Alphakurse mit Methode: Neues Projekt arbeitet eng an der Basis. Im Projekt „Rahmencurriculum – Transfer“ bringt der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) sein Unterrichtsmaterial für funktionale Analphabet/-innen direkt in die Bildungseinrichtungen. Außerdem entstehen Varianten der zahlreichen Aufgabenblätter für Menschen mit Deutsch als Zweitsprache. Im Fokus steht aber auch das Rechnenlernen im Erwachsenenalter.
Funktionaler Analphabetismus ist in der Gesellschaft stark verbreitet, und er ist unterschiedlich ausgeprägt. Entsprechend bunt sind Alphabetisierungskurse. Manche Teilnehmende scheitern schon an den Buchstaben, andere können ganze Sätze lesen und schreiben, aber keine Texte. Menschen mit Deutsch als Muttersprache sitzen neben Personen mit anderem sprachlichen Hintergrund. Wer so unterschiedlichen Teilnehmern und Teilnehmerinnen gerecht werden will, braucht ein ausgefeiltes methodisches Instrumentarium und viel Material. Beim DVV sind seit 2012 Rahmencurricula für den Lese- und Schreibunterricht mit zahlreichen Aufgabenblättern für den direkten Einsatz im Unterricht entstanden. Die Aufgaben behandeln lebensweltliche Themen, aber auch Themen aus dem Arbeitsalltag wichtiger Wirtschaftsbranchen. Eine Alpha-Kurzdiagnostik ermöglicht die einfache und schnelle Einschätzung der Kenntnisse von Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern.
Noch kennen zu wenige Lehrende dieses große Angebot an Lese- und Schreibübungen. Um Kursleiter/-innen damit vertraut zu machen und um das Material noch weiter zu verbessern, werden die Aufgabenblätter im Unterricht erprobt. Die Erprobung erfolgt nicht nur in klassischen Alphabetisierungskursen in Volkshochschulen und anderen Weiterbildungseinrichtungen, sondern auch in Vorkursen zu Hauptschulabschlusslehrgängen und in der Berufsvorbereitung, denn auch dort sind viele Personen mit großen Problemen im Lesen und Schreiben anzutreffen.
Für Menschen mit Zielen
Mit der breit angelegten, wissenschaftlich begleiteten Erprobung sollen Menschen erreicht werden, die mit verbesserten Schreib- und Lesekenntnissen weitergehende Bildungs- und Ausbildungsziele erreichen wollen. Sie wie ihre Lehrerinnen und Lehrer sollen einschätzen, ob die Materialien ihren Zweck erfüllen, den individuellen Lernerfolg zu fördern. Das wird auch in Lernstandserhebungen während der Erprobung gemessen.
Damit Kursteilnehmer/-innen nicht nur im Lesen und Schreiben vorankommen, sondern mit ihren neu erworbenen Kenntnissen auch den Einstieg in die weitere Qualifizierung schaffen, müssen Lehrende im Alphakurs den Übergang in andere Bildungsangebote im Blick haben. Umgekehrt sollte der Deutschunterricht in Vorkursen zum Hauptschulabschlusslehrgang und in der Berufsvorbereitung Inhalte des Alphabetisierungskurses aufnehmen. Die Rahmencurricula Lesen und Schreiben des DVV und die Unterrichtsmaterialien ermöglichen es, Lernangebote zur Verbesserung der Schriftsprachkompetenz in verschiedenen Bereichen miteinander zu verknüpfen. Dazu reist das Projektteam in Bildungseinrichtungen bundesweit, um das neue Unterrichtsmaterial vor Ort bekannt zu machen.
Für Erst- und Zweitsprachler/-innen
Besonders wichtig sind anschlussfähige Angebote zur Verbesserung der Lese- und Schreibfähigkeit für Menschen mit Deutsch als Zweitsprache. Unter den funktionalen Analphabet/-innen in Deutschland sind Zweitsprachler/-innen deutlich überrepräsentiert. Dabei handelt es sich vielfach um Menschen, die in Deutschland geboren sind beziehungsweise seit langem hier leben. Im Alltag oder in einem Integrationskurs haben sie Deutsch sprechen, nicht aber ausreichend Lesen und Schreiben gelernt.
Personen dieses Profils besuchen oft zusammen mit Deutsch-Erstsprachlern Alphabetisierungskurse. Um ihre Schriftsprachkenntnisse zu verbessern, brauchen sie Unterrichtsmaterial, das auf typische phonetische und grammatische Probleme von Zweitsprachlern sowie Lücken im Wortschatz eingeht. Darum werden die Materialien zu den DVV-Rahmencurricula Lesen und Schreiben nun um Aufgaben für Kursteilnehmer/-innen und methodische Anleitungen für Lehrende ergänzt, in denen es um diese besonderen Schwierigkeiten geht.
Neuland Rechnen
Der funktionale Analphabetismus wird mittlerweile von Bildungspolitik und Bildungsträgern als Herausforderung wahrgenommen. Noch weitgehend unbekannt ist hingegen, dass viele Erwachsene in Deutschland nicht rechnen können. Laut PIAAC-Studie (2012) haben Menschen mit niedrigem Schulabschluss und Schulabbrecher/-innen oft Schwierigkeiten bei einfachen mathematischen Operationen. Mathematikdidaktiker/-innen und Rechentherapeut/-innen beobachten, dass manche Erwachsenen im Umgang mit Zahlen über das Zählen nie hinausgekommen sind. Mit dem DVV-Rahmencurriculum Rechnen liegt jetzt eine systematische Grundlage für den elementaren Mathematikunterricht bei Erwachsenen vor. Auch dazu gibt es umfangreiche Praxismaterialien. Wie die Aufgabenblätter zum Lesen- und Schreibenlernen wird auch das Material für den Rechenunterricht im Projekt „Rahmencurriculum – Transfer“ eingehend erprobt. Gleichzeitig wirbt das Projektteam für mehr bildungspolitische Aufmerksamkeit und mehr Lernangebote für Nichtrechner/-innen.
Das Projekt wird im Rahmen der Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
CC BY SA 3.0 DE by Angela Rustemeyer für wb-web
Kontakt:
Dr. Angela Rustemeyer, Deutscher Volkshochschul-Verband, Projektleitung Rahmencurriculum – Transfer (http://grundbildung.de/projekte/rahmencurriculum/),rustemeyer@dvv-vhs.de, 0228 9756918