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Didaktischer Einsatz von Virtual Reality

Ein Micro-Workshopkonzept zur Sensibilisierung von Lehrenden

Logo des Projekts DiKuLe

Logo des Projekts DiKuLe, nicht unter freier Lizenz

Der technologische Wandel tangiert immer auch den Bildungsbereich. Insbesondere Virtual Reality (VR) wird dabei aktuell diskutiert und bietet sowohl Chancen als auch Herausforderungen, um Bildungsprozesse spannend und lehrreich, aber auch praxisnah, zu gestalten. Um dies zu erreichen, gilt es Lehrende für digitale Bildungsmöglichkeiten zu sensibilisieren – etwa durch das Verwenden von Virtual Reality in der Gestaltung von Lehr-Lernprozessen. Doch wie genau kann eine solche didaktische Sensibilisierung von AR stattfinden? 

Was meinen AR, VR, MR und XR?  

Bei Augmented Reality (AR) wird die reale Umgebung mit virtuellen Inhalten erweitert. Man bleibt aber physisch in der realen Welt. Beispiele hierfür sind etwa AR-Brillen, mittels derer auf die reale Umgebung digitale Informationen (z.B. Navigationshinweise) gespiegelt werden. Die virtuelle Realität (VR) geht einen Schritt weiter, indem mithilfe zahlreicher Sensoren Kopf- und Körperbewegungen in eine virtuelle Welt, in der Regel über die VR-Brille, transferiert werden und man mit den Sinnen (sehen, hören) in eine digitale Welt abtaucht. Im Ergebnis fühlt man sich entkoppelt von der realen Welt, in einer virtuellen Welt präsent und kann sich dort frei bewegen. Man spricht auch von immersiver VR, da es sich um eine synthetisch geschaffene Welt im virtuellen Raum handelt. Extended Reality (XR) oder Mixed Reality (MR) können dabei als Überbegriffe beider Ansätze gesehen werden, da es sich auf alle Kombinationsmöglichkeiten von realen und virtuellen Welten bezieht (Beinsteiner et al. 2020).  

Welche didaktischen Einsatzmöglichkeiten gibt es mit Virtual Reality?  

 Immersive VR hat unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten in Lehr-Lernprozessen. Dabei können drei übergeordnete Szenarien unterschieden werden (vgl. Gerholz et al. 2022, 187ff.):  

  1. Lernprozessunterstützung: VR kann zur Lernprozessunterstützung dienen. Vor allem Orte und Objekte, welche in der Realität nur schwer zugänglich sind, können über VR erkundet werden (z.B. medizinische Berufsbilder durch die virtuelle Erkundung von Organen, virtuelle Erkundung von alten Gebäuden oder Kirchen). Es geht hier um eine Wissensrepräsentation durch VR, welche möglichst verständlich, anregend und zielgruppenorientiert gestaltet sein sollte.
  2. Didaktische Simulation zukünftiger Handlungsanforderungen: VR kann genutzt werden, um zukünftige Handlungsanforderungen zu simulieren und entsprechend Handlungen im virtuellen Raum seitens der Lernenden durchzuführen. Beispiele können die Konstruktion von Brücken über Täler, die Simulation einer Knie-OP oder die Verlegung von Starkstromleitungen sein. Gerade in Bereichen, in denen gesundheitliche Gefahren und wirtschaftliche Risiken verringert werden müssen, erscheint es sinnvoll, VR als Lernumgebung zur Simulation dieser Handlungsanforderungen einzusetzen.
  3. VR als Lerngegenstand: VR kann auch selbst als Lerngegenstand fungieren. Hier ermöglicht VR-Technologie das Entwickeln und Programmieren eigener virtueller Umgebungen mit Blick auf die zukünftigen beruflichen Handlungsfelder der Lernenden. Beispielhaft kann die Kundenberatung im kaufmännischen Bereich im virtuellen Raum mit Avataren genannt werden.

 VR bietet somit die Möglichkeit, im virtuellen Raum Objekte zu erkunden (Lernprozessunterstützung), Handlungen zu simulieren (Simulation von zukünftigen Tätigkeitsanforderungen) oder selbst als Lerngegenstand zu fungieren (VR als Lerngegenstand). 

 Wie können Lehrende für VR sensibilisiert werden?  

