld aktiviert. Meiner Erfahrung nach entstehen genau hier tatsächlich die meisten Anfragen!
Unterstützung und Beratung
Der Weg in die Selbständigkeit kann holprig und unübersichtlich sein, deshalb ist es gut, wenn man sich kompetente und motivierende Unterstützung an die Seite holt:
Oft bietet die regionale Wirtschaftsförderung Beratungen speziell für Gründer*innen. Hier bekommt man vielfältige Informationen sowie Tipps für Netzwerktreffen und finanzielle Förderungen (z.B. Anschubfinanzierung der KFW).
Wenn man aus der Arbeitslosigkeit heraus gründet, so gibt es die Möglichkeit, bei der Agentur für Arbeit einen Gründungszuschuss (Bundesagentur für Arbeit o.J.) zu beantragen. Hier sollte man seine*n Ansprechpartner*in konkret befragen, um die Möglichkeiten auszuloten.
Plattformen wie z.B. https://gruenderplattform.de/ bieten komprimiert und praxisnah vielfältiges Wissen zum Thema Gründung und Selbständigkeit.
Eine Vernetzung mit anderen Selbständigen hilft und ermutigt. Denn jede*r bringt unterschiedliches Wissen mit ein, kann Erfahrungen teilen und das Gegenüber motivieren.
Quellen
Bundesagentur für Arbeit (o.J.). Gründungszuschuss beantragen. https://www.arbeitsagentur.de/arbeitslos-arbeit-finden/arbeitslosengeld/gruendungszuschuss-beantragen?pk_vid=76a7a1036e3fc3b41684157407a9be9a, zuletzt geprüft am 15.05.2023
Deutsch Rentenversicherung (o.J.). Selbstständige. https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Arbeitnehmer-und-Selbststaendige/03_Selbststaendige/selbststaendige_Inhalt.html, zuletzt geprüft am 15.05.2023.
Koscheck, S.; Christ, J.; Ohly, H. & Andreas, M. (2022). Digitale Weiterbildung in Zeiten der Coronapandemie. Ergebnisse der wbmonitor-Umfrage 2021. S. 57. Online verfügbar: https://www.bibb.de/dienst/publikationen/de/18013, zuletzt geprüft am 15.05.2023.
Rudnicka, J. (2023). Arbeitnehmer und Selbstständige mit Wohnort in Deutschland bis 2022. Online verfügbar: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/979999/umfrage/anzahl-der-erwerbstaetigen-mit-arbeitsort-in-deutschland/ eigene Berechnungen S.B., zuletzt geprüft am 15.05.2023.
CC BY SA 3.0 DE by Sabine Bertram für wb-web (26.06.2023)