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Werte und Wertekonflikte – ein Thema angesichts der Integration Geflüchteter?
„Werte“ steht groß in einer Sprechblase, die das Cover der heute erscheinenden DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung ziert. Wenn man etwas genauer hinsieht, heißt es „Werte in der Erwachsenenbildung“, und die Sprechblase steht vor einer Tapete aus lauter „Worte“-Wörtern. Das ist natürlich einerseits typografisch und linguistisch interessant, dass „Werte“ mit nur einer kleinen Vokalvariation aus „Worte“ entstehen. Und andererseits wirft es gleich die Frage auf, ob „Werte“ oft nur „Worte“ bleiben, Worthülsen, die keine Taten folgen lassen.
Wenn man die zurückliegenden Monate mit ihren Anstrengungen für die Integration Geflüchteter betrachtet, so haben Erwachsenen- und Weiterbildung ganz deutlich und vor allem ihre Taten sprechen lassen. Der Kräfteaufwand und Kräfteverschleiß, zu dem man im Feld bereit war und ist, dürfte seinesgleichen suchen, und zwar über alle Bereiche der Erwachsenen- und Weiterbildung hinweg. Gerade die Lehrenden in Integrationskursen haben hier großartiges geleistet. Im solidarischen Eintreten für den Menschen haben Erwachsenen- und Weiterbildung an diesem Punkt, an dem sie sich wertemäßig herausgefordert sahen, bemerkenswerte Einigkeit bewiesen. Das wirft die Frage auf, ob wir hier die Früchte einer gemeinsamen Wertebasis in der Erwachsenenbildung ernten. Gibt es die überhaupt? Wo wäre sie kodifiziert? Als Berufsethik? (Eine entsprechende Diskussion dieses Aspekts kann auf EPALE geführt werden.)
Ethiken sind immer da besonders spannend, wo es moralische Konflikte zu verhandeln gibt. An diesem Punkt gibt auch das aktuelle DIE-Heft einige Diskussionsanregungen. Zum Beispiel analysiert Prof. Josef Schrader eine Situation aus einem Integrationskurs, in der unterschiedliche Wertvorstellungen zwischen Teilnehmenden und der Dozentin zum Ausdruck kommen, hier bezogen auf die Geschlechterfrage. Die Kursleiterin wird darin mit Sichten auf die Gleichberechtigung der Geschlechter konfrontiert, die sich aus dem arabischen bzw. afrikanischen Erfahrungshintergrund der Teilnehmenden speisen. Wie reagiert die Dozentin darauf? Wie könnte sie reagieren? Wie sollte sie reagieren? Gibt es eine „professionelle“ Art und Weise der Reaktion?
Dr. Ingrid Schöll, Leiterin der VHS Bonn, spricht im Interview desselben DIE-Hefts davon, dass „nicht jeder Einzelne mit seinem eigenen Integrationskursverständnis in die Kurse gehen“ könne. „Momentan macht mir Sorge“, so Schöll weiter, „dass wir die Kursleitenden an einer Nahtstelle der Aushandlung wichtiger gesamtgesellschaftlicher Prozesse allein lassen, an der wir uns eigentlich gemeinsam bei vielen unserer Werte neu rückversichern müssen. Sie benötigen … Fortbildungen …, in denen die Themen bearbeitet werden, mit denen sie jetzt konfrontiert sind: Umgang mit Traumatisierungen, Umgang mit Erwartungshaltungen an eine Arbeitsgesellschaft, Umgang mit neuen Wertvorstellungen im Miteinander usw.“
Aktualisiert September 2023, S. Witt (Verweis auf Forum entfernt)