 Um digitale Technologien didaktisch wertvoll verwenden zu können, sind Lehrende und Bildungsakteure an die Möglichkeiten von VR heranzuführen. Gerade im Bereich VR bietet es sich dabei an, eine handlungsorientierte Erkundung zu gestalten, um die didaktischen Möglichkeiten zu VR erfahrbar zu machen. Hierfür wurde im Projekt DiKule (Digitale Kulturen der Lehre entwickeln) an der Universität Bamberg ein Micro-Workshopkonzept von 90 Minuten entwickelt. Der Ablauf kann wie folgt skizziert werden:  

Abbildung der Tabelle eines Micro-Workshopkonzepts von 90 Minuten

Vor allem die heterogenen Vorerfahrungen in Bezug auf die Nutzung von VR-Technologien stellen bei solchen Workshops Herausforderungen dar: Sowohl bei Neulingen als auch bei VR-Profis gilt es, ihnen verschiedene Szenarien näherzubringen und für einige auch das Interesse an VR-Technologien zu wecken. Um ein möglichst breites Spektrum im Rahmen der oben genannten Verwendungsmöglichkeiten abzudecken, werden vor allem in der Erkundungsphase verschiedene Inseln mit unterschiedlicher Hardware genutzt (sowohl mobile als auch kabel-gebundene Lösungen). Der Workshop bietet dabei die Möglichkeit des Ausprobierens und der ersten, geleiteten Berührungspunkte für die fachspezifische Verwendung von VR-Technologien. 

Welche Kompetenzen benötigen Lehrende beim Einsatz von VR?  

Der Workshop hebt die für Hochschullehrende notwendigen Kompetenzen im Einsatz von Virtual Reality in der Lehre hervor. Diese beinhalten ein Verständnis für die Integration von VR und pädagogischen Prinzipien, aber auch die sorgfältige Planung und Durchführung des Lehr-Lern-Arrangements (Potter & McDougall et al., 2017; Ripka, 2022). Ein zentraler Aspekt ist das Verständnis des Konzepts Third Space, welches eine Erweiterung z. B. des Klassenzimmers ermöglichen kann (Beinsteiner et al., 2020). Unter Einsatz des Flipped Classroom-Ansatzes wird dabei das integrierte Lernen durch eine geschickte Fusion von Face-to-face- und Online-Lernen ermöglicht (Li & Cao, 2020). Die Berücksichtigung äußerer Einflüsse, wie die Zugriffsmöglichkeiten der Lernenden und gesetzliche Vorschriften, ist ebenfalls als rahmengebend zu berücksichtigen (Ripka, 2022). Weitere Fähigkeiten umfassen die Anwendung von iterativem Vorgehen in der Weiterentwicklung und Anpassung von VR-Welten nach der Evaluation der Studierenden (Gregory et al., 2016). 

Darüber hinaus benötigen Lehrende ein Verständnis für Scaffolding innerhalb und außerhalb der virtuellen Lernumgebung, um effektiv mit VR didaktisch arbeiten zu können (Gregory et al., 2016). Die Förderung interdisziplinärer Zusammenarbeit durch VR ist ein weiterer Faktor, um die Entwicklung neue Lehrmethoden kollaborativ voranzutreiben (Freeman et al., 2022). Im technischen Bereich sollten Hochschullehrende idealerweise sowohl eine eigene VR-Erfahrungswelt schaffen können als auch die Anwendung von Kontrollmechanismen während des VR-Einsatzes der Lernenden beherrschen (Crowe et al., 2019; Mouw et al., 2020). Folglich gilt es, die Wichtigkeit von pädagogischem Know-how herauszustellen, insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung unterschiedlicher Lernpositionen und die Steuerung von Avataren (Gerholz et al., 2022; Ripka, 2022). 

In Bezug auf die Zielgruppe der Lernenden sollten diese nicht nur die technischen Potenziale und Herausforderungen von VR erkennen, sondern auch moralische Aspekte der Digitalisierung verstehen und sich kontinuierlich im digitalen Bereich weiterbilden (Gerholz et al., 2022). Ein differenziertes Verständnis von VR versus realer Unterrichtssituationen sowie die Entwicklung sozialer und professioneller Fähigkeiten in der VR-Erfahrungswelt sind zusätzliche Anforderungen, die es zu vermitteln gilt (Mouw et al., 2020). Hierfür bietet der Workshop die Chance, Schnittstellen zu schaffen, Barrieren abzubauen und Neugierde zu wecken. Die individuelle Gestaltung obliegt jedoch dann den Studierenden selbst, wenn Sie den Schritt vom Studierenden zum Lehrenden gehen und VR in der eigenen Lehre verwenden. 

 Autoren: Karl-Heinz Gerholz, Julia Hufnagl & Sabrina Sailer-Frank (Universität Bamberg)

 

Literatur:

Beinsteiner, A., Blasch, L., Hug, T., Missomelius, P., & Rizzolli, M. (2020) (Hrsg.). Augmentierte und virtuelle Wirklichkeiten. Innsbruck University Press. 

 Crowe, D. & LaPierre, M. E. (2019). Virtual/Mixed Reality: Next Generational Users of Instructional Tools for K-12 and Higher Education. In I. Management Association (Ed.), Virtual Reality in Education: Breakthroughs in Research and Practice IGI Global  

 Freeman, G., Acena, D., McNeese, N. & Schulenberg, K. 2022. Working Together Apart through Embodiment: Engaging in Everyday Collaborative Activities in Social Virtual Reality. Proc. ACM Hum.-Comput. Interact. 6, GROUP, Article 17 (January 2022), 25 pages. https://doi.org/10.1145/3492836  

 Gerholz, K.-H., Maidanjuk, I. & Schlottmann, P. (2022). Virtual Reality in der (beruflichen) Lehrerinnen- und Lehrerbildung –Hochschuldidaktische Einordnung und empirische Befunde auf Basis eines systematischen Literaturreviews.  In: Gerholz, K.-H., Schlottmann, P., Slepcevic-Zach, P. & Stock, M. (Hrsg.). Digital Literacy in der beruflichen Lehrer:innenbildung. Didaktik, Empirie und Innovation (S. 185-198). Wbv: Bielefeld. 

 Gregory, Sue & Lee, Mark & Dalgarno, Barney & Tynan, Belinda. (2016). LEARNING IN VIRTUAL WORLDS: RESEARCH AND APPLICATIONS. 

 Li, X.-D., China, Cao, H.-H., 2020. Research on VR-Supported Flipped Classroom Based on Blended Learning — A Case Study in "Learning English through News" 10. https://doi.org/10.18178/ijiet.2020.10.2.1347. (Zugriff am 13.12.2023) 

Mouw, J. M., Fokkens-Bruinsma, M., & Verheij, G-J. (2020). Using Virtual Reality to promote pre-service teachers’ classroom management skills and teacher resilience: A qualitative evaluation. J. Domenech, P. Merello, E. de la Poza, & R. Peña-Ortiz (Hg.), Proceedings of the 6th International Conference on Higher Education Advances (HEAd’20). 332-332. 

 Potter, John & McDougall Julian (2017): Digital Media, Culture & Education. Theorising Third Space Literacies. London: Palgrave Macmillan.37-39 

 Ripka, Gabriela (2022). Promoting Pre-Service Teachers’ TPACK Development in Social Virtual Reality: Practice- and Theory-Oriented Development and Evaluation of a Pedagogical Concept for Initial Teacher Education = Förderung der Entwicklung von TPACK bei angehenden Lehrern in sozialer virtueller Realität: praxis- und theorieorientierte Entwicklung und Evaluation eines pädagogischen Konzepts für die Lehrerausbildung. urn:nbn:de:bvb:20-opus-312913. (Zugriff am 01.12.2023) 

Passende Materialien

Projekt „DiKuLe: Digitale Kulturen der Lehre entwickeln"

Logo der Stiftung Innovation in der Hochschullehre

Das Projekt „DiKuLe: Digitale Kulturen der Lehre entwickeln"  zielt auf eine koordinierte, reflektierte Entwicklung neuer Lösungen und Formate für die digitale Lehre an der Universität Bamberg. Dafür werden neue Software-Lösungen, didaktische Formate und Video-Infrastrukturen entwickelt.

DiKuLe wird durch die Stiftung Innovation in der Hochschullehregefördert. Sie unterstützt im Rahmen eines Bund-Länder-Programms die Stärkung der digitalen Hochschullehre. Das Projekt an der Universität Bamberg hat ein Fördervolumen von 3,7 Millionen Euro und eine Laufzeit von drei Jahren (2021–2024).

Webseite DiKuLe

Das Projekt DiKuLe und seine Implikationen für Erwachsenen- und Weiterbildner*innen

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Das Projekt DiKuLe und seine Implikationen für Erwachsenen- und Weiterbildner*innen
Spätestens seit der Corona-Pandemie und den daran anknüpfenden technologischen Herausforderungen durch ChatGPT ist die Frage, wie die universitäre Lehre zukunftsfähig gestaltet werden kann, an den Hochschulen verstärkt in den Vordergrund gerückt. Dabei stellt sich nicht nur die Frage, wie Lehre und Lernen moderner und zeitgemäßer gestaltet werden können, sondern auch wie digitale Strukturen genutzt werden können, um auf die zunehmende Heterogenität der Studierenden sowie deren Bedürfnisse nach räumlicher Flexibilität und lebenslangem Lernen zu reagieren. Mit diesen Fragestellungen setzt sich an der Universität Bamberg seit 2020 das Forschungsprojekt „Digitale Kulturen der Lehre entwickeln (DiKuLe)“ auseinander, welches durch die Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert wird.

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